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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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lassen, daß ich meinen Ursprung vergessen
habe. Sie sollen weder Stolz noch nie-
derträchtige Demuth bey mir sehen.
Viertens treten die Pflichten gegen meine
Untergebene ein, für deren Bestes ich auf
alle Weise sorgen werde, um ihrem Herzen
die Unterwürfigkeit, in welche sie das
Schicksal gesetzt hat, nicht nur erträglich,
sondern angenehm zu machen, und mich so
zu bezeugen, daß sie mir den Unterschied,
welchen zeitliches Glück zwischen mir und
ihnen gemacht hat, gerne gönnen sollen.

Der rechtschaffene Pfarrer in P. will
mir einen wackern jungen Mann zum
Seelsorger in meinem Kirchspiele schaffen,
mit welchem ich gar gerne einen schon lang
gemachten Wunsch für einige Abänderun-
gen in der gewöhnlichen Art, das Volk zu
unterrichten, veranstalten möchte. Jch
habe mich gründlich von der Güte und
dem Nutzen der großen Wahrheiten un-
srer Religion überzeugt; aber die wenige
Wirkung, die ihr Vortrag auf die Herzen
der größten Anzahl der Zuhörer macht,
gab mir eher einen Zweifel in die Lehrart,

als

laſſen, daß ich meinen Urſprung vergeſſen
habe. Sie ſollen weder Stolz noch nie-
dertraͤchtige Demuth bey mir ſehen.
Viertens treten die Pflichten gegen meine
Untergebene ein, fuͤr deren Beſtes ich auf
alle Weiſe ſorgen werde, um ihrem Herzen
die Unterwuͤrfigkeit, in welche ſie das
Schickſal geſetzt hat, nicht nur ertraͤglich,
ſondern angenehm zu machen, und mich ſo
zu bezeugen, daß ſie mir den Unterſchied,
welchen zeitliches Gluͤck zwiſchen mir und
ihnen gemacht hat, gerne goͤnnen ſollen.

Der rechtſchaffene Pfarrer in P. will
mir einen wackern jungen Mann zum
Seelſorger in meinem Kirchſpiele ſchaffen,
mit welchem ich gar gerne einen ſchon lang
gemachten Wunſch fuͤr einige Abaͤnderun-
gen in der gewoͤhnlichen Art, das Volk zu
unterrichten, veranſtalten moͤchte. Jch
habe mich gruͤndlich von der Guͤte und
dem Nutzen der großen Wahrheiten un-
ſrer Religion uͤberzeugt; aber die wenige
Wirkung, die ihr Vortrag auf die Herzen
der groͤßten Anzahl der Zuhoͤrer macht,
gab mir eher einen Zweifel in die Lehrart,

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[47/0073] laſſen, daß ich meinen Urſprung vergeſſen habe. Sie ſollen weder Stolz noch nie- dertraͤchtige Demuth bey mir ſehen. Viertens treten die Pflichten gegen meine Untergebene ein, fuͤr deren Beſtes ich auf alle Weiſe ſorgen werde, um ihrem Herzen die Unterwuͤrfigkeit, in welche ſie das Schickſal geſetzt hat, nicht nur ertraͤglich, ſondern angenehm zu machen, und mich ſo zu bezeugen, daß ſie mir den Unterſchied, welchen zeitliches Gluͤck zwiſchen mir und ihnen gemacht hat, gerne goͤnnen ſollen. Der rechtſchaffene Pfarrer in P. will mir einen wackern jungen Mann zum Seelſorger in meinem Kirchſpiele ſchaffen, mit welchem ich gar gerne einen ſchon lang gemachten Wunſch fuͤr einige Abaͤnderun- gen in der gewoͤhnlichen Art, das Volk zu unterrichten, veranſtalten moͤchte. Jch habe mich gruͤndlich von der Guͤte und dem Nutzen der großen Wahrheiten un- ſrer Religion uͤberzeugt; aber die wenige Wirkung, die ihr Vortrag auf die Herzen der groͤßten Anzahl der Zuhoͤrer macht, gab mir eher einen Zweifel in die Lehrart, als

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 1. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte01_1771/73>, abgerufen am 29.04.2024.