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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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oft vorfallen, daß die Kammerjungfer weit hübscher ist,
als ihre Gebieterin, aber auf dem Bilde hätte Guido
Reni sich davor hüten sollen. -- Wer es für gleichgül-
tig hält, an welchem Gegenstande sich die Kunst übt,
der mag den Bettler von Murillo bewundern, der
sich das Ungeziefer absucht; ich kehre ihm den Rücken
und lächle im Vorübergehen über eine heilige Familie
desselben Malers, auf welcher der kleine Jesus mit dem
Rosenkranze spielt. Jn tiefen Ernst verliert sich
aber mein Lächeln, wenn ich mein Auge auf das schö-
ne Bild Carls des Ersten, enthaupteten Königs
von England, richte. Ein Holländer, Mytens, hat
ihn im 27sten Jahre gemalt. Allerdings macht dieses
Bild in Paris noch einen stärkern Eindruck, als in
Turin geschehen seyn mag, wo man es -- erobert
hat. -- Die Hochzeit zu Canaan von Paul
Veronese,
ist in vielen Rücksichten merkwürdig. Er-
stens: weil es wohl eines der größten Gemälde ist, die
auf der Welt existiren; zweitens; weil der Maler viele
Portraits berühmter und unberühmter Personen seiner
Zeit darauf angebracht hat: der Bräutigam z. E. ist ein
gewisser Marquis Guasto, die Braut Franz des Ersten
Gemahlin, neben dieser sitzt Franz der Erste selbst, und
neben ihm die Königin Maria von England. Hierauf
folgt sogar der türkische Kaiser, Solimann der Zweite,
und dann eine Frau mit dem Zahnstocher, die Gemah-
lin des Marquis von Pescaire. Kaiser Carl V. hat ei-
nen etwas unbequemen Platz, wo die Tafel einen Win-
kel macht, darum ist er nur im Profil zu schauen. Meh-
rere Cardinäle und Mönche, Freunde des Malers, sitzen
und stehen. Sehr interessant ist endlich der Chor der
Musikanten, unter welchen Veronese die berühmtesten

oft vorfallen, daß die Kammerjungfer weit huͤbscher ist,
als ihre Gebieterin, aber auf dem Bilde haͤtte Guido
Reni sich davor huͤten sollen. — Wer es fuͤr gleichguͤl-
tig haͤlt, an welchem Gegenstande sich die Kunst uͤbt,
der mag den Bettler von Murillo bewundern, der
sich das Ungeziefer absucht; ich kehre ihm den Ruͤcken
und laͤchle im Voruͤbergehen uͤber eine heilige Familie
desselben Malers, auf welcher der kleine Jesus mit dem
Rosenkranze spielt. Jn tiefen Ernst verliert sich
aber mein Laͤcheln, wenn ich mein Auge auf das schoͤ-
ne Bild Carls des Ersten, enthaupteten Koͤnigs
von England, richte. Ein Hollaͤnder, Mytens, hat
ihn im 27sten Jahre gemalt. Allerdings macht dieses
Bild in Paris noch einen staͤrkern Eindruck, als in
Turin geschehen seyn mag, wo man es — erobert
hat. — Die Hochzeit zu Canaan von Paul
Veronese,
ist in vielen Ruͤcksichten merkwuͤrdig. Er-
stens: weil es wohl eines der groͤßten Gemaͤlde ist, die
auf der Welt existiren; zweitens; weil der Maler viele
Portraits beruͤhmter und unberuͤhmter Personen seiner
Zeit darauf angebracht hat: der Braͤutigam z. E. ist ein
gewisser Marquis Guasto, die Braut Franz des Ersten
Gemahlin, neben dieser sitzt Franz der Erste selbst, und
neben ihm die Koͤnigin Maria von England. Hierauf
folgt sogar der tuͤrkische Kaiser, Solimann der Zweite,
und dann eine Frau mit dem Zahnstocher, die Gemah-
lin des Marquis von Pescaire. Kaiser Carl V. hat ei-
nen etwas unbequemen Platz, wo die Tafel einen Win-
kel macht, darum ist er nur im Profil zu schauen. Meh-
rere Cardinaͤle und Moͤnche, Freunde des Malers, sitzen
und stehen. Sehr interessant ist endlich der Chor der
Musikanten, unter welchen Veronese die beruͤhmtesten

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[141/0145] oft vorfallen, daß die Kammerjungfer weit huͤbscher ist, als ihre Gebieterin, aber auf dem Bilde haͤtte Guido Reni sich davor huͤten sollen. — Wer es fuͤr gleichguͤl- tig haͤlt, an welchem Gegenstande sich die Kunst uͤbt, der mag den Bettler von Murillo bewundern, der sich das Ungeziefer absucht; ich kehre ihm den Ruͤcken und laͤchle im Voruͤbergehen uͤber eine heilige Familie desselben Malers, auf welcher der kleine Jesus mit dem Rosenkranze spielt. Jn tiefen Ernst verliert sich aber mein Laͤcheln, wenn ich mein Auge auf das schoͤ- ne Bild Carls des Ersten, enthaupteten Koͤnigs von England, richte. Ein Hollaͤnder, Mytens, hat ihn im 27sten Jahre gemalt. Allerdings macht dieses Bild in Paris noch einen staͤrkern Eindruck, als in Turin geschehen seyn mag, wo man es — erobert hat. — Die Hochzeit zu Canaan von Paul Veronese, ist in vielen Ruͤcksichten merkwuͤrdig. Er- stens: weil es wohl eines der groͤßten Gemaͤlde ist, die auf der Welt existiren; zweitens; weil der Maler viele Portraits beruͤhmter und unberuͤhmter Personen seiner Zeit darauf angebracht hat: der Braͤutigam z. E. ist ein gewisser Marquis Guasto, die Braut Franz des Ersten Gemahlin, neben dieser sitzt Franz der Erste selbst, und neben ihm die Koͤnigin Maria von England. Hierauf folgt sogar der tuͤrkische Kaiser, Solimann der Zweite, und dann eine Frau mit dem Zahnstocher, die Gemah- lin des Marquis von Pescaire. Kaiser Carl V. hat ei- nen etwas unbequemen Platz, wo die Tafel einen Win- kel macht, darum ist er nur im Profil zu schauen. Meh- rere Cardinaͤle und Moͤnche, Freunde des Malers, sitzen und stehen. Sehr interessant ist endlich der Chor der Musikanten, unter welchen Veronese die beruͤhmtesten

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/145>, abgerufen am 04.05.2024.