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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen.
Wasser entzieht. In der Beschreibung war die Art der An-
wendung ausdrücklich als veränderlich und beliebig anwendbar
auf verschiedene Gegenstände bezeichnet, dagegen als wesent-
lich hervorgehoben das Einblasen der Luft durch von oben
eintauchende Röhren, deren Mündungen dem Spiegel der Flüs-
sigkeit parallel liegen, so dass jede Röhre den gleichen hydro-
statischen Druck zu überwinden hat.

Nach der Ertheilung dieses Patentes nahmen R. Knight
und R. Kirk am 9. Mai 1822 ein anderes Patent auf die be-
schleunigte Abdampfung bei niedrigem Hitzegrade. Die Vor-
richtung bestand nach der Beschreibung in einem Röhrensystem,
welches auf dem Boden des Kessels angebracht ist und
aus welchem durch feine Oeffnungen die eingeblasene heisse
Luft in fein zertheilten Strömen durch die abzudampfende Flüs-
sigkeit ihren Weg nimmt.

Der Inhaber des Knellerschen Patentes klagte auf Annul-
lirung dieses neueren Patentes gegen den Rechtsnachfolger von
Knight und Kirk und führte aus: Der Gegenstand beider Er-
findungen sei derselbe, nämlich die Abdampfung von Flüssig-
keiten vermittelst der durchgepressten heissen Luft. Knight
und Kirk hätten daher höchstens ein Verbesserungspatent auf
ihre neue Vorrichtung lösen, nicht aber ein selbständiges Er-
findungspatent erlangen können.

Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen, weil
als Gegenstand des ersten Patentes ausdrücklich der in dem-
selben beschriebene Apparat bezeichnet war, als dessen unter-
scheidendes Merkmal die aus dem Windkessel in die Flüssig-
keit eintauchenden Röhren angegeben waren, während die In-
haber des neueren Patentes sich zu dem gleichen Zwecke eines
ganz anderen Apparates bedienten.

Aus dem Vorigen ergibt sich, dass es rechtlich nicht
gleichgültig ist, ob der Gegenstand einer Erfindung als eine
neue Waare, als eine Maschine oder als ein technischer Pro-
zess anzusehen ist, dass aber manche Erfindungen je nach der
Verschiedenheit der Umstände oder der Auffassung als Waare
oder als Maschine, als neue Waare oder als technischer Pro-
zess, endlich als Maschine oder als neue Verfahrungsweise an-
gesehen werden können.

Hieraus folgt keinesweges, dass es lediglich in dem Be-
lieben des Urhebers einer auf der Grenze zweier Klassen ste-

I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen.
Wasser entzieht. In der Beschreibung war die Art der An-
wendung ausdrücklich als veränderlich und beliebig anwendbar
auf verschiedene Gegenstände bezeichnet, dagegen als wesent-
lich hervorgehoben das Einblasen der Luft durch von oben
eintauchende Röhren, deren Mündungen dem Spiegel der Flüs-
sigkeit parallel liegen, so dass jede Röhre den gleichen hydro-
statischen Druck zu überwinden hat.

Nach der Ertheilung dieses Patentes nahmen R. Knight
und R. Kirk am 9. Mai 1822 ein anderes Patent auf die be-
schleunigte Abdampfung bei niedrigem Hitzegrade. Die Vor-
richtung bestand nach der Beschreibung in einem Röhrensystem,
welches auf dem Boden des Kessels angebracht ist und
aus welchem durch feine Oeffnungen die eingeblasene heisse
Luft in fein zertheilten Strömen durch die abzudampfende Flüs-
sigkeit ihren Weg nimmt.

Der Inhaber des Knellerschen Patentes klagte auf Annul-
lirung dieses neueren Patentes gegen den Rechtsnachfolger von
Knight und Kirk und führte aus: Der Gegenstand beider Er-
findungen sei derselbe, nämlich die Abdampfung von Flüssig-
keiten vermittelst der durchgepressten heissen Luft. Knight
und Kirk hätten daher höchstens ein Verbesserungspatent auf
ihre neue Vorrichtung lösen, nicht aber ein selbständiges Er-
findungspatent erlangen können.

Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen, weil
als Gegenstand des ersten Patentes ausdrücklich der in dem-
selben beschriebene Apparat bezeichnet war, als dessen unter-
scheidendes Merkmal die aus dem Windkessel in die Flüssig-
keit eintauchenden Röhren angegeben waren, während die In-
haber des neueren Patentes sich zu dem gleichen Zwecke eines
ganz anderen Apparates bedienten.

Aus dem Vorigen ergibt sich, dass es rechtlich nicht
gleichgültig ist, ob der Gegenstand einer Erfindung als eine
neue Waare, als eine Maschine oder als ein technischer Pro-
zess anzusehen ist, dass aber manche Erfindungen je nach der
Verschiedenheit der Umstände oder der Auffassung als Waare
oder als Maschine, als neue Waare oder als technischer Pro-
zess, endlich als Maschine oder als neue Verfahrungsweise an-
gesehen werden können.

Hieraus folgt keinesweges, dass es lediglich in dem Be-
lieben des Urhebers einer auf der Grenze zweier Klassen ste-

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[30/0057] I. Vorbegriffe. §. 3. Eintheilung der Erfindungen. Wasser entzieht. In der Beschreibung war die Art der An- wendung ausdrücklich als veränderlich und beliebig anwendbar auf verschiedene Gegenstände bezeichnet, dagegen als wesent- lich hervorgehoben das Einblasen der Luft durch von oben eintauchende Röhren, deren Mündungen dem Spiegel der Flüs- sigkeit parallel liegen, so dass jede Röhre den gleichen hydro- statischen Druck zu überwinden hat. Nach der Ertheilung dieses Patentes nahmen R. Knight und R. Kirk am 9. Mai 1822 ein anderes Patent auf die be- schleunigte Abdampfung bei niedrigem Hitzegrade. Die Vor- richtung bestand nach der Beschreibung in einem Röhrensystem, welches auf dem Boden des Kessels angebracht ist und aus welchem durch feine Oeffnungen die eingeblasene heisse Luft in fein zertheilten Strömen durch die abzudampfende Flüs- sigkeit ihren Weg nimmt. Der Inhaber des Knellerschen Patentes klagte auf Annul- lirung dieses neueren Patentes gegen den Rechtsnachfolger von Knight und Kirk und führte aus: Der Gegenstand beider Er- findungen sei derselbe, nämlich die Abdampfung von Flüssig- keiten vermittelst der durchgepressten heissen Luft. Knight und Kirk hätten daher höchstens ein Verbesserungspatent auf ihre neue Vorrichtung lösen, nicht aber ein selbständiges Er- findungspatent erlangen können. Die Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen, weil als Gegenstand des ersten Patentes ausdrücklich der in dem- selben beschriebene Apparat bezeichnet war, als dessen unter- scheidendes Merkmal die aus dem Windkessel in die Flüssig- keit eintauchenden Röhren angegeben waren, während die In- haber des neueren Patentes sich zu dem gleichen Zwecke eines ganz anderen Apparates bedienten. Aus dem Vorigen ergibt sich, dass es rechtlich nicht gleichgültig ist, ob der Gegenstand einer Erfindung als eine neue Waare, als eine Maschine oder als ein technischer Pro- zess anzusehen ist, dass aber manche Erfindungen je nach der Verschiedenheit der Umstände oder der Auffassung als Waare oder als Maschine, als neue Waare oder als technischer Pro- zess, endlich als Maschine oder als neue Verfahrungsweise an- gesehen werden können. Hieraus folgt keinesweges, dass es lediglich in dem Be- lieben des Urhebers einer auf der Grenze zweier Klassen ste-

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/57>, abgerufen am 29.04.2024.