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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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permanente Gemäldeausstellung. Was sah ich gleich beim
Eintritt? Reginen's Bildniß als phantastisch angeordneten
Studienkopf, über Lebensgröße, mit theatralisch auf¬
gebundenem Haar und einer dicken Perlenschnur darin,
mit bloßem Nacken und gehüllt in einen Theatermantel
von Hermelin und rothem Sammet, d. h. jener von
Katzenpelz und dieser von Möbelplüsch, das Alles mit
einer scheinbaren Frechheit gemalt, wie sie von gewissen
Kunstjüngern mit unendlichem mühevollem Salben und
Schmieren und ängstlicher Hand zuweilen erworben oder
wenigstens geheuchelt wird.

Natürlich war der "Studienkopf" das Werk der Malerin
und Regine von den Parzen beschwatzt worden, derselben
in ihrem Atelier aus Gefälligkeit zu sitzen. Ob sie
wußten, daß die Künstlerin das Bild ausstellen und
verkaufen wollte, kann ich nicht sagen; Regine wußte
es jedenfalls nicht, wie mich ihre Haushälterin ver¬
sicherte, als ich hinging, um jene zu sprechen, aber nur
diese antraf. Denn ich hatte bemerkt, daß das Bild
bereits von einem Händler angekauft war, der Gemälde¬
transporte nach Amerika lieferte. -- Die Geschichte gefiel
mir keineswegs und ich schwankte, ob ich dem Erwin
Altenauer schreiben solle oder nicht. Allein die drei
Renommistinnen galten trotz ihrer wunderlichen Auf¬
führung für ehrbare Frauen und waren es wol auch,
und sie machten nicht unansehnliche Häuser. Der Mann
der Gazelle war ein großer Sprithändler, derjenige des

permanente Gemäldeausſtellung. Was ſah ich gleich beim
Eintritt? Reginen's Bildniß als phantaſtiſch angeordneten
Studienkopf, über Lebensgröße, mit theatraliſch auf¬
gebundenem Haar und einer dicken Perlenſchnur darin,
mit bloßem Nacken und gehüllt in einen Theatermantel
von Hermelin und rothem Sammet, d. h. jener von
Katzenpelz und dieſer von Möbelplüſch, das Alles mit
einer ſcheinbaren Frechheit gemalt, wie ſie von gewiſſen
Kunſtjüngern mit unendlichem mühevollem Salben und
Schmieren und ängſtlicher Hand zuweilen erworben oder
wenigſtens geheuchelt wird.

Natürlich war der „Studienkopf“ das Werk der Malerin
und Regine von den Parzen beſchwatzt worden, derſelben
in ihrem Atelier aus Gefälligkeit zu ſitzen. Ob ſie
wußten, daß die Künſtlerin das Bild ausſtellen und
verkaufen wollte, kann ich nicht ſagen; Regine wußte
es jedenfalls nicht, wie mich ihre Haushälterin ver¬
ſicherte, als ich hinging, um jene zu ſprechen, aber nur
dieſe antraf. Denn ich hatte bemerkt, daß das Bild
bereits von einem Händler angekauft war, der Gemälde¬
transporte nach Amerika lieferte. — Die Geſchichte gefiel
mir keineswegs und ich ſchwankte, ob ich dem Erwin
Altenauer ſchreiben ſolle oder nicht. Allein die drei
Renommiſtinnen galten trotz ihrer wunderlichen Auf¬
führung für ehrbare Frauen und waren es wol auch,
und ſie machten nicht unanſehnliche Häuſer. Der Mann
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[109/0119] permanente Gemäldeausſtellung. Was ſah ich gleich beim Eintritt? Reginen's Bildniß als phantaſtiſch angeordneten Studienkopf, über Lebensgröße, mit theatraliſch auf¬ gebundenem Haar und einer dicken Perlenſchnur darin, mit bloßem Nacken und gehüllt in einen Theatermantel von Hermelin und rothem Sammet, d. h. jener von Katzenpelz und dieſer von Möbelplüſch, das Alles mit einer ſcheinbaren Frechheit gemalt, wie ſie von gewiſſen Kunſtjüngern mit unendlichem mühevollem Salben und Schmieren und ängſtlicher Hand zuweilen erworben oder wenigſtens geheuchelt wird. Natürlich war der „Studienkopf“ das Werk der Malerin und Regine von den Parzen beſchwatzt worden, derſelben in ihrem Atelier aus Gefälligkeit zu ſitzen. Ob ſie wußten, daß die Künſtlerin das Bild ausſtellen und verkaufen wollte, kann ich nicht ſagen; Regine wußte es jedenfalls nicht, wie mich ihre Haushälterin ver¬ ſicherte, als ich hinging, um jene zu ſprechen, aber nur dieſe antraf. Denn ich hatte bemerkt, daß das Bild bereits von einem Händler angekauft war, der Gemälde¬ transporte nach Amerika lieferte. — Die Geſchichte gefiel mir keineswegs und ich ſchwankte, ob ich dem Erwin Altenauer ſchreiben ſolle oder nicht. Allein die drei Renommiſtinnen galten trotz ihrer wunderlichen Auf¬ führung für ehrbare Frauen und waren es wol auch, und ſie machten nicht unanſehnliche Häuſer. Der Mann der Gazelle war ein großer Sprithändler, derjenige des

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/119>, abgerufen am 29.04.2024.