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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Fürst. Daß ich keinen Vater mehr habe! --
Armer alter Mann! Liegt doch genau so viel
Unglück auf mir, als mein Gehirn tragen
kann; gütiger Himmel, gieb nur noch ein
Quentchen Unglück mehr, als es trägt! Dann
seh ich in der Phantasie meine einträchtigen
Kinder immer neben mir. Wer über ein Un-
glück verrückt ist, sieht ja immer das entgegen-
gesezte Glück -- aber ich bin so ausgezeichnet
unglücklich, daß das vielleicht nicht einmal bey
mir einträse. Und soll ich doch noch hier eine
angenehme Stunde haben, so muß es ja in
der Raserey seyn. Nicht wahr, Guido?
Guido. (kalt) Es giebt mehr Dolche, auch
Feuer und Wasser, Berge und Abgründe.

(er will abgehn)
Fürst. Du solst sterben -- als der Vater
meiner Unterthanen darf ich es nicht leiden, daß
unschuldig Blut auf dem Lande klebe, und Krieg
und Pest und alle Landplagen herbey rufe -- Von
meinen Händen, als ein Fürst, solst Du sterben.
Daß aber das nicht unbereitet geschehe, wartet im
Nebenzimmer ein Pater auf Dich.
Guido. Jch bin augenblicklich wieder hier.
(ab)


Fuͤrſt. Daß ich keinen Vater mehr habe! —
Armer alter Mann! Liegt doch genau ſo viel
Ungluͤck auf mir, als mein Gehirn tragen
kann; guͤtiger Himmel, gieb nur noch ein
Quentchen Ungluͤck mehr, als es traͤgt! Dann
ſeh ich in der Phantaſie meine eintraͤchtigen
Kinder immer neben mir. Wer uͤber ein Un-
gluͤck verruͤckt iſt, ſieht ja immer das entgegen-
geſezte Gluͤck — aber ich bin ſo ausgezeichnet
ungluͤcklich, daß das vielleicht nicht einmal bey
mir eintraͤſe. Und ſoll ich doch noch hier eine
angenehme Stunde haben, ſo muß es ja in
der Raſerey ſeyn. Nicht wahr, Guido?
Guido. (kalt) Es giebt mehr Dolche, auch
Feuer und Waſſer, Berge und Abgruͤnde.

(er will abgehn)
Fuͤrſt. Du ſolſt ſterben — als der Vater
meiner Unterthanen darf ich es nicht leiden, daß
unſchuldig Blut auf dem Lande klebe, und Krieg
und Peſt und alle Landplagen herbey rufe — Von
meinen Haͤnden, als ein Fuͤrſt, ſolſt Du ſterben.
Daß aber das nicht unbereitet geſchehe, wartet im
Nebenzimmer ein Pater auf Dich.
Guido. Jch bin augenblicklich wieder hier.
(ab)
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[106/0110] Fuͤrſt. Daß ich keinen Vater mehr habe! — Armer alter Mann! Liegt doch genau ſo viel Ungluͤck auf mir, als mein Gehirn tragen kann; guͤtiger Himmel, gieb nur noch ein Quentchen Ungluͤck mehr, als es traͤgt! Dann ſeh ich in der Phantaſie meine eintraͤchtigen Kinder immer neben mir. Wer uͤber ein Un- gluͤck verruͤckt iſt, ſieht ja immer das entgegen- geſezte Gluͤck — aber ich bin ſo ausgezeichnet ungluͤcklich, daß das vielleicht nicht einmal bey mir eintraͤſe. Und ſoll ich doch noch hier eine angenehme Stunde haben, ſo muß es ja in der Raſerey ſeyn. Nicht wahr, Guido? Guido. (kalt) Es giebt mehr Dolche, auch Feuer und Waſſer, Berge und Abgruͤnde. (er will abgehn) Fuͤrſt. Du ſolſt ſterben — als der Vater meiner Unterthanen darf ich es nicht leiden, daß unſchuldig Blut auf dem Lande klebe, und Krieg und Peſt und alle Landplagen herbey rufe — Von meinen Haͤnden, als ein Fuͤrſt, ſolſt Du ſterben. Daß aber das nicht unbereitet geſchehe, wartet im Nebenzimmer ein Pater auf Dich. Guido. Jch bin augenblicklich wieder hier. (ab)

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/110>, abgerufen am 29.04.2024.