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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Ihr seht; Ihr habt mich schon fast eben so ver-
stutzt und verdutzt gemacht, wie die Schnotter-
baum, antwortete der Dämon auf die Frage des
Schneiders.

Letzterer fragte den Dämon, wie der Engel
aussehe? und erhielt zum Bescheide: So, wie ein
Engel sich trägt; ein Habit, weiß, von Nessel,
blaue Flügel mit Gold verbrämt. -- Dämon gab
diese und mehrere dergleichen Nachrichten mit mur-
render, unwilliger Stimme; offenbar belästigte ihn
der himmlische Geschäftsträger. Im Verlaufe der
deßfalls gepflogenen Unterredungen sagte er ein-
mal: 'S ist doch grausam, daß ich nun noch gar
einen Engel auf den Pelz krieg', da ich nimmer
an Engel geglaubt habe! -- Hier aber brachte
ihm Kernbeißer, der sich sonst in der ganzen Sache
als handelnde Person zweiten Ranges darstellte,
einen Kernschuß bei. Er warf ihm nämlich rasch
ein, daß Dämon seiner Denkungsart zu Folge ja
auch nicht an ein Leben nach dem Tode geglaubt
haben könne, und nun stecke er doch selbst mit Haut
und Haar mitten drin. -- Dieser Grund traf den
Dämon, machte ihn zahm, und von jetzt an ließ
er den Engel über sich ergehen.


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Ihr ſeht; Ihr habt mich ſchon faſt eben ſo ver-
ſtutzt und verdutzt gemacht, wie die Schnotter-
baum, antwortete der Dämon auf die Frage des
Schneiders.

Letzterer fragte den Dämon, wie der Engel
ausſehe? und erhielt zum Beſcheide: So, wie ein
Engel ſich trägt; ein Habit, weiß, von Neſſel,
blaue Flügel mit Gold verbrämt. — Dämon gab
dieſe und mehrere dergleichen Nachrichten mit mur-
render, unwilliger Stimme; offenbar beläſtigte ihn
der himmliſche Geſchäftsträger. Im Verlaufe der
deßfalls gepflogenen Unterredungen ſagte er ein-
mal: ’S iſt doch grauſam, daß ich nun noch gar
einen Engel auf den Pelz krieg’, da ich nimmer
an Engel geglaubt habe! — Hier aber brachte
ihm Kernbeißer, der ſich ſonſt in der ganzen Sache
als handelnde Perſon zweiten Ranges darſtellte,
einen Kernſchuß bei. Er warf ihm nämlich raſch
ein, daß Dämon ſeiner Denkungsart zu Folge ja
auch nicht an ein Leben nach dem Tode geglaubt
haben könne, und nun ſtecke er doch ſelbſt mit Haut
und Haar mitten drin. — Dieſer Grund traf den
Dämon, machte ihn zahm, und von jetzt an ließ
er den Engel über ſich ergehen.


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[307/0325] Ihr ſeht; Ihr habt mich ſchon faſt eben ſo ver- ſtutzt und verdutzt gemacht, wie die Schnotter- baum, antwortete der Dämon auf die Frage des Schneiders. Letzterer fragte den Dämon, wie der Engel ausſehe? und erhielt zum Beſcheide: So, wie ein Engel ſich trägt; ein Habit, weiß, von Neſſel, blaue Flügel mit Gold verbrämt. — Dämon gab dieſe und mehrere dergleichen Nachrichten mit mur- render, unwilliger Stimme; offenbar beläſtigte ihn der himmliſche Geſchäftsträger. Im Verlaufe der deßfalls gepflogenen Unterredungen ſagte er ein- mal: ’S iſt doch grauſam, daß ich nun noch gar einen Engel auf den Pelz krieg’, da ich nimmer an Engel geglaubt habe! — Hier aber brachte ihm Kernbeißer, der ſich ſonſt in der ganzen Sache als handelnde Perſon zweiten Ranges darſtellte, einen Kernſchuß bei. Er warf ihm nämlich raſch ein, daß Dämon ſeiner Denkungsart zu Folge ja auch nicht an ein Leben nach dem Tode geglaubt haben könne, und nun ſtecke er doch ſelbſt mit Haut und Haar mitten drin. — Dieſer Grund traf den Dämon, machte ihn zahm, und von jetzt an ließ er den Engel über ſich ergehen. 20*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/325>, abgerufen am 27.04.2024.