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Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869.

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I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen.
Gebrauche dienen muss (Bd. I S. 130). Bei den Waaren be-
steht also die Bedingung der Neuheit darin, dass das Product
der Erfindung sich nicht bloss durch seine Form von andern
bereits bekannten Waaren unterscheidet, sondern durch seine
Eigenschaften einen materiellen Nutzen gewährt, welchen die
früher bekannten Producte nicht gewährten. Blosse Waaren-
muster, die nur dem Geschmacke und der Mode dienen, ohne
einen materiellen Nutzen zu gewähren, sind Gegenstäude des
Musterschutzes, nicht aber eines Erfindungspatentes.

Bei den Maschinen und bei den technischen Prozessen
besteht die Bedingung der Neuheit darin, dass dieselben ent-
weder ein neues Product liefern, oder ein neues Hülfsmittel
zur vortheilhafteren Darstellung eines bereits bekannten Pro-
ductes zur Anwendung bringen. In Bezug auf den ersten Fall
ist zu bemerken, dass die Patentfähigkeit der Maschine oder
des Prozesses nicht davon abhängig ist, dass auch das Product
als solches Gegenstand eines Erfindungspatentes sein kann. So
ist beispielsweise neuerdings in Preussen ein Patent auf eine
Maschine zur Darstellung von Geweben mit eingewebten Perlen
ertheilt worden, während das Product selbst, da es keinem
neuen materiellen Gebrauche dient, nicht Gegenstand eines
Erfindungspatentes, sondern nur Object des in Preussen nicht
bekannten Musterschutzes sein könnte. In Bezug auf den
zweiten Fall gilt die Regel, dass die Anwendung eines bekann-
ten Hülfsmittels zu einem bisher unbekannten technischen
Zwecke der Anwendung eines an sich neuen Mittels gleich zu
achten ist1).

Daher war es eine patentfähige neue Erfindung, wenn
Watt das früher zu andern Zwecken construirte conische Pen-
del, welches auch den Namen des Centrifugalregulators führt,
zur Regulirung der Dampfmaschine anwendete. Es ist jedoch
wesentlich, dass entweder das Mittel oder die Anwendung
desselben neu ist. Die blosse Entdeckung neuer Vortheile,
welche die bereits bekannte Anwendung eines ebenfalls be-
kannten Mittels gewährt, ist keine neue Erfindung. Es ist be-
kannt, dass das von Papin an seinem Digestor angebrachte
Sicherheitsventil bald nachher zur Verhütung der früher so

1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 2.

I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen.
Gebrauche dienen muss (Bd. I S. 130). Bei den Waaren be-
steht also die Bedingung der Neuheit darin, dass das Product
der Erfindung sich nicht bloss durch seine Form von andern
bereits bekannten Waaren unterscheidet, sondern durch seine
Eigenschaften einen materiellen Nutzen gewährt, welchen die
früher bekannten Producte nicht gewährten. Blosse Waaren-
muster, die nur dem Geschmacke und der Mode dienen, ohne
einen materiellen Nutzen zu gewähren, sind Gegenstäude des
Musterschutzes, nicht aber eines Erfindungspatentes.

Bei den Maschinen und bei den technischen Prozessen
besteht die Bedingung der Neuheit darin, dass dieselben ent-
weder ein neues Product liefern, oder ein neues Hülfsmittel
zur vortheilhafteren Darstellung eines bereits bekannten Pro-
ductes zur Anwendung bringen. In Bezug auf den ersten Fall
ist zu bemerken, dass die Patentfähigkeit der Maschine oder
des Prozesses nicht davon abhängig ist, dass auch das Product
als solches Gegenstand eines Erfindungspatentes sein kann. So
ist beispielsweise neuerdings in Preussen ein Patent auf eine
Maschine zur Darstellung von Geweben mit eingewebten Perlen
ertheilt worden, während das Product selbst, da es keinem
neuen materiellen Gebrauche dient, nicht Gegenstand eines
Erfindungspatentes, sondern nur Object des in Preussen nicht
bekannten Musterschutzes sein könnte. In Bezug auf den
zweiten Fall gilt die Regel, dass die Anwendung eines bekann-
ten Hülfsmittels zu einem bisher unbekannten technischen
Zwecke der Anwendung eines an sich neuen Mittels gleich zu
achten ist1).

Daher war es eine patentfähige neue Erfindung, wenn
Watt das früher zu andern Zwecken construirte conische Pen-
del, welches auch den Namen des Centrifugalregulators führt,
zur Regulirung der Dampfmaschine anwendete. Es ist jedoch
wesentlich, dass entweder das Mittel oder die Anwendung
desselben neu ist. Die blosse Entdeckung neuer Vortheile,
welche die bereits bekannte Anwendung eines ebenfalls be-
kannten Mittels gewährt, ist keine neue Erfindung. Es ist be-
kannt, dass das von Papin an seinem Digestor angebrachte
Sicherheitsventil bald nachher zur Verhütung der früher so

1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 2.
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[36/0063] I. Vorbegriffe. §. 4. Neue Erfindungen. Gebrauche dienen muss (Bd. I S. 130). Bei den Waaren be- steht also die Bedingung der Neuheit darin, dass das Product der Erfindung sich nicht bloss durch seine Form von andern bereits bekannten Waaren unterscheidet, sondern durch seine Eigenschaften einen materiellen Nutzen gewährt, welchen die früher bekannten Producte nicht gewährten. Blosse Waaren- muster, die nur dem Geschmacke und der Mode dienen, ohne einen materiellen Nutzen zu gewähren, sind Gegenstäude des Musterschutzes, nicht aber eines Erfindungspatentes. Bei den Maschinen und bei den technischen Prozessen besteht die Bedingung der Neuheit darin, dass dieselben ent- weder ein neues Product liefern, oder ein neues Hülfsmittel zur vortheilhafteren Darstellung eines bereits bekannten Pro- ductes zur Anwendung bringen. In Bezug auf den ersten Fall ist zu bemerken, dass die Patentfähigkeit der Maschine oder des Prozesses nicht davon abhängig ist, dass auch das Product als solches Gegenstand eines Erfindungspatentes sein kann. So ist beispielsweise neuerdings in Preussen ein Patent auf eine Maschine zur Darstellung von Geweben mit eingewebten Perlen ertheilt worden, während das Product selbst, da es keinem neuen materiellen Gebrauche dient, nicht Gegenstand eines Erfindungspatentes, sondern nur Object des in Preussen nicht bekannten Musterschutzes sein könnte. In Bezug auf den zweiten Fall gilt die Regel, dass die Anwendung eines bekann- ten Hülfsmittels zu einem bisher unbekannten technischen Zwecke der Anwendung eines an sich neuen Mittels gleich zu achten ist 1). Daher war es eine patentfähige neue Erfindung, wenn Watt das früher zu andern Zwecken construirte conische Pen- del, welches auch den Namen des Centrifugalregulators führt, zur Regulirung der Dampfmaschine anwendete. Es ist jedoch wesentlich, dass entweder das Mittel oder die Anwendung desselben neu ist. Die blosse Entdeckung neuer Vortheile, welche die bereits bekannte Anwendung eines ebenfalls be- kannten Mittels gewährt, ist keine neue Erfindung. Es ist be- kannt, dass das von Papin an seinem Digestor angebrachte Sicherheitsventil bald nachher zur Verhütung der früher so 1) Französ. Gesetz v. 5. Juli 1844 Art. 2.

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Zitationshilfe: Klostermann, Rudolf: Das geistige Eigenthum an Schriften, Kunstwerken und Erfindungen. Bd. 2. Berlin, 1869, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klostermann_eigenthum02_1869/63>, abgerufen am 29.04.2024.