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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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das von weissem Tafft tragen, welches sie
mir zu Ende der Trauer hatte machen las-
sen. Ende der Trauer, meine Emilia!
O glauben Sie es nicht so wörtlich; die
äußerlichen Kennzeichen davon habe ich
abgelegt; aber sie hat ihren alten Sitz in
dem Grunde meines Herzens behalten,
und ich glaube, sie hat einen Bund mit
der geheimen Beobachterin unsrer Hand-
lungen (ich meine das Gewissen) gemacht:
denn bey der Menge Stoffe und Putzsachen,
die mir letzhin vorgeleget wurden, und
wovon dieses zur nächsten Galla, jenes
auf den bevorstehenden Ball, ein anderes
zur Assemblee bestimmt war, wendete sich,
indem ich das eine und andere betrachtete
unter der Bewegung meiner Hände, das
Bild meiner Mama an dem Armband, und
indem ich, im Zurechtemachen, meine Au-
gen darauf heftete, und ihre feine Bil-
dung mit dem simpelsten Aufsatz und An-
zug gezieret sah, überfiel mich der Ge-
danke, wie unähnlich ich ihr in kurzer
Zeit in diesem Stück seyn werde! Gott
verhüte, daß diese Unähnlichkeit ja nie-

mals

das von weiſſem Tafft tragen, welches ſie
mir zu Ende der Trauer hatte machen laſ-
ſen. Ende der Trauer, meine Emilia!
O glauben Sie es nicht ſo woͤrtlich; die
aͤußerlichen Kennzeichen davon habe ich
abgelegt; aber ſie hat ihren alten Sitz in
dem Grunde meines Herzens behalten,
und ich glaube, ſie hat einen Bund mit
der geheimen Beobachterin unſrer Hand-
lungen (ich meine das Gewiſſen) gemacht:
denn bey der Menge Stoffe und Putzſachen,
die mir letzhin vorgeleget wurden, und
wovon dieſes zur naͤchſten Galla, jenes
auf den bevorſtehenden Ball, ein anderes
zur Aſſemblee beſtimmt war, wendete ſich,
indem ich das eine und andere betrachtete
unter der Bewegung meiner Haͤnde, das
Bild meiner Mama an dem Armband, und
indem ich, im Zurechtemachen, meine Au-
gen darauf heftete, und ihre feine Bil-
dung mit dem ſimpelſten Aufſatz und An-
zug gezieret ſah, uͤberfiel mich der Ge-
danke, wie unaͤhnlich ich ihr in kurzer
Zeit in dieſem Stuͤck ſeyn werde! Gott
verhuͤte, daß dieſe Unaͤhnlichkeit ja nie-

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[91/0117] das von weiſſem Tafft tragen, welches ſie mir zu Ende der Trauer hatte machen laſ- ſen. Ende der Trauer, meine Emilia! O glauben Sie es nicht ſo woͤrtlich; die aͤußerlichen Kennzeichen davon habe ich abgelegt; aber ſie hat ihren alten Sitz in dem Grunde meines Herzens behalten, und ich glaube, ſie hat einen Bund mit der geheimen Beobachterin unſrer Hand- lungen (ich meine das Gewiſſen) gemacht: denn bey der Menge Stoffe und Putzſachen, die mir letzhin vorgeleget wurden, und wovon dieſes zur naͤchſten Galla, jenes auf den bevorſtehenden Ball, ein anderes zur Aſſemblee beſtimmt war, wendete ſich, indem ich das eine und andere betrachtete unter der Bewegung meiner Haͤnde, das Bild meiner Mama an dem Armband, und indem ich, im Zurechtemachen, meine Au- gen darauf heftete, und ihre feine Bil- dung mit dem ſimpelſten Aufſatz und An- zug gezieret ſah, uͤberfiel mich der Ge- danke, wie unaͤhnlich ich ihr in kurzer Zeit in dieſem Stuͤck ſeyn werde! Gott verhuͤte, daß dieſe Unaͤhnlichkeit ja nie- mals

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/117>, abgerufen am 28.04.2024.