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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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sich einen Moment über die Brüstung der Loge
hinaus, um sich nach ihren Bekannten umzu-
sehen, und ihr erster Blick fiel auf Reinhard,
dessen Augen sehnsüchtig an ihr hingen.

Seit der letzten Stunde, seit einigen Tagen
hatte sie ihn nicht gesehen, der es schwer genug
über sich gewonnen hatte, sie zu vermeiden.
Sie mußte wenigstens von ihm hören, von ihm
sprechen, darum hatte seine Mutter die Ein-
ladung zum Theater erhalten. Als Madame
Meier und Jenny vor der Thüre der Pfarrerin
vorfuhren, hatte Jenny das Herz vor Freude
bei dem Gedanken gebebt, nun werde Rein-
hard, wie er pflegte, die Mutter hinunter ge-
leiten, -- aber er kam nicht. Nur das Dienst-
mädchen leuchtete vor, und der Meiersche Die-
ner half der Matrone in den Wagen. Auf
die Frage von Madame Meier, ob Herr
Reinhard heute das Theater nicht auch besuche,
hatte seine Mutter erwidert, ihr Sohn sei

ſich einen Moment über die Brüſtung der Loge
hinaus, um ſich nach ihren Bekannten umzu-
ſehen, und ihr erſter Blick fiel auf Reinhard,
deſſen Augen ſehnſüchtig an ihr hingen.

Seit der letzten Stunde, ſeit einigen Tagen
hatte ſie ihn nicht geſehen, der es ſchwer genug
über ſich gewonnen hatte, ſie zu vermeiden.
Sie mußte wenigſtens von ihm hören, von ihm
ſprechen, darum hatte ſeine Mutter die Ein-
ladung zum Theater erhalten. Als Madame
Meier und Jenny vor der Thüre der Pfarrerin
vorfuhren, hatte Jenny das Herz vor Freude
bei dem Gedanken gebebt, nun werde Rein-
hard, wie er pflegte, die Mutter hinunter ge-
leiten, — aber er kam nicht. Nur das Dienſt-
mädchen leuchtete vor, und der Meierſche Die-
ner half der Matrone in den Wagen. Auf
die Frage von Madame Meier, ob Herr
Reinhard heute das Theater nicht auch beſuche,
hatte ſeine Mutter erwidert, ihr Sohn ſei

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[82/0094] ſich einen Moment über die Brüſtung der Loge hinaus, um ſich nach ihren Bekannten umzu- ſehen, und ihr erſter Blick fiel auf Reinhard, deſſen Augen ſehnſüchtig an ihr hingen. Seit der letzten Stunde, ſeit einigen Tagen hatte ſie ihn nicht geſehen, der es ſchwer genug über ſich gewonnen hatte, ſie zu vermeiden. Sie mußte wenigſtens von ihm hören, von ihm ſprechen, darum hatte ſeine Mutter die Ein- ladung zum Theater erhalten. Als Madame Meier und Jenny vor der Thüre der Pfarrerin vorfuhren, hatte Jenny das Herz vor Freude bei dem Gedanken gebebt, nun werde Rein- hard, wie er pflegte, die Mutter hinunter ge- leiten, — aber er kam nicht. Nur das Dienſt- mädchen leuchtete vor, und der Meierſche Die- ner half der Matrone in den Wagen. Auf die Frage von Madame Meier, ob Herr Reinhard heute das Theater nicht auch beſuche, hatte ſeine Mutter erwidert, ihr Sohn ſei

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/94>, abgerufen am 27.04.2024.