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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Letzterer wurde nun beauftragt, sich gehörigen
Orts zu erkundigen, wann die Erlösung des Grob-
schmidt-Magisters zu gewärtigen stehe? Er ver-
sprach, gleich dieserhalb abzureisen, und, da die
Wege noch so ziemlich seien, nach dreien Tagen
Abends sieben Uhr wieder einzutreffen mit hoffent-
lich günstiger Resolution.

Die drei Tage gingen in stiller Erwartung hin.
Der Engel bildete, das begriff Jeder, eine neue
Katastrophe in diesem Wunderdrama. Eschenmichel
schlug Alles nach, was er in der Kabbala, bei den
Gnostikern und bei Emanuel von Swedenborg
über Engel finden konnte, Kernbeißer sah mit thrä-
nenden Blicken in die Wolken und dichtete schöne
Lieder, in deren Einem er den seelenvollen Aus-
druck eines Kalbsauges pries. Die Schnotterbaum,
welche kaum noch vom Lager aufzustehen vermochte,
zupfte still an der Bettdecke, schaute seltsam vor
sich hin, und ich hörte sie zuweilen wie unwillkühr-
lich sagen: Was der Dämon verschwieg, der Engel
bringt's an Tag.

Wer aber am dritten Tage Abends sieben Uhr
ausblieb, war der Engel. Dämon kam, wie ge-
wöhnlich, folgsam aus der Magengegend herauf-

Letzterer wurde nun beauftragt, ſich gehörigen
Orts zu erkundigen, wann die Erlöſung des Grob-
ſchmidt-Magiſters zu gewärtigen ſtehe? Er ver-
ſprach, gleich dieſerhalb abzureiſen, und, da die
Wege noch ſo ziemlich ſeien, nach dreien Tagen
Abends ſieben Uhr wieder einzutreffen mit hoffent-
lich günſtiger Reſolution.

Die drei Tage gingen in ſtiller Erwartung hin.
Der Engel bildete, das begriff Jeder, eine neue
Kataſtrophe in dieſem Wunderdrama. Eſchenmichel
ſchlug Alles nach, was er in der Kabbala, bei den
Gnoſtikern und bei Emanuel von Swedenborg
über Engel finden konnte, Kernbeißer ſah mit thrä-
nenden Blicken in die Wolken und dichtete ſchöne
Lieder, in deren Einem er den ſeelenvollen Aus-
druck eines Kalbsauges pries. Die Schnotterbaum,
welche kaum noch vom Lager aufzuſtehen vermochte,
zupfte ſtill an der Bettdecke, ſchaute ſeltſam vor
ſich hin, und ich hörte ſie zuweilen wie unwillkühr-
lich ſagen: Was der Dämon verſchwieg, der Engel
bringt’s an Tag.

Wer aber am dritten Tage Abends ſieben Uhr
ausblieb, war der Engel. Dämon kam, wie ge-
wöhnlich, folgſam aus der Magengegend herauf-

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[308/0326] Letzterer wurde nun beauftragt, ſich gehörigen Orts zu erkundigen, wann die Erlöſung des Grob- ſchmidt-Magiſters zu gewärtigen ſtehe? Er ver- ſprach, gleich dieſerhalb abzureiſen, und, da die Wege noch ſo ziemlich ſeien, nach dreien Tagen Abends ſieben Uhr wieder einzutreffen mit hoffent- lich günſtiger Reſolution. Die drei Tage gingen in ſtiller Erwartung hin. Der Engel bildete, das begriff Jeder, eine neue Kataſtrophe in dieſem Wunderdrama. Eſchenmichel ſchlug Alles nach, was er in der Kabbala, bei den Gnoſtikern und bei Emanuel von Swedenborg über Engel finden konnte, Kernbeißer ſah mit thrä- nenden Blicken in die Wolken und dichtete ſchöne Lieder, in deren Einem er den ſeelenvollen Aus- druck eines Kalbsauges pries. Die Schnotterbaum, welche kaum noch vom Lager aufzuſtehen vermochte, zupfte ſtill an der Bettdecke, ſchaute ſeltſam vor ſich hin, und ich hörte ſie zuweilen wie unwillkühr- lich ſagen: Was der Dämon verſchwieg, der Engel bringt’s an Tag. Wer aber am dritten Tage Abends ſieben Uhr ausblieb, war der Engel. Dämon kam, wie ge- wöhnlich, folgſam aus der Magengegend herauf-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/326>, abgerufen am 28.04.2024.