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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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sen. Ich schrieb freilich an meinen Vater; aber seine
Antwort war so allgemein, daß ich selbst nicht klug
daraus werden konnte. Nun aber erfuhr ich, daß
mein Bruder meinem Vater vorgestellt hatte: ich
könnte ja, wenn die Kaution stehen bliebe, im Lande
herumstreichen, allerlei Possen ausüben, und mei-
ner Familie noch mehr Schimpf und Schande an-
hängen. -- Mein Vater hatte den Vorstellungen
des theuren Herrn Sohns Gehör gegeben, und mei-
ne Kaution aufgehoben. Dadurch verlohr ich mei-
nen Thorpaß, und muste mit dem Bezirk in den
hallischen Ringmauern für lieb nehmen. Aber trotz
den Anstalten meines saubern Herrn Bruders hab
doch durch mein Betragen, und meine Dienst-Treue
mich zum vertrauten Mann gemacht. --

Mein Bruder dachte freilich recht pfaffisch-po-
litisch: er befürchtete nämlich, wenn ich noch einmal
nach Hause kommen möchte -- und das konnte er
nur immer in seiner Rechnung streichen: ich hatte
gar keine Lust, jemals das liebe Bonzenland, die
theure Pfalz, wieder zu sehen -- so würde ich mich
vielleicht wieder in die Gunst meiner Eltern und An-
derer setzen, und sein Interesse dadurch stören oder
doch hindern. Ein Beweis, zu dem Ovidischen
Fratrum quoque gratia rara est!

Herr Dietsch berichtete mir auch, daß mein
Bruder habe wollen Pfarrer zu Dahlheim werden;

ſen. Ich ſchrieb freilich an meinen Vater; aber ſeine
Antwort war ſo allgemein, daß ich ſelbſt nicht klug
daraus werden konnte. Nun aber erfuhr ich, daß
mein Bruder meinem Vater vorgeſtellt hatte: ich
koͤnnte ja, wenn die Kaution ſtehen bliebe, im Lande
herumſtreichen, allerlei Poſſen ausuͤben, und mei-
ner Familie noch mehr Schimpf und Schande an-
haͤngen. — Mein Vater hatte den Vorſtellungen
des theuren Herrn Sohns Gehoͤr gegeben, und mei-
ne Kaution aufgehoben. Dadurch verlohr ich mei-
nen Thorpaß, und muſte mit dem Bezirk in den
halliſchen Ringmauern fuͤr lieb nehmen. Aber trotz
den Anſtalten meines ſaubern Herrn Bruders hab
doch durch mein Betragen, und meine Dienſt-Treue
mich zum vertrauten Mann gemacht. —

Mein Bruder dachte freilich recht pfaffiſch-po-
litiſch: er befuͤrchtete naͤmlich, wenn ich noch einmal
nach Hauſe kommen moͤchte — und das konnte er
nur immer in ſeiner Rechnung ſtreichen: ich hatte
gar keine Luſt, jemals das liebe Bonzenland, die
theure Pfalz, wieder zu ſehen — ſo wuͤrde ich mich
vielleicht wieder in die Gunſt meiner Eltern und An-
derer ſetzen, und ſein Intereſſe dadurch ſtoͤren oder
doch hindern. Ein Beweis, zu dem Ovidiſchen
Fratrum quoque gratia rara eſt!

Herr Dietſch berichtete mir auch, daß mein
Bruder habe wollen Pfarrer zu Dahlheim werden;

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[382[384]/0386] ſen. Ich ſchrieb freilich an meinen Vater; aber ſeine Antwort war ſo allgemein, daß ich ſelbſt nicht klug daraus werden konnte. Nun aber erfuhr ich, daß mein Bruder meinem Vater vorgeſtellt hatte: ich koͤnnte ja, wenn die Kaution ſtehen bliebe, im Lande herumſtreichen, allerlei Poſſen ausuͤben, und mei- ner Familie noch mehr Schimpf und Schande an- haͤngen. — Mein Vater hatte den Vorſtellungen des theuren Herrn Sohns Gehoͤr gegeben, und mei- ne Kaution aufgehoben. Dadurch verlohr ich mei- nen Thorpaß, und muſte mit dem Bezirk in den halliſchen Ringmauern fuͤr lieb nehmen. Aber trotz den Anſtalten meines ſaubern Herrn Bruders hab doch durch mein Betragen, und meine Dienſt-Treue mich zum vertrauten Mann gemacht. — Mein Bruder dachte freilich recht pfaffiſch-po- litiſch: er befuͤrchtete naͤmlich, wenn ich noch einmal nach Hauſe kommen moͤchte — und das konnte er nur immer in ſeiner Rechnung ſtreichen: ich hatte gar keine Luſt, jemals das liebe Bonzenland, die theure Pfalz, wieder zu ſehen — ſo wuͤrde ich mich vielleicht wieder in die Gunſt meiner Eltern und An- derer ſetzen, und ſein Intereſſe dadurch ſtoͤren oder doch hindern. Ein Beweis, zu dem Ovidiſchen Fratrum quoque gratia rara eſt! Herr Dietſch berichtete mir auch, daß mein Bruder habe wollen Pfarrer zu Dahlheim werden;

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 382[384]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/386>, abgerufen am 29.03.2024.