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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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fühl, das Bedürfniß, die Atmosphäre des Rechtes aus,
das Recht sei der Menschen Religion, der Glaube sei
frei und dem Einzelnen angehörig. Auf jenes Funda¬
ment gründet die Sicherheit des Zusammenlebens im
Staate, die Rechtlichkeit, die Gesetzlichkeit sei der Aus¬
druck der Religion. Constantin hat Recht, wenn er
Eure Theologie anklagt; sie ist stockig und versteht nichts
von der Zeit. Den Glauben selbst anbelangend ist
Constantin sich selbst wohl nicht recht klar. Er spricht
viel von der nüchternen Religionsmathematik der Ratio¬
nalisten. Sie sind wichtig geworden zur Läuterung wie
die Jakobiner; aber sie sind nicht blos furchtsam wie
er mit Recht sagt, sie sind auch platt, weil sie eitel
und egoistisch mit ihrem bischen Vernunft Alles ab¬
machen wollen. Die Poesie jedes Menschen sei sein
Glaube. Gebt sie frei, entledigt sie der Fesseln, jeder
Mensch ist poetisch; die Pfaffen hindern nur die Ent¬
wicklung, weil sie durch objective Mährchen die schaf¬
fenden Thätigkeiten der Menschen einengen.

Aus den Staaten und ihrer Konstruktion ist jedes
religiöse Element verschwunden; der Königsglaube, die
Obrigkeitsreligion, wie sie gelehrt ward, existiren nicht
mehr, man frägt nicht mehr nach der höheren Einsetzung

fühl, das Bedürfniß, die Atmosphäre des Rechtes aus,
das Recht ſei der Menſchen Religion, der Glaube ſei
frei und dem Einzelnen angehörig. Auf jenes Funda¬
ment gründet die Sicherheit des Zuſammenlebens im
Staate, die Rechtlichkeit, die Geſetzlichkeit ſei der Aus¬
druck der Religion. Conſtantin hat Recht, wenn er
Eure Theologie anklagt; ſie iſt ſtockig und verſteht nichts
von der Zeit. Den Glauben ſelbſt anbelangend iſt
Conſtantin ſich ſelbſt wohl nicht recht klar. Er ſpricht
viel von der nüchternen Religionsmathematik der Ratio¬
naliſten. Sie ſind wichtig geworden zur Läuterung wie
die Jakobiner; aber ſie ſind nicht blos furchtſam wie
er mit Recht ſagt, ſie ſind auch platt, weil ſie eitel
und egoiſtiſch mit ihrem bischen Vernunft Alles ab¬
machen wollen. Die Poeſie jedes Menſchen ſei ſein
Glaube. Gebt ſie frei, entledigt ſie der Feſſeln, jeder
Menſch iſt poetiſch; die Pfaffen hindern nur die Ent¬
wicklung, weil ſie durch objective Mährchen die ſchaf¬
fenden Thätigkeiten der Menſchen einengen.

Aus den Staaten und ihrer Konſtruktion iſt jedes
religiöſe Element verſchwunden; der Königsglaube, die
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[141/0153] fühl, das Bedürfniß, die Atmosphäre des Rechtes aus, das Recht ſei der Menſchen Religion, der Glaube ſei frei und dem Einzelnen angehörig. Auf jenes Funda¬ ment gründet die Sicherheit des Zuſammenlebens im Staate, die Rechtlichkeit, die Geſetzlichkeit ſei der Aus¬ druck der Religion. Conſtantin hat Recht, wenn er Eure Theologie anklagt; ſie iſt ſtockig und verſteht nichts von der Zeit. Den Glauben ſelbſt anbelangend iſt Conſtantin ſich ſelbſt wohl nicht recht klar. Er ſpricht viel von der nüchternen Religionsmathematik der Ratio¬ naliſten. Sie ſind wichtig geworden zur Läuterung wie die Jakobiner; aber ſie ſind nicht blos furchtſam wie er mit Recht ſagt, ſie ſind auch platt, weil ſie eitel und egoiſtiſch mit ihrem bischen Vernunft Alles ab¬ machen wollen. Die Poeſie jedes Menſchen ſei ſein Glaube. Gebt ſie frei, entledigt ſie der Feſſeln, jeder Menſch iſt poetiſch; die Pfaffen hindern nur die Ent¬ wicklung, weil ſie durch objective Mährchen die ſchaf¬ fenden Thätigkeiten der Menſchen einengen. Aus den Staaten und ihrer Konſtruktion iſt jedes religiöſe Element verſchwunden; der Königsglaube, die Obrigkeitsreligion, wie ſie gelehrt ward, exiſtiren nicht mehr, man frägt nicht mehr nach der höheren Einſetzung

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/153>, abgerufen am 30.04.2024.