Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

ehrliches thun und leiden, und hab' sie mit Thränen
gebeten, sie soll mir helfen, nichts Unehrliches thun
und leiden. Ich hab' so lang versprochen und so lang
gebeten, bis alle Angst fortgewesen ist, und ich hab'
gewußt, ich bin ein ehrlich Weib und ich will ein ehr¬
lich Weib bleiben. Und Niemand darf mich verachten.
Was du mir thun willst, davor fürcht' ich mich nicht
und wehr' mich nicht. Du thust's auf dein Gewissen.
Aber dem Kinde sollst du nichts thun. Du weißt
nicht, wie stark ich bin, und was ich thun kann. Ich
leid' es nicht; das sag' ich dir!

Sein Blick flog scheu an der schlanken Gestalt
vorüber, er berührte nicht das bleiche schöne Antlitz;
er wußte, ein Engel stand darauf und drohte ihm.
O er wußte, er fühlte, wie stark sie war; er empfand,
wie mächtig der Entschluß eines ehrlichen Herzens
schirmt. Aber nur gegen ihn! er empfand es an seiner
Schwäche. Er fühlte, ihr mußte glauben, wer glauben
durfte. Dies Recht hatte er im unehrlichen Spiele
verspielt. Er hätte ihr glauben müssen, wußt' er nicht,
es mußte kommen, was kommen mußte. Sie nicht,
Niemand konnte es verhindern. Einen Rettungsweg
zeigte ihm sein Engel, eh' er ihn verließ. Wenn er
redlich, unablässig sich mühte, gut zu machen, was er
an ihr verschuldet. Wenn er ihr die Liebe thätig
zeigte, die die Angst vor dem Verluste ihn gelehrt.
Hatt' er nicht Helfer? Mußten die Kinder nicht seine

ehrliches thun und leiden, und hab' ſie mit Thränen
gebeten, ſie ſoll mir helfen, nichts Unehrliches thun
und leiden. Ich hab' ſo lang verſprochen und ſo lang
gebeten, bis alle Angſt fortgeweſen iſt, und ich hab'
gewußt, ich bin ein ehrlich Weib und ich will ein ehr¬
lich Weib bleiben. Und Niemand darf mich verachten.
Was du mir thun willſt, davor fürcht' ich mich nicht
und wehr' mich nicht. Du thuſt's auf dein Gewiſſen.
Aber dem Kinde ſollſt du nichts thun. Du weißt
nicht, wie ſtark ich bin, und was ich thun kann. Ich
leid' es nicht; das ſag' ich dir!

Sein Blick flog ſcheu an der ſchlanken Geſtalt
vorüber, er berührte nicht das bleiche ſchöne Antlitz;
er wußte, ein Engel ſtand darauf und drohte ihm.
O er wußte, er fühlte, wie ſtark ſie war; er empfand,
wie mächtig der Entſchluß eines ehrlichen Herzens
ſchirmt. Aber nur gegen ihn! er empfand es an ſeiner
Schwäche. Er fühlte, ihr mußte glauben, wer glauben
durfte. Dies Recht hatte er im unehrlichen Spiele
verſpielt. Er hätte ihr glauben müſſen, wußt' er nicht,
es mußte kommen, was kommen mußte. Sie nicht,
Niemand konnte es verhindern. Einen Rettungsweg
zeigte ihm ſein Engel, eh' er ihn verließ. Wenn er
redlich, unabläſſig ſich mühte, gut zu machen, was er
an ihr verſchuldet. Wenn er ihr die Liebe thätig
zeigte, die die Angſt vor dem Verluſte ihn gelehrt.
Hatt' er nicht Helfer? Mußten die Kinder nicht ſeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="120"/>
ehrliches thun und leiden, und hab' &#x017F;ie mit Thränen<lb/>
gebeten, &#x017F;ie &#x017F;oll mir helfen, nichts Unehrliches thun<lb/>
und leiden. Ich hab' &#x017F;o lang ver&#x017F;prochen und &#x017F;o lang<lb/>
gebeten, bis alle Ang&#x017F;t fortgewe&#x017F;en i&#x017F;t, und ich hab'<lb/>
gewußt, ich bin ein ehrlich Weib und ich will ein ehr¬<lb/>
lich Weib bleiben. Und Niemand darf mich verachten.<lb/>
Was du mir thun will&#x017F;t, davor fürcht' ich mich nicht<lb/>
und wehr' mich nicht. Du thu&#x017F;t's auf dein Gewi&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Aber dem Kinde &#x017F;oll&#x017F;t du nichts thun. Du weißt<lb/>
nicht, wie &#x017F;tark ich bin, und was ich thun kann. Ich<lb/>
leid' es nicht; das &#x017F;ag' ich dir!</p><lb/>
        <p>Sein Blick flog &#x017F;cheu an der &#x017F;chlanken Ge&#x017F;talt<lb/>
vorüber, er berührte nicht das bleiche &#x017F;chöne Antlitz;<lb/>
er wußte, ein Engel &#x017F;tand darauf und drohte ihm.<lb/>
O er wußte, er fühlte, wie &#x017F;tark &#x017F;ie war; er empfand,<lb/>
wie mächtig der Ent&#x017F;chluß eines ehrlichen Herzens<lb/>
&#x017F;chirmt. Aber nur gegen ihn! er empfand es an &#x017F;einer<lb/>
Schwäche. Er fühlte, ihr mußte glauben, wer glauben<lb/>
durfte. Dies Recht hatte er im unehrlichen Spiele<lb/>
ver&#x017F;pielt. Er hätte ihr glauben mü&#x017F;&#x017F;en, wußt' er nicht,<lb/>
es mußte kommen, was kommen mußte. Sie nicht,<lb/>
Niemand konnte es verhindern. Einen Rettungsweg<lb/>
zeigte ihm &#x017F;ein Engel, eh' er ihn verließ. Wenn er<lb/>
redlich, unablä&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;ich mühte, gut zu machen, was er<lb/>
an ihr ver&#x017F;chuldet. Wenn er ihr die Liebe thätig<lb/>
zeigte, die die Ang&#x017F;t vor dem Verlu&#x017F;te ihn gelehrt.<lb/>
Hatt' er nicht Helfer? Mußten die Kinder nicht &#x017F;eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0129] ehrliches thun und leiden, und hab' ſie mit Thränen gebeten, ſie ſoll mir helfen, nichts Unehrliches thun und leiden. Ich hab' ſo lang verſprochen und ſo lang gebeten, bis alle Angſt fortgeweſen iſt, und ich hab' gewußt, ich bin ein ehrlich Weib und ich will ein ehr¬ lich Weib bleiben. Und Niemand darf mich verachten. Was du mir thun willſt, davor fürcht' ich mich nicht und wehr' mich nicht. Du thuſt's auf dein Gewiſſen. Aber dem Kinde ſollſt du nichts thun. Du weißt nicht, wie ſtark ich bin, und was ich thun kann. Ich leid' es nicht; das ſag' ich dir! Sein Blick flog ſcheu an der ſchlanken Geſtalt vorüber, er berührte nicht das bleiche ſchöne Antlitz; er wußte, ein Engel ſtand darauf und drohte ihm. O er wußte, er fühlte, wie ſtark ſie war; er empfand, wie mächtig der Entſchluß eines ehrlichen Herzens ſchirmt. Aber nur gegen ihn! er empfand es an ſeiner Schwäche. Er fühlte, ihr mußte glauben, wer glauben durfte. Dies Recht hatte er im unehrlichen Spiele verſpielt. Er hätte ihr glauben müſſen, wußt' er nicht, es mußte kommen, was kommen mußte. Sie nicht, Niemand konnte es verhindern. Einen Rettungsweg zeigte ihm ſein Engel, eh' er ihn verließ. Wenn er redlich, unabläſſig ſich mühte, gut zu machen, was er an ihr verſchuldet. Wenn er ihr die Liebe thätig zeigte, die die Angſt vor dem Verluſte ihn gelehrt. Hatt' er nicht Helfer? Mußten die Kinder nicht ſeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/129
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/129>, abgerufen am 28.04.2024.