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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Aspermonte. Nicht auf ewig, nur diesen
Monat sollen Sie abwarten -- es ist ja nur
ein Monat.
Julius. Einen Monat? -- Ach ich mag
thun was ich will, so bin ich unglücklich -- Werd'
ich am Ende des Monats, Blankan, oder meinen
Vater weniger lieben?
Aspermonte. Das nicht, aber Sie wer-
den kühler werden -- und das ist nothwendig
-- denn auf jeden Fall müssen Sie wählen.
Julius. Gut, -- also einen Monat! --
aber das ist ein entsezlicher Zeitraum -- was
werd' ich in demselben leiden!
Aspermonte. Vieles. Aber Sie werden sich
auch oft zerstreuen, und wenn Sie Jhrem Schmerz
noch so getreu bleiben wolten, so werden Sie doch
endlich, wenn Sie lange an dem Gegenstand
desselben gehaftet haben, auf einen benachbarten
abgleiten und von diesem wieder auf einen andern,
und so kommen Sie, ohne es zu wissen, über die
Gränze der Traurigkeit! -- dies ist der einzige
wahre Trost der Sterblichen, und so kann ein
Sklave bey seiner Kette anfangen, und bey einem
Göttermahle aufhören, -- aber ich bitte Sie,
Prinz, geben Sie der Zerstreuung nach.
Julius. Jch will sehen.


Aſpermonte. Nicht auf ewig, nur dieſen
Monat ſollen Sie abwarten — es iſt ja nur
ein Monat.
Julius. Einen Monat? — Ach ich mag
thun was ich will, ſo bin ich ungluͤcklich — Werd’
ich am Ende des Monats, Blankan, oder meinen
Vater weniger lieben?
Aſpermonte. Das nicht, aber Sie wer-
den kuͤhler werden — und das iſt nothwendig
— denn auf jeden Fall muͤſſen Sie waͤhlen.
Julius. Gut, — alſo einen Monat! —
aber das iſt ein entſezlicher Zeitraum — was
werd’ ich in demſelben leiden!
Aſpermonte. Vieles. Aber Sie werden ſich
auch oft zerſtreuen, und wenn Sie Jhrem Schmerz
noch ſo getreu bleiben wolten, ſo werden Sie doch
endlich, wenn Sie lange an dem Gegenſtand
deſſelben gehaftet haben, auf einen benachbarten
abgleiten und von dieſem wieder auf einen andern,
und ſo kommen Sie, ohne es zu wiſſen, uͤber die
Graͤnze der Traurigkeit! — dies iſt der einzige
wahre Troſt der Sterblichen, und ſo kann ein
Sklave bey ſeiner Kette anfangen, und bey einem
Goͤttermahle aufhoͤren, — aber ich bitte Sie,
Prinz, geben Sie der Zerſtreuung nach.
Julius. Jch will ſehen.
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[50/0054] Aſpermonte. Nicht auf ewig, nur dieſen Monat ſollen Sie abwarten — es iſt ja nur ein Monat. Julius. Einen Monat? — Ach ich mag thun was ich will, ſo bin ich ungluͤcklich — Werd’ ich am Ende des Monats, Blankan, oder meinen Vater weniger lieben? Aſpermonte. Das nicht, aber Sie wer- den kuͤhler werden — und das iſt nothwendig — denn auf jeden Fall muͤſſen Sie waͤhlen. Julius. Gut, — alſo einen Monat! — aber das iſt ein entſezlicher Zeitraum — was werd’ ich in demſelben leiden! Aſpermonte. Vieles. Aber Sie werden ſich auch oft zerſtreuen, und wenn Sie Jhrem Schmerz noch ſo getreu bleiben wolten, ſo werden Sie doch endlich, wenn Sie lange an dem Gegenſtand deſſelben gehaftet haben, auf einen benachbarten abgleiten und von dieſem wieder auf einen andern, und ſo kommen Sie, ohne es zu wiſſen, uͤber die Graͤnze der Traurigkeit! — dies iſt der einzige wahre Troſt der Sterblichen, und ſo kann ein Sklave bey ſeiner Kette anfangen, und bey einem Goͤttermahle aufhoͤren, — aber ich bitte Sie, Prinz, geben Sie der Zerſtreuung nach. Julius. Jch will ſehen.

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/54>, abgerufen am 28.04.2024.