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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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einen andauernden Müßiggang den fleißigen
Leser ärgern, so dürfte sich der Verfasser sogar
noch beglückwünschen, daß der Seinige wenigstens
etwas thut, und wenn er auch nur Landschaften
verfertigt. Das Handwerk hat einen goldenen
Boden und ganz gewiß in einem Romane eben¬
sowohl wie anderswo. Uebrigens ist nur zu
wünschen, daß der weitere Verlauf die Endabsicht
klar machen und der aufmerksame Leser inzwischen
solche Stellen dulden und von besagtem Stand¬
punkte aus ansehen möge.

Also Heinrich versenkte sich nun ganz in jene
geistreiche und symbolische Art. Da er seine
Jugendjahre meistens im Freien zugebracht, so
bewahrte er in seinem Gedächtnisse, unterstützt
von einer lebendigen Vorstellungskraft und seinen
alten Studienblättern, eine ziemliche Kenntniß
der grünen Natur, und dieser Jugendschatz kam
ihm jetzt gut zu Statten; denn von ihm zehrte
er diese ganzen Jahre. Aber dieser Vorrath
blaßte endlich aus, man sah es an Heinrichs
Bäumen; je geistreicher und gebildeter diese wur¬
den, desto mehr wurden sie grau oder bräunlich,

einen andauernden Muͤßiggang den fleißigen
Leſer aͤrgern, ſo duͤrfte ſich der Verfaſſer ſogar
noch begluͤckwuͤnſchen, daß der Seinige wenigſtens
etwas thut, und wenn er auch nur Landſchaften
verfertigt. Das Handwerk hat einen goldenen
Boden und ganz gewiß in einem Romane eben¬
ſowohl wie anderswo. Uebrigens iſt nur zu
wuͤnſchen, daß der weitere Verlauf die Endabſicht
klar machen und der aufmerkſame Leſer inzwiſchen
ſolche Stellen dulden und von beſagtem Stand¬
punkte aus anſehen moͤge.

Alſo Heinrich verſenkte ſich nun ganz in jene
geiſtreiche und ſymboliſche Art. Da er ſeine
Jugendjahre meiſtens im Freien zugebracht, ſo
bewahrte er in ſeinem Gedaͤchtniſſe, unterſtuͤtzt
von einer lebendigen Vorſtellungskraft und ſeinen
alten Studienblaͤttern, eine ziemliche Kenntniß
der gruͤnen Natur, und dieſer Jugendſchatz kam
ihm jetzt gut zu Statten; denn von ihm zehrte
er dieſe ganzen Jahre. Aber dieſer Vorrath
blaßte endlich aus, man ſah es an Heinrichs
Baͤumen; je geiſtreicher und gebildeter dieſe wur¬
den, deſto mehr wurden ſie grau oder braͤunlich,

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[194/0204] einen andauernden Muͤßiggang den fleißigen Leſer aͤrgern, ſo duͤrfte ſich der Verfaſſer ſogar noch begluͤckwuͤnſchen, daß der Seinige wenigſtens etwas thut, und wenn er auch nur Landſchaften verfertigt. Das Handwerk hat einen goldenen Boden und ganz gewiß in einem Romane eben¬ ſowohl wie anderswo. Uebrigens iſt nur zu wuͤnſchen, daß der weitere Verlauf die Endabſicht klar machen und der aufmerkſame Leſer inzwiſchen ſolche Stellen dulden und von beſagtem Stand¬ punkte aus anſehen moͤge. Alſo Heinrich verſenkte ſich nun ganz in jene geiſtreiche und ſymboliſche Art. Da er ſeine Jugendjahre meiſtens im Freien zugebracht, ſo bewahrte er in ſeinem Gedaͤchtniſſe, unterſtuͤtzt von einer lebendigen Vorſtellungskraft und ſeinen alten Studienblaͤttern, eine ziemliche Kenntniß der gruͤnen Natur, und dieſer Jugendſchatz kam ihm jetzt gut zu Statten; denn von ihm zehrte er dieſe ganzen Jahre. Aber dieſer Vorrath blaßte endlich aus, man ſah es an Heinrichs Baͤumen; je geiſtreicher und gebildeter dieſe wur¬ den, deſto mehr wurden ſie grau oder braͤunlich,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/204>, abgerufen am 27.04.2024.