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Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811.

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Er, wuthvoll steht er, sprachlos da, will sich
Vertheidigen: doch Nachbar Ralf fällt ihn,
Vom Schein getäuscht, und Nachtbar Hinz ihn an,
Und Muhme Sus' und Lies' und Frau Brigitte,
Die das Geräusch zusammt herbeigezogen,
Sie Alle, taub, sie schmähen ihn und schimpfen,
Und sehen großen Auges auf mich ein,
Da er mit Flüchen, schäumenden, betheuert,
Daß nicht er, daß ein Andrer das Geschirr,
Der eben nur entwichen sei, zerschlagen.
Ruprecht.
Verwünscht! Daß ich nicht schwieg! Ein Anderer!
Mein liebes Evchen!
Eve.
Die Mutter stellt sich vor mich,
Blaß, ihre Lippe zuckt, sie stemmt die Arme.
"Ists," fragt sie, "ists ein Anderer gewesen?"
Und: Joseph, sag' ich, und Maria, Mutter;
Was denkt ihr auch? -- "Und was noch fragt ihr sie,"
Schreit Muhme Sus' und Liese: "Ruprecht war's!"
Und alle schrein: "der Schändliche! Der Lügner!"
Und ich -- ich schwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß,
Doch log ich anders nicht, ich schwör's, als schweigend.
Ruprecht.
Mein Seel, sie sprach kein Wort, das muß ich
sagen.
Er, wuthvoll ſteht er, ſprachlos da, will ſich
Vertheidigen: doch Nachbar Ralf faͤllt ihn,
Vom Schein getaͤuſcht, und Nachtbar Hinz ihn an,
Und Muhme Suſ’ und Lieſ’ und Frau Brigitte,
Die das Geraͤuſch zuſammt herbeigezogen,
Sie Alle, taub, ſie ſchmaͤhen ihn und ſchimpfen,
Und ſehen großen Auges auf mich ein,
Da er mit Fluͤchen, ſchaͤumenden, betheuert,
Daß nicht er, daß ein Andrer das Geſchirr,
Der eben nur entwichen ſei, zerſchlagen.
Ruprecht.
Verwuͤnſcht! Daß ich nicht ſchwieg! Ein Anderer!
Mein liebes Evchen!
Eve.
Die Mutter ſtellt ſich vor mich,
Blaß, ihre Lippe zuckt, ſie ſtemmt die Arme.
„Iſts,“ fragt ſie, „iſts ein Anderer geweſen?“
Und: Joſeph, ſag’ ich, und Maria, Mutter;
Was denkt ihr auch? — „Und was noch fragt ihr ſie,“
Schreit Muhme Suſ’ und Lieſe: „Ruprecht war’s!“
Und alle ſchrein: „der Schaͤndliche! Der Luͤgner!“
Und ich — ich ſchwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß,
Doch log ich anders nicht, ich ſchwoͤr’s, als ſchweigend.
Ruprecht.
Mein Seel, ſie ſprach kein Wort, das muß ich
ſagen.
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[166/0172] Er, wuthvoll ſteht er, ſprachlos da, will ſich Vertheidigen: doch Nachbar Ralf faͤllt ihn, Vom Schein getaͤuſcht, und Nachtbar Hinz ihn an, Und Muhme Suſ’ und Lieſ’ und Frau Brigitte, Die das Geraͤuſch zuſammt herbeigezogen, Sie Alle, taub, ſie ſchmaͤhen ihn und ſchimpfen, Und ſehen großen Auges auf mich ein, Da er mit Fluͤchen, ſchaͤumenden, betheuert, Daß nicht er, daß ein Andrer das Geſchirr, Der eben nur entwichen ſei, zerſchlagen. Ruprecht. Verwuͤnſcht! Daß ich nicht ſchwieg! Ein Anderer! Mein liebes Evchen! Eve. Die Mutter ſtellt ſich vor mich, Blaß, ihre Lippe zuckt, ſie ſtemmt die Arme. „Iſts,“ fragt ſie, „iſts ein Anderer geweſen?“ Und: Joſeph, ſag’ ich, und Maria, Mutter; Was denkt ihr auch? — „Und was noch fragt ihr ſie,“ Schreit Muhme Suſ’ und Lieſe: „Ruprecht war’s!“ Und alle ſchrein: „der Schaͤndliche! Der Luͤgner!“ Und ich — ich ſchwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß, Doch log ich anders nicht, ich ſchwoͤr’s, als ſchweigend. Ruprecht. Mein Seel, ſie ſprach kein Wort, das muß ich ſagen.

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Der zerbrochne Krug. Berlin, 1811, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_krug_1811/172>, abgerufen am 29.04.2024.