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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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den Gram eines Vaters, der die Freude an seinen
Kindern verliert.
Julius. Jch hoffe, Herr Vater, es ist Jhnen
bekannt, daß ich an dem Zwist nicht schuld bin.
Fürst. Diese Freude sollte mir alle Sorgen
eurer Erziehung vergelten, aber izt seh ichs --
ich gaubte Vergnügen zu säen, und siehe, ich erndte
Thränen. --

Was soll ich von der Zukunft hoffen? --
Da ihr jezt schon so handelt, was werdet ihr nicht
thun, wenn euch Liebe und Furcht gegen mich nicht
mehr zurück halten! -- mit welchen Empfindun-
gen wolt ihr, daß ich sterben soll, wenn ich euch an
meinem Todtbett sehe? euch beyde soll ich segnen,
und jeder von euch hält Fluch über den andern für
Segen auf sein Haupt? O Julius! o Guido!
die ganze Welt läst diese grauen Haare in Frieden
in die Grube fahren -- nur ihr nicht, nur ihr
nicht -- ich bitt' euch, lieben Kinder, lasst mich
in Ruhe sterben.
Julius. Jch versichre Jhnen bey allem, was
heilig ist, ich bin unschuldig -- und Sie würden
meine Mäßigung bewundern, wenn sie alle Be-
leidigung wüssten, die er mir zugefügt hat. --
O Bruder, es zerreisst mir das Herz, daß ich so
reden muß.


den Gram eines Vaters, der die Freude an ſeinen
Kindern verliert.
Julius. Jch hoffe, Herr Vater, es iſt Jhnen
bekannt, daß ich an dem Zwiſt nicht ſchuld bin.
Fuͤrſt. Dieſe Freude ſollte mir alle Sorgen
eurer Erziehung vergelten, aber izt ſeh ichs —
ich gaubte Vergnuͤgen zu ſaͤen, und ſiehe, ich erndte
Thraͤnen. —

Was ſoll ich von der Zukunft hoffen? —
Da ihr jezt ſchon ſo handelt, was werdet ihr nicht
thun, wenn euch Liebe und Furcht gegen mich nicht
mehr zuruͤck halten! — mit welchen Empfindun-
gen wolt ihr, daß ich ſterben ſoll, wenn ich euch an
meinem Todtbett ſehe? euch beyde ſoll ich ſegnen,
und jeder von euch haͤlt Fluch uͤber den andern fuͤr
Segen auf ſein Haupt? O Julius! o Guido!
die ganze Welt laͤſt dieſe grauen Haare in Frieden
in die Grube fahren — nur ihr nicht, nur ihr
nicht — ich bitt’ euch, lieben Kinder, laſſt mich
in Ruhe ſterben.
Julius. Jch verſichre Jhnen bey allem, was
heilig iſt, ich bin unſchuldig — und Sie wuͤrden
meine Maͤßigung bewundern, wenn ſie alle Be-
leidigung wuͤſſten, die er mir zugefuͤgt hat. —
O Bruder, es zerreiſſt mir das Herz, daß ich ſo
reden muß.
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[58/0062] den Gram eines Vaters, der die Freude an ſeinen Kindern verliert. Julius. Jch hoffe, Herr Vater, es iſt Jhnen bekannt, daß ich an dem Zwiſt nicht ſchuld bin. Fuͤrſt. Dieſe Freude ſollte mir alle Sorgen eurer Erziehung vergelten, aber izt ſeh ichs — ich gaubte Vergnuͤgen zu ſaͤen, und ſiehe, ich erndte Thraͤnen. — Was ſoll ich von der Zukunft hoffen? — Da ihr jezt ſchon ſo handelt, was werdet ihr nicht thun, wenn euch Liebe und Furcht gegen mich nicht mehr zuruͤck halten! — mit welchen Empfindun- gen wolt ihr, daß ich ſterben ſoll, wenn ich euch an meinem Todtbett ſehe? euch beyde ſoll ich ſegnen, und jeder von euch haͤlt Fluch uͤber den andern fuͤr Segen auf ſein Haupt? O Julius! o Guido! die ganze Welt laͤſt dieſe grauen Haare in Frieden in die Grube fahren — nur ihr nicht, nur ihr nicht — ich bitt’ euch, lieben Kinder, laſſt mich in Ruhe ſterben. Julius. Jch verſichre Jhnen bey allem, was heilig iſt, ich bin unſchuldig — und Sie wuͤrden meine Maͤßigung bewundern, wenn ſie alle Be- leidigung wuͤſſten, die er mir zugefuͤgt hat. — O Bruder, es zerreiſſt mir das Herz, daß ich ſo reden muß.

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/62>, abgerufen am 29.04.2024.