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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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kelchen, daß die reichen Kenner ihn für einen aus¬
gesuchten Kabinetsmaler hielten und sich um seine
seltsamen Arbeiten stritten. Seine größte, tief¬
sinnigste Kunst, und von wahrhaftem Verdienst,
bestand in der weisen Oekonomie, mit welcher er
seine Bildchen so anzuordnen wußte, daß weder
durch den Gegenstand, noch durch die Beleuchtung
Schwierigkeiten erwuchsen und die Inhaltlosigkeit
und Armuth als elegante Absichtlichkeit erschienen.
Aber trotzdem waren jedesmal die anderthalb
Tage Arbeit ein höllisches Fegefeuer für den bie¬
deren Erickson. Seine Hünengestalt, die sonst
nur in ruhig kräftiger That sich bewegte, ängstigte
sich alsdann in peinlicher Unruhe vor dem kleinen
Rähmchen, das er bemalte: er stieß mächtige
Rauchwolken aus der kurzen Jägerpfeife, welche
ihm an den Lippen hing, seufzte und stöhnte,
stand hundert Mal auf und setzte sich wieder und
klagte, rief oder brummte: "O heiliges Donner¬
wetter! Welcher Teufel mußte mir einblasen, ein
Maler zu werden! Dieser verfluchte Ast! Da hab'
ich zu viel Laub angebracht, ich kann in meinem
Leben nicht eine so ansehnliche Masse Baumschlag

kelchen, daß die reichen Kenner ihn fuͤr einen aus¬
geſuchten Kabinetsmaler hielten und ſich um ſeine
ſeltſamen Arbeiten ſtritten. Seine groͤßte, tief¬
ſinnigſte Kunſt, und von wahrhaftem Verdienſt,
beſtand in der weiſen Oekonomie, mit welcher er
ſeine Bildchen ſo anzuordnen wußte, daß weder
durch den Gegenſtand, noch durch die Beleuchtung
Schwierigkeiten erwuchſen und die Inhaltloſigkeit
und Armuth als elegante Abſichtlichkeit erſchienen.
Aber trotzdem waren jedesmal die anderthalb
Tage Arbeit ein hoͤlliſches Fegefeuer fuͤr den bie¬
deren Erickſon. Seine Huͤnengeſtalt, die ſonſt
nur in ruhig kraͤftiger That ſich bewegte, aͤngſtigte
ſich alsdann in peinlicher Unruhe vor dem kleinen
Raͤhmchen, das er bemalte: er ſtieß maͤchtige
Rauchwolken aus der kurzen Jaͤgerpfeife, welche
ihm an den Lippen hing, ſeufzte und ſtoͤhnte,
ſtand hundert Mal auf und ſetzte ſich wieder und
klagte, rief oder brummte: »O heiliges Donner¬
wetter! Welcher Teufel mußte mir einblaſen, ein
Maler zu werden! Dieſer verfluchte Aſt! Da hab'
ich zu viel Laub angebracht, ich kann in meinem
Leben nicht eine ſo anſehnliche Maſſe Baumſchlag

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[178/0188] kelchen, daß die reichen Kenner ihn fuͤr einen aus¬ geſuchten Kabinetsmaler hielten und ſich um ſeine ſeltſamen Arbeiten ſtritten. Seine groͤßte, tief¬ ſinnigſte Kunſt, und von wahrhaftem Verdienſt, beſtand in der weiſen Oekonomie, mit welcher er ſeine Bildchen ſo anzuordnen wußte, daß weder durch den Gegenſtand, noch durch die Beleuchtung Schwierigkeiten erwuchſen und die Inhaltloſigkeit und Armuth als elegante Abſichtlichkeit erſchienen. Aber trotzdem waren jedesmal die anderthalb Tage Arbeit ein hoͤlliſches Fegefeuer fuͤr den bie¬ deren Erickſon. Seine Huͤnengeſtalt, die ſonſt nur in ruhig kraͤftiger That ſich bewegte, aͤngſtigte ſich alsdann in peinlicher Unruhe vor dem kleinen Raͤhmchen, das er bemalte: er ſtieß maͤchtige Rauchwolken aus der kurzen Jaͤgerpfeife, welche ihm an den Lippen hing, ſeufzte und ſtoͤhnte, ſtand hundert Mal auf und ſetzte ſich wieder und klagte, rief oder brummte: »O heiliges Donner¬ wetter! Welcher Teufel mußte mir einblaſen, ein Maler zu werden! Dieſer verfluchte Aſt! Da hab' ich zu viel Laub angebracht, ich kann in meinem Leben nicht eine ſo anſehnliche Maſſe Baumſchlag

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/188>, abgerufen am 30.04.2024.