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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst
spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstöße
gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach
Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des
goldenen Vließes
u. s. w. Dies Gemälde schmück-
te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig,
und der Maler hat weniger dafür empfangen, als heut-
zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich
nicht mehr als neunzig Dukaten. -- Großes Ver-
gnügen gewährt ein Bild von Rubens, auf welchem
er sich selbst und seine liebsten und berühmtesten Freun-
de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der
biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte.
Neben ihm Justus Lipsius, der berühmte Profes-
sor zu Löwen; die Büste Seneca's hinter ihm deutet
vielleicht auf seine Schriften über den Stoicismus, so
wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er-
holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul-
tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden
die interessante Gruppe. -- Aber nicht weit davon hängt
ein zurückstoßendes Gemälde, von Sebastiano del
Plombo.
Die heilige Agathe nemlich, die ganz hübsch
gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von
Sicilien verschmäht, und zur Strafe werden ihr die
Wärzchen vom schönen Busen mit Zangen herunterge-
kniffen. Wie kann die höchste Kunst an solchen Ge-
genständen Vergnügen gewähren?

Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we-
niger als vierhundert Schritt lang, und sollte näch-
stens noch um ein Paar hundert verlängert werden; denn
der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine
weite Strecke, und ist über und über mit Gemälden an-

venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst
spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstoͤße
gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach
Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des
goldenen Vließes
u. s. w. Dies Gemaͤlde schmuͤck-
te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig,
und der Maler hat weniger dafuͤr empfangen, als heut-
zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich
nicht mehr als neunzig Dukaten. — Großes Ver-
gnuͤgen gewaͤhrt ein Bild von Rubens, auf welchem
er sich selbst und seine liebsten und beruͤhmtesten Freun-
de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der
biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte.
Neben ihm Justus Lipsius, der beruͤhmte Profes-
sor zu Loͤwen; die Buͤste Seneca's hinter ihm deutet
vielleicht auf seine Schriften uͤber den Stoicismus, so
wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er-
holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul-
tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden
die interessante Gruppe. — Aber nicht weit davon haͤngt
ein zuruͤckstoßendes Gemaͤlde, von Sebastiano del
Plombo.
Die heilige Agathe nemlich, die ganz huͤbsch
gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von
Sicilien verschmaͤht, und zur Strafe werden ihr die
Waͤrzchen vom schoͤnen Busen mit Zangen herunterge-
kniffen. Wie kann die hoͤchste Kunst an solchen Ge-
genstaͤnden Vergnuͤgen gewaͤhren?

Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we-
niger als vierhundert Schritt lang, und sollte naͤch-
stens noch um ein Paar hundert verlaͤngert werden; denn
der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine
weite Strecke, und ist uͤber und uͤber mit Gemaͤlden an-

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[142/0146] venetianischen Maler seiner Zeit dargestellt hat, er selbst spielt das Violoncell. Sehr drollig sind die Verstoͤße gegen die Chronologie. Die Musikanten geigen nach Noten, Carl der V. prangt mit dem Orden des goldenen Vließes u. s. w. Dies Gemaͤlde schmuͤck- te vormals den Speisesaal von St. Georg zu Venedig, und der Maler hat weniger dafuͤr empfangen, als heut- zutage ein einzelnes gutes Portrait oft kostet, nemlich nicht mehr als neunzig Dukaten. — Großes Ver- gnuͤgen gewaͤhrt ein Bild von Rubens, auf welchem er sich selbst und seine liebsten und beruͤhmtesten Freun- de dargestellt hat. Hier ist Hugo Grotius, der biedere Weltweise, mit dem Hunde, welchen er liebte. Neben ihm Justus Lipsius, der beruͤhmte Profes- sor zu Loͤwen; die Buͤste Seneca's hinter ihm deutet vielleicht auf seine Schriften uͤber den Stoicismus, so wie die Tulpen anzeigen sollen, daß er in seinen Er- holungsstunden diese damals neue Blumen eifrig kul- tivirte. Der große Maler selbst und sein Bruder vollenden die interessante Gruppe. — Aber nicht weit davon haͤngt ein zuruͤckstoßendes Gemaͤlde, von Sebastiano del Plombo. Die heilige Agathe nemlich, die ganz huͤbsch gewesen seyn mag, hat die Liebe eines Gouverneurs von Sicilien verschmaͤht, und zur Strafe werden ihr die Waͤrzchen vom schoͤnen Busen mit Zangen herunterge- kniffen. Wie kann die hoͤchste Kunst an solchen Ge- genstaͤnden Vergnuͤgen gewaͤhren? Jch trete in die eigentliche Gallerie. Sie ist nicht we- niger als vierhundert Schritt lang, und sollte naͤch- stens noch um ein Paar hundert verlaͤngert werden; denn der Bretterverschlag am Ende der Gallerie birgt noch eine weite Strecke, und ist uͤber und uͤber mit Gemaͤlden an-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/146>, abgerufen am 05.05.2024.