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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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der neueren Kunst, "daß die berühmten Brüder Hubert und Johann van Eyck dem Wesentlichen nach aus einer Schule der Miniaturmaler hervorgegangen sind, welche seit der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts in Flandern eine so große Vollkommenheit erlangt hatte."17

Sorgfältige Ausbildung des Landschaftlichen findet sich nämlich zuerst in den historischen Bildern dieser Brüder van Eyck. Beide haben nie Italien gesehen; aber der jüngere Bruder Johann genoß den Anblick einer südeuropäischen Vegetation, als er im Jahr 1428 die Gesandtschaft begleitete, welche der Herzog von Burgund Philipp der Gute wegen seiner Bewerbung um die Tochter König Johanns I von Portugal nach Lissabon schickte. Wir besitzen hier in dem Museum zu Berlin die Flügel des herrlichen Bildes, welches die eben genannten Künstler, die eigentlichen Begründer der großen niederländischen Malerschule, für die Cathedralkirche zu Gent angefertigt hatten. Auf den Flügeln, welche die heiligen Einsiedler und Pilger darstellen, hat Johann van Eyck die Landschaft durch Orangenbäume, Dattelpalmen und Cypressen geschmückt, die äußerst naturgetreu über andere dunkele Massen einen ernsten, erhabenen Charakter verbreiten. Man fühlt bei dem Anblick des Bildes, daß der Maler selbst den Eindruck einer Vegetation empfangen hat, die von lauen Lüften umweht ist.

Bei dem Meisterwerke der Gebrüder van Eyck stehen wir noch in der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts, als die vervollkommnete Oelmalerei eben erst angefangen hatte die Malerei in Tempera zu verdrängen und doch schon eine hohe technische Vollendung erlangt hatte. Das Streben nach einer lebendigen Darstellung der Naturformen war

der neueren Kunst, „daß die berühmten Brüder Hubert und Johann van Eyck dem Wesentlichen nach aus einer Schule der Miniaturmaler hervorgegangen sind, welche seit der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts in Flandern eine so große Vollkommenheit erlangt hatte."17

Sorgfältige Ausbildung des Landschaftlichen findet sich nämlich zuerst in den historischen Bildern dieser Brüder van Eyck. Beide haben nie Italien gesehen; aber der jüngere Bruder Johann genoß den Anblick einer südeuropäischen Vegetation, als er im Jahr 1428 die Gesandtschaft begleitete, welche der Herzog von Burgund Philipp der Gute wegen seiner Bewerbung um die Tochter König Johanns I von Portugal nach Lissabon schickte. Wir besitzen hier in dem Museum zu Berlin die Flügel des herrlichen Bildes, welches die eben genannten Künstler, die eigentlichen Begründer der großen niederländischen Malerschule, für die Cathedralkirche zu Gent angefertigt hatten. Auf den Flügeln, welche die heiligen Einsiedler und Pilger darstellen, hat Johann van Eyck die Landschaft durch Orangenbäume, Dattelpalmen und Cypressen geschmückt, die äußerst naturgetreu über andere dunkele Massen einen ernsten, erhabenen Charakter verbreiten. Man fühlt bei dem Anblick des Bildes, daß der Maler selbst den Eindruck einer Vegetation empfangen hat, die von lauen Lüften umweht ist.

Bei dem Meisterwerke der Gebrüder van Eyck stehen wir noch in der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts, als die vervollkommnete Oelmalerei eben erst angefangen hatte die Malerei in Tempera zu verdrängen und doch schon eine hohe technische Vollendung erlangt hatte. Das Streben nach einer lebendigen Darstellung der Naturformen war

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[81/0086] der neueren Kunst, „daß die berühmten Brüder Hubert und Johann van Eyck dem Wesentlichen nach aus einer Schule der Miniaturmaler hervorgegangen sind, welche seit der zweiten Hälfte des 14ten Jahrhunderts in Flandern eine so große Vollkommenheit erlangt hatte." ¹⁷ Sorgfältige Ausbildung des Landschaftlichen findet sich nämlich zuerst in den historischen Bildern dieser Brüder van Eyck. Beide haben nie Italien gesehen; aber der jüngere Bruder Johann genoß den Anblick einer südeuropäischen Vegetation, als er im Jahr 1428 die Gesandtschaft begleitete, welche der Herzog von Burgund Philipp der Gute wegen seiner Bewerbung um die Tochter König Johanns I von Portugal nach Lissabon schickte. Wir besitzen hier in dem Museum zu Berlin die Flügel des herrlichen Bildes, welches die eben genannten Künstler, die eigentlichen Begründer der großen niederländischen Malerschule, für die Cathedralkirche zu Gent angefertigt hatten. Auf den Flügeln, welche die heiligen Einsiedler und Pilger darstellen, hat Johann van Eyck die Landschaft durch Orangenbäume, Dattelpalmen und Cypressen geschmückt, die äußerst naturgetreu über andere dunkele Massen einen ernsten, erhabenen Charakter verbreiten. Man fühlt bei dem Anblick des Bildes, daß der Maler selbst den Eindruck einer Vegetation empfangen hat, die von lauen Lüften umweht ist. Bei dem Meisterwerke der Gebrüder van Eyck stehen wir noch in der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts, als die vervollkommnete Oelmalerei eben erst angefangen hatte die Malerei in Tempera zu verdrängen und doch schon eine hohe technische Vollendung erlangt hatte. Das Streben nach einer lebendigen Darstellung der Naturformen war

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/86>, abgerufen am 29.04.2024.