Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

und gestattet bei vielen Ausnahmen höchstens den Rückschluss,
dass ein ausgezeichneter Schachdenker kein ganz beschränk-
ter Kopf sein könne. Ebensowenig wird ein materieller
Nutzen aus dem Schachspiele an und für sich gewonnen wer-
den; doch hat es auf der andern Seite schon die fremd-
stehendsten Personen mit einander bekannt gemacht und
innige Freundschaften geschlossen. Ein praktischer Nutzen
endlich für die Vorbildung zu irgend einer Kunst, z. B. zur
Kriegskunst muss dem Schachspiele gänzlich abgesprochen
werden.

Anmerkung. Man hat wohl eingewandt, das Schachspiel ge-
währe keine zweckmässige Erholung. Dennoch wird auch
dies Spiel niemals so ernste und intensive Anstrengung der
Geistesthätigkeiten erfordern wie die gründliche Beschäfti-
gung mit strengen Wissenschaften, und mag deshalb
immerhin als eine Art Erholung empfohlen werden. Auf
der anderen Seite hüte man sich aber vor allzu emsiger
Verbreitung des Spieles, und vermeide namentlich es in
den Kreis der Menge herabzuziehen. Für die Menge ist
unser Spiel durchaus nicht geschaffen; da giebt es leich-
tere Spiele und Vergnügungen anderer Art. Das Schach
aber ist ein königliches, ein echt aristokratisches Spiel und
wird dem Arbeiterstande z. B. niemals dauernd behagen,
so grosse Anstrengungen in letzterer Beziehung auch
gegenwärtig die Engländer zu machen scheinen. Doch
wünschten wir, dass es im Schoosse gebildeter Familien
mehr Pflege fände. Nur hüte man sich hierbei vor der
Ansicht, dass das Schachspiel pädagogischen Zwecken
dienen könne. Den Verstand wird es niemals bilden, die
Vorstellungskraft höchstens einseitig fördern, und nur auf
den Charakter mag es in gewisser Beziehung wohlthätige
Rückwirkung äussern. Wir schliessen auch hier mit einem
einfachen Urtheilsspruch und zwar mit dem Ausspruche
des ersten deutschen Meisters, Herrn v. d. Lasa: "Das
Schach ist geistvolles Spiel aber keine nutzbare Wissen-
schaft."

§. 432. An die erwähnten unrichtigen und übertriebenen
Ansichten von dem Werthe und Nutzen des Schachspieles lassen
sich mannigfache wohlmeinende Winke und Rathschläge knü-
pfen; z. B. Klugheitsregeln über die Zeit wann und die
Mässigkeit, mit welcher zu spielen sei u. s. w. Dahin ge-
hören auch solche allgemeine sociale Vorschriften, welche
bereits im 16. Kapitel angedeutet wurden.

Anmerkung. Das Schach soll, wie Staunton sagt, kein Noth-
helf sein in Ermangelung besseren Zeitvertreibs, noch wie
die Hazardspiele Gegenstand einer niederen Berechnung.
Das Schach bezweckt die Erholung geistvoller und tüch-

und gestattet bei vielen Ausnahmen höchstens den Rückschluss,
dass ein ausgezeichneter Schachdenker kein ganz beschränk-
ter Kopf sein könne. Ebensowenig wird ein materieller
Nutzen aus dem Schachspiele an und für sich gewonnen wer-
den; doch hat es auf der andern Seite schon die fremd-
stehendsten Personen mit einander bekannt gemacht und
innige Freundschaften geschlossen. Ein praktischer Nutzen
endlich für die Vorbildung zu irgend einer Kunst, z. B. zur
Kriegskunst muss dem Schachspiele gänzlich abgesprochen
werden.

Anmerkung. Man hat wohl eingewandt, das Schachspiel ge-
währe keine zweckmässige Erholung. Dennoch wird auch
dies Spiel niemals so ernste und intensive Anstrengung der
Geistesthätigkeiten erfordern wie die gründliche Beschäfti-
gung mit strengen Wissenschaften, und mag deshalb
immerhin als eine Art Erholung empfohlen werden. Auf
der anderen Seite hüte man sich aber vor allzu emsiger
Verbreitung des Spieles, und vermeide namentlich es in
den Kreis der Menge herabzuziehen. Für die Menge ist
unser Spiel durchaus nicht geschaffen; da giebt es leich-
tere Spiele und Vergnügungen anderer Art. Das Schach
aber ist ein königliches, ein echt aristokratisches Spiel und
wird dem Arbeiterstande z. B. niemals dauernd behagen,
so grosse Anstrengungen in letzterer Beziehung auch
gegenwärtig die Engländer zu machen scheinen. Doch
wünschten wir, dass es im Schoosse gebildeter Familien
mehr Pflege fände. Nur hüte man sich hierbei vor der
Ansicht, dass das Schachspiel pädagogischen Zwecken
dienen könne. Den Verstand wird es niemals bilden, die
Vorstellungskraft höchstens einseitig fördern, und nur auf
den Charakter mag es in gewisser Beziehung wohlthätige
Rückwirkung äussern. Wir schliessen auch hier mit einem
einfachen Urtheilsspruch und zwar mit dem Ausspruche
des ersten deutschen Meisters, Herrn v. d. Lasa: „Das
Schach ist geistvolles Spiel aber keine nutzbare Wissen-
schaft.“

§. 432. An die erwähnten unrichtigen und übertriebenen
Ansichten von dem Werthe und Nutzen des Schachspieles lassen
sich mannigfache wohlmeinende Winke und Rathschläge knü-
pfen; z. B. Klugheitsregeln über die Zeit wann und die
Mässigkeit, mit welcher zu spielen sei u. s. w. Dahin ge-
hören auch solche allgemeine sociale Vorschriften, welche
bereits im 16. Kapitel angedeutet wurden.

Anmerkung. Das Schach soll, wie Staunton sagt, kein Noth-
helf sein in Ermangelung besseren Zeitvertreibs, noch wie
die Hazardspiele Gegenstand einer niederen Berechnung.
Das Schach bezweckt die Erholung geistvoller und tüch-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0261" n="249"/>
und gestattet bei vielen Ausnahmen höchstens den Rückschluss,<lb/>
dass ein ausgezeichneter Schachdenker kein ganz beschränk-<lb/>
ter Kopf sein könne. Ebensowenig wird ein materieller<lb/>
Nutzen aus dem Schachspiele an und für sich gewonnen wer-<lb/>
den; doch hat es auf der andern Seite schon die fremd-<lb/>
stehendsten Personen mit einander bekannt gemacht und<lb/>
innige Freundschaften geschlossen. Ein praktischer Nutzen<lb/>
endlich für die Vorbildung zu irgend einer Kunst, z. B. zur<lb/>
Kriegskunst muss dem Schachspiele gänzlich abgesprochen<lb/>
werden.</p><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Man hat wohl eingewandt, das Schachspiel ge-<lb/>
währe keine zweckmässige Erholung. Dennoch wird auch<lb/>
dies Spiel niemals so ernste und intensive Anstrengung der<lb/>
Geistesthätigkeiten erfordern wie die gründliche Beschäfti-<lb/>
gung mit strengen Wissenschaften, und mag deshalb<lb/>
immerhin als eine Art Erholung empfohlen werden. Auf<lb/>
der anderen Seite hüte man sich aber vor allzu emsiger<lb/>
Verbreitung des Spieles, und vermeide namentlich es in<lb/>
den Kreis der Menge herabzuziehen. Für die Menge ist<lb/>
unser Spiel durchaus nicht geschaffen; da giebt es leich-<lb/>
tere Spiele und Vergnügungen anderer Art. Das Schach<lb/>
aber ist ein königliches, ein echt aristokratisches Spiel und<lb/>
wird dem Arbeiterstande z. B. niemals dauernd behagen,<lb/>
so grosse Anstrengungen in letzterer Beziehung auch<lb/>
gegenwärtig die Engländer zu machen scheinen. Doch<lb/>
wünschten wir, dass es im Schoosse gebildeter Familien<lb/>
mehr Pflege fände. Nur hüte man sich hierbei vor der<lb/>
Ansicht, dass das Schachspiel pädagogischen Zwecken<lb/>
dienen könne. Den Verstand wird es niemals bilden, die<lb/>
Vorstellungskraft höchstens einseitig fördern, und nur auf<lb/>
den Charakter mag es in gewisser Beziehung wohlthätige<lb/>
Rückwirkung äussern. Wir schliessen auch hier mit einem<lb/>
einfachen Urtheilsspruch und zwar mit dem Ausspruche<lb/>
des ersten deutschen Meisters, Herrn v. d. Lasa: &#x201E;Das<lb/>
Schach ist geistvolles Spiel aber keine nutzbare Wissen-<lb/>
schaft.&#x201C;</item>
                </list><lb/>
                <p>§. 432. An die erwähnten unrichtigen und übertriebenen<lb/>
Ansichten von dem Werthe und Nutzen des Schachspieles lassen<lb/>
sich mannigfache wohlmeinende Winke und Rathschläge knü-<lb/>
pfen; z. B. Klugheitsregeln über die Zeit wann und die<lb/>
Mässigkeit, mit welcher zu spielen sei u. s. w. Dahin ge-<lb/>
hören auch solche allgemeine sociale Vorschriften, welche<lb/>
bereits im 16. Kapitel angedeutet wurden.</p><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Das Schach soll, wie Staunton sagt, kein Noth-<lb/>
helf sein in Ermangelung besseren Zeitvertreibs, noch wie<lb/>
die Hazardspiele Gegenstand einer niederen Berechnung.<lb/>
Das Schach bezweckt die Erholung geistvoller und tüch-<lb/></item>
                </list>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0261] und gestattet bei vielen Ausnahmen höchstens den Rückschluss, dass ein ausgezeichneter Schachdenker kein ganz beschränk- ter Kopf sein könne. Ebensowenig wird ein materieller Nutzen aus dem Schachspiele an und für sich gewonnen wer- den; doch hat es auf der andern Seite schon die fremd- stehendsten Personen mit einander bekannt gemacht und innige Freundschaften geschlossen. Ein praktischer Nutzen endlich für die Vorbildung zu irgend einer Kunst, z. B. zur Kriegskunst muss dem Schachspiele gänzlich abgesprochen werden. Anmerkung. Man hat wohl eingewandt, das Schachspiel ge- währe keine zweckmässige Erholung. Dennoch wird auch dies Spiel niemals so ernste und intensive Anstrengung der Geistesthätigkeiten erfordern wie die gründliche Beschäfti- gung mit strengen Wissenschaften, und mag deshalb immerhin als eine Art Erholung empfohlen werden. Auf der anderen Seite hüte man sich aber vor allzu emsiger Verbreitung des Spieles, und vermeide namentlich es in den Kreis der Menge herabzuziehen. Für die Menge ist unser Spiel durchaus nicht geschaffen; da giebt es leich- tere Spiele und Vergnügungen anderer Art. Das Schach aber ist ein königliches, ein echt aristokratisches Spiel und wird dem Arbeiterstande z. B. niemals dauernd behagen, so grosse Anstrengungen in letzterer Beziehung auch gegenwärtig die Engländer zu machen scheinen. Doch wünschten wir, dass es im Schoosse gebildeter Familien mehr Pflege fände. Nur hüte man sich hierbei vor der Ansicht, dass das Schachspiel pädagogischen Zwecken dienen könne. Den Verstand wird es niemals bilden, die Vorstellungskraft höchstens einseitig fördern, und nur auf den Charakter mag es in gewisser Beziehung wohlthätige Rückwirkung äussern. Wir schliessen auch hier mit einem einfachen Urtheilsspruch und zwar mit dem Ausspruche des ersten deutschen Meisters, Herrn v. d. Lasa: „Das Schach ist geistvolles Spiel aber keine nutzbare Wissen- schaft.“ §. 432. An die erwähnten unrichtigen und übertriebenen Ansichten von dem Werthe und Nutzen des Schachspieles lassen sich mannigfache wohlmeinende Winke und Rathschläge knü- pfen; z. B. Klugheitsregeln über die Zeit wann und die Mässigkeit, mit welcher zu spielen sei u. s. w. Dahin ge- hören auch solche allgemeine sociale Vorschriften, welche bereits im 16. Kapitel angedeutet wurden. Anmerkung. Das Schach soll, wie Staunton sagt, kein Noth- helf sein in Ermangelung besseren Zeitvertreibs, noch wie die Hazardspiele Gegenstand einer niederen Berechnung. Das Schach bezweckt die Erholung geistvoller und tüch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/261
Zitationshilfe: Lange, Max: Lehrbuch des Schachspiels. Halle (Saale), 1856, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lange_schachspiel_1856/261>, abgerufen am 29.03.2024.