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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Pflicht gethan hätte, unfehlbar der kalte Brand zu
der Wunde hätte treten müssen.

Lisbeth war während des Harrens auf die
Hülfe gefaßt gewesen, und hatte kaum geklagt,
obgleich ihr todtenblasses Gesicht verrieth, daß sie
Schmerzen litt. Auch die Operation, welche durch
die schwere Hand des Chirurgen peinigender wurde,
als nöthig, hatte sie muthig ausgehalten. Sie
ließ sich die Schrotkörner geben und schenkte sie
dem Jäger mit einem Scherze. Es seien Treff-
körner, sagte sie zu ihm, er solle sie aufheben, er
werde damit glücklich seyn.

Der Jäger nahm die Treffkörner, wickelte sie
in Papier und ließ das Haupt seines schönen Wil-
des, weil es schlummern wollte, aus den sanft um-
fangenden Armen. In denen hatte Lisbeth seit
dem Eintritte in die Stube des Oberhofes mit
ihren Schmerzen geruht, wie droben am Freistuhl.
Unverwandt hatte er mit kummervollem Auge in
ihr Antlitz geschaut und war zuweilen einem freund-
lichen Blicke begegnet, welchen sie, wie um ihn zu
beruhigen, zu ihm emporschickte.

Er ging in das Freie. Unmöglich konnte er
jetzt den Oberhof verlassen, er mußte, so sagte er,

Pflicht gethan hätte, unfehlbar der kalte Brand zu
der Wunde hätte treten müſſen.

Lisbeth war während des Harrens auf die
Hülfe gefaßt geweſen, und hatte kaum geklagt,
obgleich ihr todtenblaſſes Geſicht verrieth, daß ſie
Schmerzen litt. Auch die Operation, welche durch
die ſchwere Hand des Chirurgen peinigender wurde,
als nöthig, hatte ſie muthig ausgehalten. Sie
ließ ſich die Schrotkörner geben und ſchenkte ſie
dem Jäger mit einem Scherze. Es ſeien Treff-
körner, ſagte ſie zu ihm, er ſolle ſie aufheben, er
werde damit glücklich ſeyn.

Der Jäger nahm die Treffkörner, wickelte ſie
in Papier und ließ das Haupt ſeines ſchönen Wil-
des, weil es ſchlummern wollte, aus den ſanft um-
fangenden Armen. In denen hatte Lisbeth ſeit
dem Eintritte in die Stube des Oberhofes mit
ihren Schmerzen geruht, wie droben am Freiſtuhl.
Unverwandt hatte er mit kummervollem Auge in
ihr Antlitz geſchaut und war zuweilen einem freund-
lichen Blicke begegnet, welchen ſie, wie um ihn zu
beruhigen, zu ihm emporſchickte.

Er ging in das Freie. Unmöglich konnte er
jetzt den Oberhof verlaſſen, er mußte, ſo ſagte er,

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[41/0055] Pflicht gethan hätte, unfehlbar der kalte Brand zu der Wunde hätte treten müſſen. Lisbeth war während des Harrens auf die Hülfe gefaßt geweſen, und hatte kaum geklagt, obgleich ihr todtenblaſſes Geſicht verrieth, daß ſie Schmerzen litt. Auch die Operation, welche durch die ſchwere Hand des Chirurgen peinigender wurde, als nöthig, hatte ſie muthig ausgehalten. Sie ließ ſich die Schrotkörner geben und ſchenkte ſie dem Jäger mit einem Scherze. Es ſeien Treff- körner, ſagte ſie zu ihm, er ſolle ſie aufheben, er werde damit glücklich ſeyn. Der Jäger nahm die Treffkörner, wickelte ſie in Papier und ließ das Haupt ſeines ſchönen Wil- des, weil es ſchlummern wollte, aus den ſanft um- fangenden Armen. In denen hatte Lisbeth ſeit dem Eintritte in die Stube des Oberhofes mit ihren Schmerzen geruht, wie droben am Freiſtuhl. Unverwandt hatte er mit kummervollem Auge in ihr Antlitz geſchaut und war zuweilen einem freund- lichen Blicke begegnet, welchen ſie, wie um ihn zu beruhigen, zu ihm emporſchickte. Er ging in das Freie. Unmöglich konnte er jetzt den Oberhof verlaſſen, er mußte, ſo ſagte er,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/55>, abgerufen am 29.04.2024.