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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
geschlossen. Unter allen Umständen aber, wo es geschieht, ver-
liert der Boden seine Fruchtbarkeit.

In der Nähe von Salzhausen auf den sogenannten Grün-
schwalheimer Wiesen bemerkt man stellenweise unfruchtbare Fle-
cken, die mit einem gelblichen Grase bedeckt sind. Wird in
einem derselben ein Loch von 20 -- 25 Fuß Tiefe gebohrt, so
entwickelt sich daraus ein Strom kohlensaures Gas mit einer
so großen Heftigkeit, daß man das Geräusch beim Ausströmen
mehrere Schritte davon entfernt deutlich hört. Das von unten
in die Höhe steigende kohlensaure Gas verdrängt aus dem
Boden alle Luft, und mit derselben allen Sauerstoff, aber
ohne Sauerstoff kann sich kein Saame, keine Wurzelfaser ent-
wickeln, in Stickgas, in kohlensaurem Gas allein, vegetirt keine
Pflanze.

Insofern der Humus die junge Pflanze zu einer Zeit mit
Nahrung durch die Wurzeln versieht, wo die äußeren Organe
der Ernährung, die Blätter, erst gebildet werden, insofern die
Nahrung, welche er liefert, dazu beiträgt, die Anzahl der Or-
gane der atmosphärischen Ernährung zu vervielfältigen, erhöht
sein Vorhandensein die Fruchtbarkeit des Bodens.

Für manche Pflanzengattungen, namentlich für diejenigen,
welche ihre erste Nahrung von der Substanz der Saamen selbst
empfangen, Wurzeln und Zwiebelgewächse, können den Humus
völlig entbehren, seine Gegenwart ist nützlich, insofern ihre
Entwickelung beschleunigt und gesteigert wird, sie ist aber nicht
nothwendig, in einer gewissen Beziehung ist ein Uebermaaß in
dem Anfang der Entwickelung einer Pflanze schädlich.

Die Nahrung, welche die junge Pflanze aus der Luft in
der Form von Kohlensäure und Ammoniak aufnehmen kann,
ist in gewisse Grenzen eingeschlossen, sie kann nicht mehr assi-
miliren, als die Luft enthält.

Die Cultur.
geſchloſſen. Unter allen Umſtänden aber, wo es geſchieht, ver-
liert der Boden ſeine Fruchtbarkeit.

In der Nähe von Salzhauſen auf den ſogenannten Grün-
ſchwalheimer Wieſen bemerkt man ſtellenweiſe unfruchtbare Fle-
cken, die mit einem gelblichen Graſe bedeckt ſind. Wird in
einem derſelben ein Loch von 20 — 25 Fuß Tiefe gebohrt, ſo
entwickelt ſich daraus ein Strom kohlenſaures Gas mit einer
ſo großen Heftigkeit, daß man das Geräuſch beim Ausſtrömen
mehrere Schritte davon entfernt deutlich hört. Das von unten
in die Höhe ſteigende kohlenſaure Gas verdrängt aus dem
Boden alle Luft, und mit derſelben allen Sauerſtoff, aber
ohne Sauerſtoff kann ſich kein Saame, keine Wurzelfaſer ent-
wickeln, in Stickgas, in kohlenſaurem Gas allein, vegetirt keine
Pflanze.

Inſofern der Humus die junge Pflanze zu einer Zeit mit
Nahrung durch die Wurzeln verſieht, wo die äußeren Organe
der Ernährung, die Blätter, erſt gebildet werden, inſofern die
Nahrung, welche er liefert, dazu beiträgt, die Anzahl der Or-
gane der atmoſphäriſchen Ernährung zu vervielfältigen, erhöht
ſein Vorhandenſein die Fruchtbarkeit des Bodens.

Für manche Pflanzengattungen, namentlich für diejenigen,
welche ihre erſte Nahrung von der Subſtanz der Saamen ſelbſt
empfangen, Wurzeln und Zwiebelgewächſe, können den Humus
völlig entbehren, ſeine Gegenwart iſt nützlich, inſofern ihre
Entwickelung beſchleunigt und geſteigert wird, ſie iſt aber nicht
nothwendig, in einer gewiſſen Beziehung iſt ein Uebermaaß in
dem Anfang der Entwickelung einer Pflanze ſchädlich.

Die Nahrung, welche die junge Pflanze aus der Luft in
der Form von Kohlenſäure und Ammoniak aufnehmen kann,
iſt in gewiſſe Grenzen eingeſchloſſen, ſie kann nicht mehr aſſi-
miliren, als die Luft enthält.

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[111/0129] Die Cultur. geſchloſſen. Unter allen Umſtänden aber, wo es geſchieht, ver- liert der Boden ſeine Fruchtbarkeit. In der Nähe von Salzhauſen auf den ſogenannten Grün- ſchwalheimer Wieſen bemerkt man ſtellenweiſe unfruchtbare Fle- cken, die mit einem gelblichen Graſe bedeckt ſind. Wird in einem derſelben ein Loch von 20 — 25 Fuß Tiefe gebohrt, ſo entwickelt ſich daraus ein Strom kohlenſaures Gas mit einer ſo großen Heftigkeit, daß man das Geräuſch beim Ausſtrömen mehrere Schritte davon entfernt deutlich hört. Das von unten in die Höhe ſteigende kohlenſaure Gas verdrängt aus dem Boden alle Luft, und mit derſelben allen Sauerſtoff, aber ohne Sauerſtoff kann ſich kein Saame, keine Wurzelfaſer ent- wickeln, in Stickgas, in kohlenſaurem Gas allein, vegetirt keine Pflanze. Inſofern der Humus die junge Pflanze zu einer Zeit mit Nahrung durch die Wurzeln verſieht, wo die äußeren Organe der Ernährung, die Blätter, erſt gebildet werden, inſofern die Nahrung, welche er liefert, dazu beiträgt, die Anzahl der Or- gane der atmoſphäriſchen Ernährung zu vervielfältigen, erhöht ſein Vorhandenſein die Fruchtbarkeit des Bodens. Für manche Pflanzengattungen, namentlich für diejenigen, welche ihre erſte Nahrung von der Subſtanz der Saamen ſelbſt empfangen, Wurzeln und Zwiebelgewächſe, können den Humus völlig entbehren, ſeine Gegenwart iſt nützlich, inſofern ihre Entwickelung beſchleunigt und geſteigert wird, ſie iſt aber nicht nothwendig, in einer gewiſſen Beziehung iſt ein Uebermaaß in dem Anfang der Entwickelung einer Pflanze ſchädlich. Die Nahrung, welche die junge Pflanze aus der Luft in der Form von Kohlenſäure und Ammoniak aufnehmen kann, iſt in gewiſſe Grenzen eingeſchloſſen, ſie kann nicht mehr aſſi- miliren, als die Luft enthält.

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/129>, abgerufen am 27.04.2024.