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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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hart prüfen, Schicksal? Warum berührtest du
die Stelle, wo ich sterblich war, da du doch meine
inneren metallischen Bezüge kanntest?

Es kam der Tag --

o laßt von ihm

Sich Höllengeister nächtlich unterreden!

-- es kam der Tag, an welchem unheimliche
Gestalten in mein Leben traten, bedrohliche Gewal-
ten mich umspannen mit geisterhaftem Netz und
die grause Trennung befahlen. In den Schaudern
jenes Augenblicks sagte sie mir unter andern Klei-
nigkeiten, zu denen unser Verhältniß geführt hatte,
das entsetzliche Wort: Mit der reichen Erbschaft
werde es kläglich genug ausfallen, denn sie habe
erfahren, daß ihr Vater arm, wie eine Kirchen-
maus sei. -- Das traf! Ich fühlte meine Säfte
gerinnen, ich fühlte, daß sie sich nach neuen chemi-
schen Gesetzen mischten und entmischten. Meine
Gebeine schlotterten, und obschon ich bald meine
äußere Fassung wiedergewann, so merkte ich doch,
daß über meine Wangen ein fremdes Etwas lief,
als ich erröthen wollte. Die Elemente in mir
waren in Aufruhr, und aus diesem Chaos haben
sich denn ganz neue Humoralgruppen in mir gestaltet.


hart prüfen, Schickſal? Warum berührteſt du
die Stelle, wo ich ſterblich war, da du doch meine
inneren metalliſchen Bezüge kannteſt?

Es kam der Tag —

o laßt von ihm

Sich Höllengeiſter nächtlich unterreden!

— es kam der Tag, an welchem unheimliche
Geſtalten in mein Leben traten, bedrohliche Gewal-
ten mich umſpannen mit geiſterhaftem Netz und
die grauſe Trennung befahlen. In den Schaudern
jenes Augenblicks ſagte ſie mir unter andern Klei-
nigkeiten, zu denen unſer Verhältniß geführt hatte,
das entſetzliche Wort: Mit der reichen Erbſchaft
werde es kläglich genug ausfallen, denn ſie habe
erfahren, daß ihr Vater arm, wie eine Kirchen-
maus ſei. — Das traf! Ich fühlte meine Säfte
gerinnen, ich fühlte, daß ſie ſich nach neuen chemi-
ſchen Geſetzen miſchten und entmiſchten. Meine
Gebeine ſchlotterten, und obſchon ich bald meine
äußere Faſſung wiedergewann, ſo merkte ich doch,
daß über meine Wangen ein fremdes Etwas lief,
als ich erröthen wollte. Die Elemente in mir
waren in Aufruhr, und aus dieſem Chaos haben
ſich denn ganz neue Humoralgruppen in mir geſtaltet.


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[233/0241] hart prüfen, Schickſal? Warum berührteſt du die Stelle, wo ich ſterblich war, da du doch meine inneren metalliſchen Bezüge kannteſt? Es kam der Tag — o laßt von ihm Sich Höllengeiſter nächtlich unterreden! — es kam der Tag, an welchem unheimliche Geſtalten in mein Leben traten, bedrohliche Gewal- ten mich umſpannen mit geiſterhaftem Netz und die grauſe Trennung befahlen. In den Schaudern jenes Augenblicks ſagte ſie mir unter andern Klei- nigkeiten, zu denen unſer Verhältniß geführt hatte, das entſetzliche Wort: Mit der reichen Erbſchaft werde es kläglich genug ausfallen, denn ſie habe erfahren, daß ihr Vater arm, wie eine Kirchen- maus ſei. — Das traf! Ich fühlte meine Säfte gerinnen, ich fühlte, daß ſie ſich nach neuen chemi- ſchen Geſetzen miſchten und entmiſchten. Meine Gebeine ſchlotterten, und obſchon ich bald meine äußere Faſſung wiedergewann, ſo merkte ich doch, daß über meine Wangen ein fremdes Etwas lief, als ich erröthen wollte. Die Elemente in mir waren in Aufruhr, und aus dieſem Chaos haben ſich denn ganz neue Humoralgruppen in mir geſtaltet.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/241>, abgerufen am 30.04.2024.