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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Blanka. Wie lange weint hier ein verlieb-
tes Mädchen, ehe die lezte Hofnung stirbt, die auf
die entfernteste Möglichkeit gebaute Hofnung?
Aebtissin. Die Hofnung stirbt nie, aber
wohl das Mädchen.
Blanka. Haben Sie Beyspiele? (umarmt
die Aebtissin)
Nennen Sie sie mir, noch ehe der
Tag anbricht, will ich ihr Grab mit Rosen und
Maaslieben, und meinen Thränen ehren.
Aebtissin. Spare Rosen und Thränen! --
bald möchtest Du sie für mein Grab brauchen.
Blanka. Nein, Aebtissin, Jhre Thränen
und Rosen für mich!

Jch will mit dem Tod einen Bund machen.
Martern für mich ersinnen! -- solche Seufzer
sollen diese Mauren nie gehört haben, Augustin
soll gestehn, seine Regel sey Weichlichkeit, Heilige,
durch mich mit der Liebe versöhnt, sollen für Mit-
leiden, und Märtyrer für Beschämung das
Gesicht verwenden.
Aebtissin. Tochter, deine Phantasie wird
wild!
Blanka. Rosen und Thränen für mich, die so
gebogne Natur wird doch endlich einmal brechen.
Aebtissin. Komm, es ist Zeit zur Hora, wir
sind ohnedem immer die lezten auf dem Chore.
Blanka. Ha! wenn nun die freye Seele zum
erstenmal über dem hohen Dome flattert. -- Jahr-


Blanka. Wie lange weint hier ein verlieb-
tes Maͤdchen, ehe die lezte Hofnung ſtirbt, die auf
die entfernteſte Moͤglichkeit gebaute Hofnung?
Aebtiſſin. Die Hofnung ſtirbt nie, aber
wohl das Maͤdchen.
Blanka. Haben Sie Beyſpiele? (umarmt
die Aebtiſſin)
Nennen Sie ſie mir, noch ehe der
Tag anbricht, will ich ihr Grab mit Roſen und
Maaslieben, und meinen Thraͤnen ehren.
Aebtiſſin. Spare Roſen und Thraͤnen! —
bald moͤchteſt Du ſie fuͤr mein Grab brauchen.
Blanka. Nein, Aebtiſſin, Jhre Thraͤnen
und Roſen fuͤr mich!

Jch will mit dem Tod einen Bund machen.
Martern fuͤr mich erſinnen! — ſolche Seufzer
ſollen dieſe Mauren nie gehoͤrt haben, Auguſtin
ſoll geſtehn, ſeine Regel ſey Weichlichkeit, Heilige,
durch mich mit der Liebe verſoͤhnt, ſollen fuͤr Mit-
leiden, und Maͤrtyrer fuͤr Beſchaͤmung das
Geſicht verwenden.
Aebtiſſin. Tochter, deine Phantaſie wird
wild!
Blanka. Roſen und Thraͤnen fuͤr mich, die ſo
gebogne Natur wird doch endlich einmal brechen.
Aebtiſſin. Komm, es iſt Zeit zur Hora, wir
ſind ohnedem immer die lezten auf dem Chore.
Blanka. Ha! wenn nun die freye Seele zum
erſtenmal uͤber dem hohen Dome flattert. — Jahr-
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[76/0080] Blanka. Wie lange weint hier ein verlieb- tes Maͤdchen, ehe die lezte Hofnung ſtirbt, die auf die entfernteſte Moͤglichkeit gebaute Hofnung? Aebtiſſin. Die Hofnung ſtirbt nie, aber wohl das Maͤdchen. Blanka. Haben Sie Beyſpiele? (umarmt die Aebtiſſin) Nennen Sie ſie mir, noch ehe der Tag anbricht, will ich ihr Grab mit Roſen und Maaslieben, und meinen Thraͤnen ehren. Aebtiſſin. Spare Roſen und Thraͤnen! — bald moͤchteſt Du ſie fuͤr mein Grab brauchen. Blanka. Nein, Aebtiſſin, Jhre Thraͤnen und Roſen fuͤr mich! Jch will mit dem Tod einen Bund machen. Martern fuͤr mich erſinnen! — ſolche Seufzer ſollen dieſe Mauren nie gehoͤrt haben, Auguſtin ſoll geſtehn, ſeine Regel ſey Weichlichkeit, Heilige, durch mich mit der Liebe verſoͤhnt, ſollen fuͤr Mit- leiden, und Maͤrtyrer fuͤr Beſchaͤmung das Geſicht verwenden. Aebtiſſin. Tochter, deine Phantaſie wird wild! Blanka. Roſen und Thraͤnen fuͤr mich, die ſo gebogne Natur wird doch endlich einmal brechen. Aebtiſſin. Komm, es iſt Zeit zur Hora, wir ſind ohnedem immer die lezten auf dem Chore. Blanka. Ha! wenn nun die freye Seele zum erſtenmal uͤber dem hohen Dome flattert. — Jahr-

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/80>, abgerufen am 29.04.2024.