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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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statt grün; je künstlicher und beziehungsreicher
seine Steingruppirungen und Steinchen sich dar¬
stellten, seine Stämme und Wurzeln, desto blasser
waren sie, ohne Glanz und Thau, und am Ende
wurden alle diese Dinge zu bloßen schattenhaf¬
ten Symbolen, zu gespenstigen Schemen, welche
er mit wahrer Behendigkeit regierte und in im¬
mer neuen Entwürfen verwandte. Er malte
überhaupt nur wenig und machte selten etwas
ganz fertig; desto eifriger war er dahinter her,
in Schwarz oder Grau große Kartons und Skiz¬
zen auszuführen, welche immer einen bestimmten,
sehr gelehrten oder poetischen Gedanken enthielten
und sehr ehrwürdig aussahen.

Und merkwürdiger Weise waren diese Gegen¬
stände fast immer solche, deren Natur er nicht
aus eigener Anschauung kannte, ossianische oder
nordisch mythologische Wüsteneien, zwischen deren
Felsenmälern und knorrigen Eichenhainen man die
Meereslinie am Horizonte sah, düstere Haidebil¬
der mit ungeheuren Wolkenzügen, in welchen ein
einsames Hünengrab ragte, oder förmliche Kultur¬
bilder, welche etwa einen deutschen Landstrich im

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ſtatt gruͤn; je kuͤnſtlicher und beziehungsreicher
ſeine Steingruppirungen und Steinchen ſich dar¬
ſtellten, ſeine Staͤmme und Wurzeln, deſto blaſſer
waren ſie, ohne Glanz und Thau, und am Ende
wurden alle dieſe Dinge zu bloßen ſchattenhaf¬
ten Symbolen, zu geſpenſtigen Schemen, welche
er mit wahrer Behendigkeit regierte und in im¬
mer neuen Entwuͤrfen verwandte. Er malte
uͤberhaupt nur wenig und machte ſelten etwas
ganz fertig; deſto eifriger war er dahinter her,
in Schwarz oder Grau große Kartons und Skiz¬
zen auszufuͤhren, welche immer einen beſtimmten,
ſehr gelehrten oder poetiſchen Gedanken enthielten
und ſehr ehrwuͤrdig ausſahen.

Und merkwuͤrdiger Weiſe waren dieſe Gegen¬
ſtaͤnde faſt immer ſolche, deren Natur er nicht
aus eigener Anſchauung kannte, oſſianiſche oder
nordiſch mythologiſche Wuͤſteneien, zwiſchen deren
Felſenmaͤlern und knorrigen Eichenhainen man die
Meereslinie am Horizonte ſah, duͤſtere Haidebil¬
der mit ungeheuren Wolkenzuͤgen, in welchen ein
einſames Huͤnengrab ragte, oder foͤrmliche Kultur¬
bilder, welche etwa einen deutſchen Landſtrich im

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[195/0205] ſtatt gruͤn; je kuͤnſtlicher und beziehungsreicher ſeine Steingruppirungen und Steinchen ſich dar¬ ſtellten, ſeine Staͤmme und Wurzeln, deſto blaſſer waren ſie, ohne Glanz und Thau, und am Ende wurden alle dieſe Dinge zu bloßen ſchattenhaf¬ ten Symbolen, zu geſpenſtigen Schemen, welche er mit wahrer Behendigkeit regierte und in im¬ mer neuen Entwuͤrfen verwandte. Er malte uͤberhaupt nur wenig und machte ſelten etwas ganz fertig; deſto eifriger war er dahinter her, in Schwarz oder Grau große Kartons und Skiz¬ zen auszufuͤhren, welche immer einen beſtimmten, ſehr gelehrten oder poetiſchen Gedanken enthielten und ſehr ehrwuͤrdig ausſahen. Und merkwuͤrdiger Weiſe waren dieſe Gegen¬ ſtaͤnde faſt immer ſolche, deren Natur er nicht aus eigener Anſchauung kannte, oſſianiſche oder nordiſch mythologiſche Wuͤſteneien, zwiſchen deren Felſenmaͤlern und knorrigen Eichenhainen man die Meereslinie am Horizonte ſah, duͤſtere Haidebil¬ der mit ungeheuren Wolkenzuͤgen, in welchen ein einſames Huͤnengrab ragte, oder foͤrmliche Kultur¬ bilder, welche etwa einen deutſchen Landſtrich im 13 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/205>, abgerufen am 27.04.2024.