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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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per, Herr Schmid, velut inter ignes Inna mi-
nores.
Das erste Stück, welches wir gaben, war
Brandes Trau, schau, wem. Unsre Actri-
zen waren anfangs hübsche milchbärtige Studenten;
nachher aber spielten auch wirkliche Frauenzimmer
mit. So wurde noch die Zeit über, die ich in Gie-
ßen war, Lessings junger Gelehrter, der Zerstreute
aus dem komischen Theater der Franzosen, Ste-
phanis Deserteur aus Kindesliebe, der Bramar-
bas von Hollberg, und der Postzug u. a. aufge-
führt. Herr Schmid ließ jedesmal in der Darm-
städter Zeitung ein großes Wesen von der Vortref-
lichkeit unsrer Action machen. Anfangs spielte ich
selbst mit, war z. B. der Graf von Werlingen im
Trau, schau, wem, und Magister Stifelius im
Bramarbas. Aber da ich bald merkte, daß ich zum
Theater verdorben war; so gab ich das Mitspielen
auf, behielt aber mein Amt, als Rollenmeister, bis
zu meinem Abzug aus Gießen.

Dieses Komödienspielen hat wenig gutes gestif-
tet. Unsre Bursche fanden einen so starken Geschmack
am Specktakel, daß alles ernsthaftere Studiren dar-
über vernachlässigt wurde, und jeder nur Komödien
las. Die mitspielenden Personen konnten vollends
gar nicht studiren. Nach meinem Abschied hat der
Landgraf die Komödie verbieten lassen. Man hätte
ihm vorgestellt, daß sie die ganze Universität zerrüt-

per, Herr Schmid, velut inter ignes Inna mi-
nores.
Das erſte Stuͤck, welches wir gaben, war
Brandes Trau, ſchau, wem. Unſre Actri-
zen waren anfangs huͤbſche milchbaͤrtige Studenten;
nachher aber ſpielten auch wirkliche Frauenzimmer
mit. So wurde noch die Zeit uͤber, die ich in Gie-
ßen war, Leſſings junger Gelehrter, der Zerſtreute
aus dem komiſchen Theater der Franzoſen, Ste-
phanis Deſerteur aus Kindesliebe, der Bramar-
bas von Hollberg, und der Poſtzug u. a. aufge-
fuͤhrt. Herr Schmid ließ jedesmal in der Darm-
ſtaͤdter Zeitung ein großes Weſen von der Vortref-
lichkeit unſrer Action machen. Anfangs ſpielte ich
ſelbſt mit, war z. B. der Graf von Werlingen im
Trau, ſchau, wem, und Magiſter Stifelius im
Bramarbas. Aber da ich bald merkte, daß ich zum
Theater verdorben war; ſo gab ich das Mitſpielen
auf, behielt aber mein Amt, als Rollenmeiſter, bis
zu meinem Abzug aus Gießen.

Dieſes Komoͤdienſpielen hat wenig gutes geſtif-
tet. Unſre Burſche fanden einen ſo ſtarken Geſchmack
am Specktakel, daß alles ernſthaftere Studiren dar-
uͤber vernachlaͤſſigt wurde, und jeder nur Komoͤdien
las. Die mitſpielenden Perſonen konnten vollends
gar nicht ſtudiren. Nach meinem Abſchied hat der
Landgraf die Komoͤdie verbieten laſſen. Man haͤtte
ihm vorgeſtellt, daß ſie die ganze Univerſitaͤt zerruͤt-

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[232/0246] per, Herr Schmid, velut inter ignes Inna mi- nores. Das erſte Stuͤck, welches wir gaben, war Brandes Trau, ſchau, wem. Unſre Actri- zen waren anfangs huͤbſche milchbaͤrtige Studenten; nachher aber ſpielten auch wirkliche Frauenzimmer mit. So wurde noch die Zeit uͤber, die ich in Gie- ßen war, Leſſings junger Gelehrter, der Zerſtreute aus dem komiſchen Theater der Franzoſen, Ste- phanis Deſerteur aus Kindesliebe, der Bramar- bas von Hollberg, und der Poſtzug u. a. aufge- fuͤhrt. Herr Schmid ließ jedesmal in der Darm- ſtaͤdter Zeitung ein großes Weſen von der Vortref- lichkeit unſrer Action machen. Anfangs ſpielte ich ſelbſt mit, war z. B. der Graf von Werlingen im Trau, ſchau, wem, und Magiſter Stifelius im Bramarbas. Aber da ich bald merkte, daß ich zum Theater verdorben war; ſo gab ich das Mitſpielen auf, behielt aber mein Amt, als Rollenmeiſter, bis zu meinem Abzug aus Gießen. Dieſes Komoͤdienſpielen hat wenig gutes geſtif- tet. Unſre Burſche fanden einen ſo ſtarken Geſchmack am Specktakel, daß alles ernſthaftere Studiren dar- uͤber vernachlaͤſſigt wurde, und jeder nur Komoͤdien las. Die mitſpielenden Perſonen konnten vollends gar nicht ſtudiren. Nach meinem Abſchied hat der Landgraf die Komoͤdie verbieten laſſen. Man haͤtte ihm vorgeſtellt, daß ſie die ganze Univerſitaͤt zerruͤt-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/246>, abgerufen am 28.04.2024.