Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

bohren worden, die ich itzt besitze, so wä-
re vielleicht mein Eifer, mir einen Nah-
men zu machen, nicht so groß gewesen.
Was ich aber in dem Schicksal meiner
verfloßnen Jahre am meisten liebe, ist der
Vater, den es mir gab; weil es gewiß in
andern Umständen keinen so treuen und
weisen Führer meiner Jugend gehabt hät-
te, als er für mich war. Er verbarg
mir aus weiser Ueberlegung und Kenntniß
meines Gemüths, (vielleicht des ganzen
menschlichen Herzens überhaupt) den größ-
ten Theil seines Reichthums; einmal um
der Nachlässigkeit vorzubeugen, mit wel-
cher einzige und reiche Söhne den Wissen-
schaften obliegen; und dann die Verfüh-
rung zu vermeiden, denen diese Art jun-
ger Leute ausgesetzt ist; und weil er dach-
te, wann ich einmal die Kräfte meiner
Seele, für mich und Andere, wohl zu ge-
brauchen gelernt hätte, so würde ich einst
auch von den Glücksgüthern einen klu-
gen und edeln Gebrauch zu machen wissen.
Daher suchte mich mein Vater zuerst, durch
Tugend und Kenntnisse, moralisch gut

und

bohren worden, die ich itzt beſitze, ſo waͤ-
re vielleicht mein Eifer, mir einen Nah-
men zu machen, nicht ſo groß geweſen.
Was ich aber in dem Schickſal meiner
verfloßnen Jahre am meiſten liebe, iſt der
Vater, den es mir gab; weil es gewiß in
andern Umſtaͤnden keinen ſo treuen und
weiſen Fuͤhrer meiner Jugend gehabt haͤt-
te, als er fuͤr mich war. Er verbarg
mir aus weiſer Ueberlegung und Kenntniß
meines Gemuͤths, (vielleicht des ganzen
menſchlichen Herzens uͤberhaupt) den groͤß-
ten Theil ſeines Reichthums; einmal um
der Nachlaͤſſigkeit vorzubeugen, mit wel-
cher einzige und reiche Soͤhne den Wiſſen-
ſchaften obliegen; und dann die Verfuͤh-
rung zu vermeiden, denen dieſe Art jun-
ger Leute ausgeſetzt iſt; und weil er dach-
te, wann ich einmal die Kraͤfte meiner
Seele, fuͤr mich und Andere, wohl zu ge-
brauchen gelernt haͤtte, ſo wuͤrde ich einſt
auch von den Gluͤcksguͤthern einen klu-
gen und edeln Gebrauch zu machen wiſſen.
Daher ſuchte mich mein Vater zuerſt, durch
Tugend und Kenntniſſe, moraliſch gut

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="43"/>
bohren worden, die ich itzt be&#x017F;itze, &#x017F;o wa&#x0364;-<lb/>
re vielleicht mein Eifer, mir einen Nah-<lb/>
men zu machen, nicht &#x017F;o groß gewe&#x017F;en.<lb/>
Was ich aber in dem Schick&#x017F;al meiner<lb/>
verfloßnen Jahre am mei&#x017F;ten liebe, i&#x017F;t der<lb/>
Vater, den es mir gab; weil es gewiß in<lb/>
andern Um&#x017F;ta&#x0364;nden keinen &#x017F;o treuen und<lb/>
wei&#x017F;en Fu&#x0364;hrer meiner Jugend gehabt ha&#x0364;t-<lb/>
te, als er fu&#x0364;r mich war. Er verbarg<lb/>
mir aus wei&#x017F;er Ueberlegung und Kenntniß<lb/>
meines Gemu&#x0364;ths, (vielleicht des ganzen<lb/>
men&#x017F;chlichen Herzens u&#x0364;berhaupt) den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Theil &#x017F;eines Reichthums; einmal um<lb/>
der Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit vorzubeugen, mit wel-<lb/>
cher einzige und reiche So&#x0364;hne den Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften obliegen; und dann die Verfu&#x0364;h-<lb/>
rung zu vermeiden, denen die&#x017F;e Art jun-<lb/>
ger Leute ausge&#x017F;etzt i&#x017F;t; und weil er dach-<lb/>
te, wann ich einmal die Kra&#x0364;fte meiner<lb/>
Seele, fu&#x0364;r mich und Andere, wohl zu ge-<lb/>
brauchen gelernt ha&#x0364;tte, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich ein&#x017F;t<lb/>
auch von den Glu&#x0364;cksgu&#x0364;thern einen klu-<lb/>
gen und edeln Gebrauch zu machen wi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Daher &#x017F;uchte mich mein Vater zuer&#x017F;t, durch<lb/>
Tugend und Kenntni&#x017F;&#x017F;e, morali&#x017F;ch gut<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0069] bohren worden, die ich itzt beſitze, ſo waͤ- re vielleicht mein Eifer, mir einen Nah- men zu machen, nicht ſo groß geweſen. Was ich aber in dem Schickſal meiner verfloßnen Jahre am meiſten liebe, iſt der Vater, den es mir gab; weil es gewiß in andern Umſtaͤnden keinen ſo treuen und weiſen Fuͤhrer meiner Jugend gehabt haͤt- te, als er fuͤr mich war. Er verbarg mir aus weiſer Ueberlegung und Kenntniß meines Gemuͤths, (vielleicht des ganzen menſchlichen Herzens uͤberhaupt) den groͤß- ten Theil ſeines Reichthums; einmal um der Nachlaͤſſigkeit vorzubeugen, mit wel- cher einzige und reiche Soͤhne den Wiſſen- ſchaften obliegen; und dann die Verfuͤh- rung zu vermeiden, denen dieſe Art jun- ger Leute ausgeſetzt iſt; und weil er dach- te, wann ich einmal die Kraͤfte meiner Seele, fuͤr mich und Andere, wohl zu ge- brauchen gelernt haͤtte, ſo wuͤrde ich einſt auch von den Gluͤcksguͤthern einen klu- gen und edeln Gebrauch zu machen wiſſen. Daher ſuchte mich mein Vater zuerſt, durch Tugend und Kenntniſſe, moraliſch gut und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/69
Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/69>, abgerufen am 29.04.2024.