Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Brüllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft
mit Wut und Verzweifelung nach Wasser. Er
will sich durch seinen eigenen Urin laben. Desto
schlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide
noch mehr. Der Durst wird heftiger, das Blut
kommt in Wallung, und der Gefangene erstikt
in Konvulsionen, noch ehe zweimal vier und
zwanzig Stunden vorüber waren. Sein Leich-
nam war kohlschwarz, zum Zeichen des Brands,
der ihn ergriffen hatte. Dis ist das Faktum felbst.
Bekkers-Anderle war immer als ein unbe-
scholtener und beliebter Mann in den Gemeinen
berufen. Sein Weib hingegen hatte einen
etwas zweideutigen Ruf, und lebte schon seit ge-
raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in
einem Vertrauen, welches die Eifersucht der
Haushälterinn, die die Honneurs seiner Tafel
und seines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte.
Jn der That, wie liesse sich sonst eine solche Ge,
walttätigkeit ohne zureichenden Grund begreifen.
Um der Sache eine andere Wendung zu geben,
behauptet der Verwalter, daß sich der Gefan-
gene im Kerker selbst entleibt habe, und um kon-
sequent zu sein, macht er deshalb dem Leichnam
die ehrliche Grabstätte streitig; Bekkers-Anderle

K 5

Bruͤllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft
mit Wut und Verzweifelung nach Waſſer. Er
will ſich durch ſeinen eigenen Urin laben. Deſto
ſchlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide
noch mehr. Der Durſt wird heftiger, das Blut
kommt in Wallung, und der Gefangene erſtikt
in Konvulſionen, noch ehe zweimal vier und
zwanzig Stunden voruͤber waren. Sein Leich-
nam war kohlſchwarz, zum Zeichen des Brands,
der ihn ergriffen hatte. Dis iſt das Faktum felbſt.
Bekkers-Anderle war immer als ein unbe-
ſcholtener und beliebter Mann in den Gemeinen
berufen. Sein Weib hingegen hatte einen
etwas zweideutigen Ruf, und lebte ſchon ſeit ge-
raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in
einem Vertrauen, welches die Eiferſucht der
Haushaͤlterinn, die die Honneurs ſeiner Tafel
und ſeines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte.
Jn der That, wie lieſſe ſich ſonſt eine ſolche Ge,
walttaͤtigkeit ohne zureichenden Grund begreifen.
Um der Sache eine andere Wendung zu geben,
behauptet der Verwalter, daß ſich der Gefan-
gene im Kerker ſelbſt entleibt habe, und um kon-
ſequent zu ſein, macht er deshalb dem Leichnam
die ehrliche Grabſtaͤtte ſtreitig; Bekkers-Anderle

K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0161" n="153"/>
Bru&#x0364;llen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft<lb/>
mit Wut und Verzweifelung nach Wa&#x017F;&#x017F;er. Er<lb/>
will &#x017F;ich durch &#x017F;einen eigenen Urin laben. De&#x017F;to<lb/>
&#x017F;chlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide<lb/>
noch mehr. Der Dur&#x017F;t wird heftiger, das Blut<lb/>
kommt in Wallung, und der Gefangene er&#x017F;tikt<lb/>
in Konvul&#x017F;ionen, noch ehe zweimal vier und<lb/>
zwanzig Stunden voru&#x0364;ber waren. Sein Leich-<lb/>
nam war kohl&#x017F;chwarz, zum Zeichen des Brands,<lb/>
der ihn ergriffen hatte. Dis i&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Faktum</hi> felb&#x017F;t.<lb/><hi rendition="#fr">Bekkers-Anderle</hi> war immer als ein unbe-<lb/>
&#x017F;choltener und beliebter Mann in den Gemeinen<lb/>
berufen. Sein <hi rendition="#fr">Weib</hi> hingegen hatte einen<lb/>
etwas zweideutigen Ruf, und lebte &#x017F;chon &#x017F;eit ge-<lb/>
raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in<lb/>
einem Vertrauen, welches die Eifer&#x017F;ucht der<lb/>
Hausha&#x0364;lterinn, die die Honneurs &#x017F;einer Tafel<lb/>
und &#x017F;eines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte.<lb/>
Jn der That, wie lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t eine &#x017F;olche Ge,<lb/>
waltta&#x0364;tigkeit ohne zureichenden Grund begreifen.<lb/>
Um der Sache eine andere Wendung zu geben,<lb/>
behauptet der <hi rendition="#fr">Verwalter,</hi> daß &#x017F;ich der Gefan-<lb/>
gene im Kerker &#x017F;elb&#x017F;t entleibt habe, und um kon-<lb/>
&#x017F;equent zu &#x017F;ein, macht er deshalb dem Leichnam<lb/>
die ehrliche Grab&#x017F;ta&#x0364;tte &#x017F;treitig; Bekkers-Anderle<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 5</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0161] Bruͤllen aus; es lechzt wie ein Thier, und ruft mit Wut und Verzweifelung nach Waſſer. Er will ſich durch ſeinen eigenen Urin laben. Deſto ſchlimmer; ach! der Urin erhizt die Eingeweide noch mehr. Der Durſt wird heftiger, das Blut kommt in Wallung, und der Gefangene erſtikt in Konvulſionen, noch ehe zweimal vier und zwanzig Stunden voruͤber waren. Sein Leich- nam war kohlſchwarz, zum Zeichen des Brands, der ihn ergriffen hatte. Dis iſt das Faktum felbſt. Bekkers-Anderle war immer als ein unbe- ſcholtener und beliebter Mann in den Gemeinen berufen. Sein Weib hingegen hatte einen etwas zweideutigen Ruf, und lebte ſchon ſeit ge- raumer Zeit mit dem Verwalter Eibertsberger in einem Vertrauen, welches die Eiferſucht der Haushaͤlterinn, die die Honneurs ſeiner Tafel und ſeines Bettes machte, mehrmalen erregt hatte. Jn der That, wie lieſſe ſich ſonſt eine ſolche Ge, walttaͤtigkeit ohne zureichenden Grund begreifen. Um der Sache eine andere Wendung zu geben, behauptet der Verwalter, daß ſich der Gefan- gene im Kerker ſelbſt entleibt habe, und um kon- ſequent zu ſein, macht er deshalb dem Leichnam die ehrliche Grabſtaͤtte ſtreitig; Bekkers-Anderle K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/161
Zitationshilfe: Knüppeln, Julius Friedrich: Die Rechte der Natur und Menschheit, entweiht durch Menschen. Berlin, 1784, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/knueppeln_rechte_1784/161>, abgerufen am 01.05.2024.