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Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804.

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gefüllt, die an den Wänden über einander lehnen und
noch nicht haben geordnet oder restaurirt werden kön-
nen. -- Die französische Schule macht rechter
Hand den Anfang. Man bewundert sogleich mehr als
zwanzig große Bilder von Charles le Brun, unter wel-
chen mir besonders das Zelt des Darius gefallen
hat. Nach der Schlacht, in welcher Alexander den Da-
rius überwand, tritt der Sieger, blos von seinem Lieb-
ling Hephästion begleitet, in das Zelt der persischen Prin-
zessinnen. Sysigambis, des Darius Mutter, wirft sich
dem Günstling zu Füßen, weil sie, durch die Pracht sei-
ner Rüstung getäuscht, ihn für den König nimmt. Jh-
ren Jrrthum gewahrend will sie ihn entschuldigen. "Kein
Jrrthum," sagt Alexander, "er ist mein zweites Jch." --
Neben Sysigambis knieet des Darius Gemahlin, dem
Ueberwinder ihren Sohn entgegen haltend. Die wei-
nende Statyra und ihre jüngere Schwester (des Da-
rius Töchter), ein großes Gefolge von Frauen, Prie-
stern und Verschnittenen, füllen den übrigen Raum die-
ses herrlichen Bildes. -- Sehr lieblich ist Lebruns Ge-
burt Christi,
wo die dreifache Beleuchtung einer
Lampe, eines Feuerheerdes und der himmlischen Glorie,
einen höchst malerischen Effekt hervorbringt. -- Fast
noch lieblicher ist die heilige Jungfrau mit der
Weintraube,
(von Mignard) also genannt, weil
die Mutter dem Kinde eine Traube hinreicht. -- Der
heiligen Jungfrauen mit dem Jesuskinde findet man in
allem ein Paar hundert in dieser Gallerie, und, so
schön der Gegenstand auch seyn mag, so kehrt er doch
viel zu häufig wieder. -- Grauen erregend ist die Sünd-
fluth
von Poussin. Man mögte in diese Wellen
springen, um die arme Familie zu retten, die da verge-

gefuͤllt, die an den Waͤnden uͤber einander lehnen und
noch nicht haben geordnet oder restaurirt werden koͤn-
nen. — Die franzoͤsische Schule macht rechter
Hand den Anfang. Man bewundert sogleich mehr als
zwanzig große Bilder von Charles le Brun, unter wel-
chen mir besonders das Zelt des Darius gefallen
hat. Nach der Schlacht, in welcher Alexander den Da-
rius uͤberwand, tritt der Sieger, blos von seinem Lieb-
ling Hephaͤstion begleitet, in das Zelt der persischen Prin-
zessinnen. Sysigambis, des Darius Mutter, wirft sich
dem Guͤnstling zu Fuͤßen, weil sie, durch die Pracht sei-
ner Ruͤstung getaͤuscht, ihn fuͤr den Koͤnig nimmt. Jh-
ren Jrrthum gewahrend will sie ihn entschuldigen. „Kein
Jrrthum,“ sagt Alexander, „er ist mein zweites Jch.“ —
Neben Sysigambis knieet des Darius Gemahlin, dem
Ueberwinder ihren Sohn entgegen haltend. Die wei-
nende Statyra und ihre juͤngere Schwester (des Da-
rius Toͤchter), ein großes Gefolge von Frauen, Prie-
stern und Verschnittenen, fuͤllen den uͤbrigen Raum die-
ses herrlichen Bildes. — Sehr lieblich ist Lebruns Ge-
burt Christi,
wo die dreifache Beleuchtung einer
Lampe, eines Feuerheerdes und der himmlischen Glorie,
einen hoͤchst malerischen Effekt hervorbringt. — Fast
noch lieblicher ist die heilige Jungfrau mit der
Weintraube,
(von Mignard) also genannt, weil
die Mutter dem Kinde eine Traube hinreicht. — Der
heiligen Jungfrauen mit dem Jesuskinde findet man in
allem ein Paar hundert in dieser Gallerie, und, so
schoͤn der Gegenstand auch seyn mag, so kehrt er doch
viel zu haͤufig wieder. — Grauen erregend ist die Suͤnd-
fluth
von Poussin. Man moͤgte in diese Wellen
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[143/0147] gefuͤllt, die an den Waͤnden uͤber einander lehnen und noch nicht haben geordnet oder restaurirt werden koͤn- nen. — Die franzoͤsische Schule macht rechter Hand den Anfang. Man bewundert sogleich mehr als zwanzig große Bilder von Charles le Brun, unter wel- chen mir besonders das Zelt des Darius gefallen hat. Nach der Schlacht, in welcher Alexander den Da- rius uͤberwand, tritt der Sieger, blos von seinem Lieb- ling Hephaͤstion begleitet, in das Zelt der persischen Prin- zessinnen. Sysigambis, des Darius Mutter, wirft sich dem Guͤnstling zu Fuͤßen, weil sie, durch die Pracht sei- ner Ruͤstung getaͤuscht, ihn fuͤr den Koͤnig nimmt. Jh- ren Jrrthum gewahrend will sie ihn entschuldigen. „Kein Jrrthum,“ sagt Alexander, „er ist mein zweites Jch.“ — Neben Sysigambis knieet des Darius Gemahlin, dem Ueberwinder ihren Sohn entgegen haltend. Die wei- nende Statyra und ihre juͤngere Schwester (des Da- rius Toͤchter), ein großes Gefolge von Frauen, Prie- stern und Verschnittenen, fuͤllen den uͤbrigen Raum die- ses herrlichen Bildes. — Sehr lieblich ist Lebruns Ge- burt Christi, wo die dreifache Beleuchtung einer Lampe, eines Feuerheerdes und der himmlischen Glorie, einen hoͤchst malerischen Effekt hervorbringt. — Fast noch lieblicher ist die heilige Jungfrau mit der Weintraube, (von Mignard) also genannt, weil die Mutter dem Kinde eine Traube hinreicht. — Der heiligen Jungfrauen mit dem Jesuskinde findet man in allem ein Paar hundert in dieser Gallerie, und, so schoͤn der Gegenstand auch seyn mag, so kehrt er doch viel zu haͤufig wieder. — Grauen erregend ist die Suͤnd- fluth von Poussin. Man moͤgte in diese Wellen springen, um die arme Familie zu retten, die da verge-

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Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Erinnerungen aus Paris im Jahre 1804. Bd. 1. Berlin, 1804, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_erinnerungen01_1804/147>, abgerufen am 26.04.2024.