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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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Technische Prozesse.
von Aluminium auf einem neuen Wege ohne Anwendung der
patentirten Hülfsmittel zu verbieten.

Derselbe Unterschied in den rechtlichen Wirkungen des
Patentes zeigt sich bei einer Vergleichung der zweiten und
der dritten Klasse der Erfindungen. Auch eine neue Maschine
ist häufig mit einem neuen technischen Prozesse verbunden
und umgekehrt lässt ein neuer technischer Prozess sich häufig
ebensowohl durch die dabei angewandten bleibenden Vorrich-
tungen, als durch die Regeln des Verfahrens von andern Fa-
brikationsmethoden unterscheiden.

So war z. B. in dem berühmten Rechtsfalle Boulton und
Watt wider Bull (vergl. Bd. I S. 202) streitig, ob das Wattsche
Patent das Verfahren der Condensation des Dampfes ausserhalb
des Cylinders, oder die zu diesem Zwecke eingeführten ma-
schinellen Einrichtungen zum Gegenstande habe. Wenn in
jenem Falle von den englischen Juristen die Gültigkeit des
Patentes überhaupt von der Entscheidung dieser Vorfrage
abhängig gemacht wurde, so beruhte dies, wie a. a. O. ge-
zeigt ist, auf einer zu engen Auslegung des Gesetzes, nach
welcher blosse Fabrikationsmethoden ohne bleibende neue Vor-
richtungen nicht Gegenstand des Patentschutzes sein sollten.
Aber auch wenn man von dieser Auffassung absieht, welche
sowohl von der neueren englischen Praxis als von den con-
tinentalen Gesetzgebungen verlassen ist, so bleibt doch die Un-
terscheidung zwischen dem Patente für einen technischen Pro-
zess und dem Patente für eine neue Maschine wesentlich sowohl
für den Inhalt als für den Umfang der Rechte des Erfinders.
Dies wird aus einem andern englischen Rechtsfalle ersichtlich1).

W. G. Kneller erhielt ein Patent auf eine Vorrichtung
zum Abdampfen von Flüssigkeiten, insbesondere von Zuckerlö-
sungen bei niedrigem Hitzegrade. Die Vorrichtung bestand nach
der Beschreibung in einem Windkessel, welcher über dem Be-
hälter der abzudampfenden Flüssigkeit liegt und von welchem
eine Anzahl Röhren in die Flüssigkeit tauchen, welche in be-
liebiger Tiefe, jedoch in einer dem Spiegel der Flüssigkeit pa-
rallelen Ebene ausmünden. Aus dem Windkessel wird erhitzte
Luft durch die Röhren in die Flüssigkeit gepresst, welche ihren
Ausweg durch die abzudampfende Lösung nimmt und ihr das

1) Godson, A Treatise on the law of patents for inventions p.76 sq.

Technische Prozesse.
von Aluminium auf einem neuen Wege ohne Anwendung der
patentirten Hülfsmittel zu verbieten.

Derselbe Unterschied in den rechtlichen Wirkungen des
Patentes zeigt sich bei einer Vergleichung der zweiten und
der dritten Klasse der Erfindungen. Auch eine neue Maschine
ist häufig mit einem neuen technischen Prozesse verbunden
und umgekehrt lässt ein neuer technischer Prozess sich häufig
ebensowohl durch die dabei angewandten bleibenden Vorrich-
tungen, als durch die Regeln des Verfahrens von andern Fa-
brikationsmethoden unterscheiden.

So war z. B. in dem berühmten Rechtsfalle Boulton und
Watt wider Bull (vergl. Bd. I S. 202) streitig, ob das Wattsche
Patent das Verfahren der Condensation des Dampfes ausserhalb
des Cylinders, oder die zu diesem Zwecke eingeführten ma-
schinellen Einrichtungen zum Gegenstande habe. Wenn in
jenem Falle von den englischen Juristen die Gültigkeit des
Patentes überhaupt von der Entscheidung dieser Vorfrage
abhängig gemacht wurde, so beruhte dies, wie a. a. O. ge-
zeigt ist, auf einer zu engen Auslegung des Gesetzes, nach
welcher blosse Fabrikationsmethoden ohne bleibende neue Vor-
richtungen nicht Gegenstand des Patentschutzes sein sollten.
Aber auch wenn man von dieser Auffassung absieht, welche
sowohl von der neueren englischen Praxis als von den con-
tinentalen Gesetzgebungen verlassen ist, so bleibt doch die Un-
terscheidung zwischen dem Patente für einen technischen Pro-
zess und dem Patente für eine neue Maschine wesentlich sowohl
für den Inhalt als für den Umfang der Rechte des Erfinders.
Dies wird aus einem andern englischen Rechtsfalle ersichtlich1).

W. G. Kneller erhielt ein Patent auf eine Vorrichtung
zum Abdampfen von Flüssigkeiten, insbesondere von Zuckerlö-
sungen bei niedrigem Hitzegrade. Die Vorrichtung bestand nach
der Beschreibung in einem Windkessel, welcher über dem Be-
hälter der abzudampfenden Flüssigkeit liegt und von welchem
eine Anzahl Röhren in die Flüssigkeit tauchen, welche in be-
liebiger Tiefe, jedoch in einer dem Spiegel der Flüssigkeit pa-
rallelen Ebene ausmünden. Aus dem Windkessel wird erhitzte
Luft durch die Röhren in die Flüssigkeit gepresst, welche ihren
Ausweg durch die abzudampfende Lösung nimmt und ihr das

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[29/0056] Technische Prozesse. von Aluminium auf einem neuen Wege ohne Anwendung der patentirten Hülfsmittel zu verbieten. Derselbe Unterschied in den rechtlichen Wirkungen des Patentes zeigt sich bei einer Vergleichung der zweiten und der dritten Klasse der Erfindungen. Auch eine neue Maschine ist häufig mit einem neuen technischen Prozesse verbunden und umgekehrt lässt ein neuer technischer Prozess sich häufig ebensowohl durch die dabei angewandten bleibenden Vorrich- tungen, als durch die Regeln des Verfahrens von andern Fa- brikationsmethoden unterscheiden. So war z. B. in dem berühmten Rechtsfalle Boulton und Watt wider Bull (vergl. Bd. I S. 202) streitig, ob das Wattsche Patent das Verfahren der Condensation des Dampfes ausserhalb des Cylinders, oder die zu diesem Zwecke eingeführten ma- schinellen Einrichtungen zum Gegenstande habe. Wenn in jenem Falle von den englischen Juristen die Gültigkeit des Patentes überhaupt von der Entscheidung dieser Vorfrage abhängig gemacht wurde, so beruhte dies, wie a. a. O. ge- zeigt ist, auf einer zu engen Auslegung des Gesetzes, nach welcher blosse Fabrikationsmethoden ohne bleibende neue Vor- richtungen nicht Gegenstand des Patentschutzes sein sollten. Aber auch wenn man von dieser Auffassung absieht, welche sowohl von der neueren englischen Praxis als von den con- tinentalen Gesetzgebungen verlassen ist, so bleibt doch die Un- terscheidung zwischen dem Patente für einen technischen Pro- zess und dem Patente für eine neue Maschine wesentlich sowohl für den Inhalt als für den Umfang der Rechte des Erfinders. Dies wird aus einem andern englischen Rechtsfalle ersichtlich 1). W. G. Kneller erhielt ein Patent auf eine Vorrichtung zum Abdampfen von Flüssigkeiten, insbesondere von Zuckerlö- sungen bei niedrigem Hitzegrade. Die Vorrichtung bestand nach der Beschreibung in einem Windkessel, welcher über dem Be- hälter der abzudampfenden Flüssigkeit liegt und von welchem eine Anzahl Röhren in die Flüssigkeit tauchen, welche in be- liebiger Tiefe, jedoch in einer dem Spiegel der Flüssigkeit pa- rallelen Ebene ausmünden. Aus dem Windkessel wird erhitzte Luft durch die Röhren in die Flüssigkeit gepresst, welche ihren Ausweg durch die abzudampfende Lösung nimmt und ihr das 1) Godson, A Treatise on the law of patents for inventions p.76 sq.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/56>, abgerufen am 28.04.2024.