Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geistlichkeit dieser Stadt.
Außerdem giebt es noch eine Matsusi- oder Nebenkapelle dieses Ordens, Namens Quansiensi: die Danna oder die derselben einverleibte Layen hatten vor einiger Zeit, der eine zehn, der andere hundert Sjumome zur Erweiterung und Vergrößerung derselben zu- sammengeschossen, und die ganze Summe dem Oeje oder Vorsteher im verwichenen Jahre anvertrauet, um sie nach Miaco ihrem obersten Befehlshaber zu überliefern, und dessen weiteren Verfügung zu überlassen; der Osje aber war in Osacca geblieben, wo er dem Ver- muthen nach das Geld durchgebracht haben sol; sein Weib und Kinder befinden sich noch zu Nagasacki; in dem Fal, daß sich die Sache so verhält und der Osje nicht wieder zurük- komt, wollen sich die Danna unter einen andern Tempel begeben.
Die Geistlichen aller dieser Sekten der Budsdo-Religion stellen nie eine Prozes- sion noch einiges öffentliches Schauspiel an, sie halten sich jederzeit in den Gränzen ihres Klosterbezirks und nehmen ihrer Lese- und Bätstunden auch sonstiger geistlichen Verrichtun- gen wahr, und sorgen daneben für ihren Unterhalt, den sie sich mit Seelmessen verdienen, oder durch die Almosen oder freiwilligen Geschenke ihrer Danna erwarten müssen. Sie stehen, wie aus dem vorigen erhellet, in jeder Sekte und deren vertheilten Orden, unter besondern Vorstehern oder Priorn, die man Dsjusi oder Osje nent, und jeder dieser wie- derum unter einem obersten oder General-Osje derselben Sekte und Orden in Miaco.
Die Jkosju Klöster nennen ihre Prioren Sjoo nin und ihre beiden General- prioren in Miaco führen den stolzen Namen Go Monseki oder Monseki, welches nach dem Buchstaben so viel sagen wil, als: der Pforte verlassener Plaz, oder die nächsten der hohen Pforte, die sie verlassen; weil sie als leibliche Abkömlinge des Mikaddo zu dieser Religion und Würde übergetreten, denn das Wort Mikaddo heißet eigentlich die hohe Pforte.
Außer vorbeschriebenen Klöstern sind deren noch drei Sinesische von der Sekte Sen zu Nagasacki, ziemlich net gebauet, reichlich mit Pfaffen besezt und übrigens mit mehreren Götzen sinesischer Könige und anderer Heiligen in Lebensgröße, auch auf den Tempelhöfen mit hohen Triumphfahnen und fremden Zierrathen versehen. Die Stifter derselben waren die im Japanischen Reiche Handel und Wandel treibende Sinesische Nationen nach ihren drei von einander unterschiedenen Provinzialsprachen; indem sie solche bei Vertilgung der Christen zur Uebung ihrer Andacht und Bewahrung ihrer Schifsgötzen bestimten, denn so bald sie in dem Nagasackischen Hafen eintreffen, bringen sie, unter dem Getöne von großen Cymbeln und Trommeln, diese Schifsgötzen alsbald mit einem ganz besondern Respect in eine gewisse Nebenkapelle ausser dem Haupttempel, und lassen selbige alda so lange in Sicher- heit, bis sie wieder abfahren, da sie mit eben den Ceremonien wieder zu Schiffe getra- gen werden.
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Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.
Außerdem giebt es noch eine Matſuſi- oder Nebenkapelle dieſes Ordens, Namens Quanſienſi: die Danna oder die derſelben einverleibte Layen hatten vor einiger Zeit, der eine zehn, der andere hundert Sjumome zur Erweiterung und Vergroͤßerung derſelben zu- ſammengeſchoſſen, und die ganze Summe dem Oeje oder Vorſteher im verwichenen Jahre anvertrauet, um ſie nach Miaco ihrem oberſten Befehlshaber zu uͤberliefern, und deſſen weiteren Verfuͤgung zu uͤberlaſſen; der Osje aber war in Oſacca geblieben, wo er dem Ver- muthen nach das Geld durchgebracht haben ſol; ſein Weib und Kinder befinden ſich noch zu Nagaſacki; in dem Fal, daß ſich die Sache ſo verhaͤlt und der Osje nicht wieder zuruͤk- komt, wollen ſich die Danna unter einen andern Tempel begeben.
Die Geiſtlichen aller dieſer Sekten der Budsdo-Religion ſtellen nie eine Prozeſ- ſion noch einiges oͤffentliches Schauſpiel an, ſie halten ſich jederzeit in den Graͤnzen ihres Kloſterbezirks und nehmen ihrer Leſe- und Baͤtſtunden auch ſonſtiger geiſtlichen Verrichtun- gen wahr, und ſorgen daneben fuͤr ihren Unterhalt, den ſie ſich mit Seelmeſſen verdienen, oder durch die Almoſen oder freiwilligen Geſchenke ihrer Danna erwarten muͤſſen. Sie ſtehen, wie aus dem vorigen erhellet, in jeder Sekte und deren vertheilten Orden, unter beſondern Vorſtehern oder Priorn, die man Dſjuſi oder Oſje nent, und jeder dieſer wie- derum unter einem oberſten oder General-Oſje derſelben Sekte und Orden in Miaco.
Die Jkosju Kloͤſter nennen ihre Prioren Sjoo nin und ihre beiden General- prioren in Miaco fuͤhren den ſtolzen Namen Go Monſeki oder Monſeki, welches nach dem Buchſtaben ſo viel ſagen wil, als: der Pforte verlaſſener Plaz, oder die naͤchſten der hohen Pforte, die ſie verlaſſen; weil ſie als leibliche Abkoͤmlinge des Mikaddo zu dieſer Religion und Wuͤrde uͤbergetreten, denn das Wort Mikaddo heißet eigentlich die hohe Pforte.
Außer vorbeſchriebenen Kloͤſtern ſind deren noch drei Sineſiſche von der Sekte Sen zu Nagaſacki, ziemlich net gebauet, reichlich mit Pfaffen beſezt und uͤbrigens mit mehreren Goͤtzen ſineſiſcher Koͤnige und anderer Heiligen in Lebensgroͤße, auch auf den Tempelhoͤfen mit hohen Triumphfahnen und fremden Zierrathen verſehen. Die Stifter derſelben waren die im Japaniſchen Reiche Handel und Wandel treibende Sineſiſche Nationen nach ihren drei von einander unterſchiedenen Provinzialſprachen; indem ſie ſolche bei Vertilgung der Chriſten zur Uebung ihrer Andacht und Bewahrung ihrer Schifsgoͤtzen beſtimten, denn ſo bald ſie in dem Nagaſackiſchen Hafen eintreffen, bringen ſie, unter dem Getoͤne von großen Cymbeln und Trommeln, dieſe Schifsgoͤtzen alsbald mit einem ganz beſondern Reſpect in eine gewiſſe Nebenkapelle auſſer dem Haupttempel, und laſſen ſelbige alda ſo lange in Sicher- heit, bis ſie wieder abfahren, da ſie mit eben den Ceremonien wieder zu Schiffe getra- gen werden.
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[53/0067]
Viert. Kap. Von den Tempeln und der Geiſtlichkeit dieſer Stadt.
Außerdem giebt es noch eine Matſuſi- oder Nebenkapelle dieſes Ordens, Namens
Quanſienſi: die Danna oder die derſelben einverleibte Layen hatten vor einiger Zeit, der
eine zehn, der andere hundert Sjumome zur Erweiterung und Vergroͤßerung derſelben zu-
ſammengeſchoſſen, und die ganze Summe dem Oeje oder Vorſteher im verwichenen Jahre
anvertrauet, um ſie nach Miaco ihrem oberſten Befehlshaber zu uͤberliefern, und deſſen
weiteren Verfuͤgung zu uͤberlaſſen; der Osje aber war in Oſacca geblieben, wo er dem Ver-
muthen nach das Geld durchgebracht haben ſol; ſein Weib und Kinder befinden ſich noch zu
Nagaſacki; in dem Fal, daß ſich die Sache ſo verhaͤlt und der Osje nicht wieder zuruͤk-
komt, wollen ſich die Danna unter einen andern Tempel begeben.
Die Geiſtlichen aller dieſer Sekten der Budsdo-Religion ſtellen nie eine Prozeſ-
ſion noch einiges oͤffentliches Schauſpiel an, ſie halten ſich jederzeit in den Graͤnzen ihres
Kloſterbezirks und nehmen ihrer Leſe- und Baͤtſtunden auch ſonſtiger geiſtlichen Verrichtun-
gen wahr, und ſorgen daneben fuͤr ihren Unterhalt, den ſie ſich mit Seelmeſſen verdienen,
oder durch die Almoſen oder freiwilligen Geſchenke ihrer Danna erwarten muͤſſen. Sie
ſtehen, wie aus dem vorigen erhellet, in jeder Sekte und deren vertheilten Orden, unter
beſondern Vorſtehern oder Priorn, die man Dſjuſi oder Oſje nent, und jeder dieſer wie-
derum unter einem oberſten oder General-Oſje derſelben Sekte und Orden in Miaco.
Die Jkosju Kloͤſter nennen ihre Prioren Sjoo nin und ihre beiden General-
prioren in Miaco fuͤhren den ſtolzen Namen Go Monſeki oder Monſeki, welches nach
dem Buchſtaben ſo viel ſagen wil, als: der Pforte verlaſſener Plaz, oder die naͤchſten der
hohen Pforte, die ſie verlaſſen; weil ſie als leibliche Abkoͤmlinge des Mikaddo zu dieſer
Religion und Wuͤrde uͤbergetreten, denn das Wort Mikaddo heißet eigentlich die hohe
Pforte.
Außer vorbeſchriebenen Kloͤſtern ſind deren noch drei Sineſiſche von der Sekte Sen
zu Nagaſacki, ziemlich net gebauet, reichlich mit Pfaffen beſezt und uͤbrigens mit mehreren
Goͤtzen ſineſiſcher Koͤnige und anderer Heiligen in Lebensgroͤße, auch auf den Tempelhoͤfen
mit hohen Triumphfahnen und fremden Zierrathen verſehen. Die Stifter derſelben waren
die im Japaniſchen Reiche Handel und Wandel treibende Sineſiſche Nationen nach ihren
drei von einander unterſchiedenen Provinzialſprachen; indem ſie ſolche bei Vertilgung der
Chriſten zur Uebung ihrer Andacht und Bewahrung ihrer Schifsgoͤtzen beſtimten, denn ſo
bald ſie in dem Nagaſackiſchen Hafen eintreffen, bringen ſie, unter dem Getoͤne von großen
Cymbeln und Trommeln, dieſe Schifsgoͤtzen alsbald mit einem ganz beſondern Reſpect in
eine gewiſſe Nebenkapelle auſſer dem Haupttempel, und laſſen ſelbige alda ſo lange in Sicher-
heit, bis ſie wieder abfahren, da ſie mit eben den Ceremonien wieder zu Schiffe getra-
gen werden.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/67>, abgerufen am 29.04.2024.
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