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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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glaubte nicht, weil ich nur auf die Zu-
rückkunft meiner Tante der Gräfin R.
wartete, die mit ihrem Gemahl eine Reise
nach Jtalien gemacht, und mit welcher
ich alsdann auf ihre Güther gienge.

Es scheint mir unmöglich, sagte er,
daß ein lebhafter Geist, wie der ihrige, bey
den immer gleichen Scenen des Landle-
bens sollte vergnügt seyn können.

"Und mich dünkt unglaublich, daß Mi-
lord Seymour im Ernste denken sollte,
daß ein lebhafter und sich als gern be-
schäfftigender Geist auf dem Lande einem
Mangel von Unterhaltung ausgesetzt sey."

Jch denke keinen gänzlichen Mangel,
gnädiges Fräulein, aber den Ekel und die
Ermüdung, welche nothwendiger Weise
erfolgen müssen, wenn wir unsere Betrach-
tungen beständig auf einerley Vorwurf
eingeschränkt sehen.

"Jch bekenne, Milord, daß ich seit mei-
nem Aufenthalt in der Stadt, bey den
Vergleichungen beyder Lebensarten, ge-
funden habe, daß man auf dem Lande
die nehmliche Sorge trägt, seine Beschäff-

tigungen

glaubte nicht, weil ich nur auf die Zu-
ruͤckkunft meiner Tante der Graͤfin R.
wartete, die mit ihrem Gemahl eine Reiſe
nach Jtalien gemacht, und mit welcher
ich alsdann auf ihre Guͤther gienge.

Es ſcheint mir unmoͤglich, ſagte er,
daß ein lebhafter Geiſt, wie der ihrige, bey
den immer gleichen Scenen des Landle-
bens ſollte vergnuͤgt ſeyn koͤnnen.

„Und mich duͤnkt unglaublich, daß Mi-
lord Seymour im Ernſte denken ſollte,
daß ein lebhafter und ſich als gern be-
ſchaͤfftigender Geiſt auf dem Lande einem
Mangel von Unterhaltung ausgeſetzt ſey.“

Jch denke keinen gaͤnzlichen Mangel,
gnaͤdiges Fraͤulein, aber den Ekel und die
Ermuͤdung, welche nothwendiger Weiſe
erfolgen muͤſſen, wenn wir unſere Betrach-
tungen beſtaͤndig auf einerley Vorwurf
eingeſchraͤnkt ſehen.

„Jch bekenne, Milord, daß ich ſeit mei-
nem Aufenthalt in der Stadt, bey den
Vergleichungen beyder Lebensarten, ge-
funden habe, daß man auf dem Lande
die nehmliche Sorge traͤgt, ſeine Beſchaͤff-

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[107/0133] glaubte nicht, weil ich nur auf die Zu- ruͤckkunft meiner Tante der Graͤfin R. wartete, die mit ihrem Gemahl eine Reiſe nach Jtalien gemacht, und mit welcher ich alsdann auf ihre Guͤther gienge. Es ſcheint mir unmoͤglich, ſagte er, daß ein lebhafter Geiſt, wie der ihrige, bey den immer gleichen Scenen des Landle- bens ſollte vergnuͤgt ſeyn koͤnnen. „Und mich duͤnkt unglaublich, daß Mi- lord Seymour im Ernſte denken ſollte, daß ein lebhafter und ſich als gern be- ſchaͤfftigender Geiſt auf dem Lande einem Mangel von Unterhaltung ausgeſetzt ſey.“ Jch denke keinen gaͤnzlichen Mangel, gnaͤdiges Fraͤulein, aber den Ekel und die Ermuͤdung, welche nothwendiger Weiſe erfolgen muͤſſen, wenn wir unſere Betrach- tungen beſtaͤndig auf einerley Vorwurf eingeſchraͤnkt ſehen. „Jch bekenne, Milord, daß ich ſeit mei- nem Aufenthalt in der Stadt, bey den Vergleichungen beyder Lebensarten, ge- funden habe, daß man auf dem Lande die nehmliche Sorge traͤgt, ſeine Beſchaͤff- tigungen

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/133>, abgerufen am 29.04.2024.