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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
sind also X, Y, Z die partiellen Ableitungen derselben
Function der Coordinaten, so ist der ganze Ausdruck
unter dem Summenzeichen die totale Variation [d]V von V.
Ist dieselbe = o, so ist V selbst im allgemeinen ein
Maximum oder Minimum.

5. Wir wollen zunächst den Gebrauch der Gleichung 1
durch ein einfaches Beispiel erläutern. Sind alle An-
griffspunkte der Kräfte voneinander unabhängig, so
liegt eigentlich keine Aufgabe vor. Jeder Punkt ist
dann nur im Gleichgewicht, wenn die ihn ergreifenden
Kräfte, also auch deren Componenten = o sind. Alle
[d]x, [d]y, [d]z ... sind dann vollkommen willkürlich, und die
Gleichung 1 kann also nur allgemein bestehen, wenn die
Coefficienten aller [d]x, [d]y, [d]z .... der Null gleich sind.

Bestehen aber Gleichungen zwischen den Coordi-
naten der einzelnen Punkte, d. h. sind die Punkte nicht
unabhängig voneinander beweglich, so sind diese von der
Form F(x1, y1, z1, x2, y2, z2 ....)=o oder kürzer
F=o. Dann bestehen auch zwischen den Verschiebungen
Gleichungen von der Form
[Formel 1] die wir kurz mit DF=o bezeichnen wollen. Besteht
ein System aus n Punkten, so entsprechen diesen 3n
Coordinaten und die Gleichung 1 enthält 3n Grössen
[d]x, [d]y, [d]z .... Bestehen nun zwischen den Coordinaten
m Gleichungen von der Form F=o, so sind hiermit
zugleich m Gleichungen DF=o zwischen den Varia-
tionen [d]x, [d]y, [d]z ... gegeben. Aus denselben lassen
sich m Variationen durch die übrigen ausdrücken, und
in Gleichung 1 einsetzen. Es bleiben also 3n--m will-
kürliche Verschiebungen in 1 übrig, deren Coefficienten
= o gesetzt werden. Hierdurch entstehen 3n--m
Gleichungen zwischen den Kräften und Coordinaten,
zu welchen die m Gleichungen (F=o) hinzugefügt
werden. Man hat also im ganzen 3n Gleichungen, die

Die formelle Entwickelung der Mechanik.
sind also X, Y, Z die partiellen Ableitungen derselben
Function der Coordinaten, so ist der ganze Ausdruck
unter dem Summenzeichen die totale Variation [δ]V von V.
Ist dieselbe = o, so ist V selbst im allgemeinen ein
Maximum oder Minimum.

5. Wir wollen zunächst den Gebrauch der Gleichung 1
durch ein einfaches Beispiel erläutern. Sind alle An-
griffspunkte der Kräfte voneinander unabhängig, so
liegt eigentlich keine Aufgabe vor. Jeder Punkt ist
dann nur im Gleichgewicht, wenn die ihn ergreifenden
Kräfte, also auch deren Componenten = o sind. Alle
[δ]x, [δ]y, [δ]z … sind dann vollkommen willkürlich, und die
Gleichung 1 kann also nur allgemein bestehen, wenn die
Coefficienten aller [δ]x, [δ]y, [δ]z .... der Null gleich sind.

Bestehen aber Gleichungen zwischen den Coordi-
naten der einzelnen Punkte, d. h. sind die Punkte nicht
unabhängig voneinander beweglich, so sind diese von der
Form F(x1, y1, z1, x2, y2, z2 ....)=o oder kürzer
F=o. Dann bestehen auch zwischen den Verschiebungen
Gleichungen von der Form
[Formel 1] die wir kurz mit DF=o bezeichnen wollen. Besteht
ein System aus n Punkten, so entsprechen diesen 3n
Coordinaten und die Gleichung 1 enthält 3n Grössen
[δ]x, [δ]y, [δ]z .... Bestehen nun zwischen den Coordinaten
m Gleichungen von der Form F=o, so sind hiermit
zugleich m Gleichungen DF=o zwischen den Varia-
tionen [δ]x, [δ]y, [δ]z … gegeben. Aus denselben lassen
sich m Variationen durch die übrigen ausdrücken, und
in Gleichung 1 einsetzen. Es bleiben also 3n—m will-
kürliche Verschiebungen in 1 übrig, deren Coefficienten
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[441/0453] Die formelle Entwickelung der Mechanik. sind also X, Y, Z die partiellen Ableitungen derselben Function der Coordinaten, so ist der ganze Ausdruck unter dem Summenzeichen die totale Variation δV von V. Ist dieselbe = o, so ist V selbst im allgemeinen ein Maximum oder Minimum. 5. Wir wollen zunächst den Gebrauch der Gleichung 1 durch ein einfaches Beispiel erläutern. Sind alle An- griffspunkte der Kräfte voneinander unabhängig, so liegt eigentlich keine Aufgabe vor. Jeder Punkt ist dann nur im Gleichgewicht, wenn die ihn ergreifenden Kräfte, also auch deren Componenten = o sind. Alle δx, δy, δz … sind dann vollkommen willkürlich, und die Gleichung 1 kann also nur allgemein bestehen, wenn die Coefficienten aller δx, δy, δz .... der Null gleich sind. Bestehen aber Gleichungen zwischen den Coordi- naten der einzelnen Punkte, d. h. sind die Punkte nicht unabhängig voneinander beweglich, so sind diese von der Form F(x1, y1, z1, x2, y2, z2 ....)=o oder kürzer F=o. Dann bestehen auch zwischen den Verschiebungen Gleichungen von der Form [FORMEL] die wir kurz mit DF=o bezeichnen wollen. Besteht ein System aus n Punkten, so entsprechen diesen 3n Coordinaten und die Gleichung 1 enthält 3n Grössen δx, δy, δz .... Bestehen nun zwischen den Coordinaten m Gleichungen von der Form F=o, so sind hiermit zugleich m Gleichungen DF=o zwischen den Varia- tionen δx, δy, δz … gegeben. Aus denselben lassen sich m Variationen durch die übrigen ausdrücken, und in Gleichung 1 einsetzen. Es bleiben also 3n—m will- kürliche Verschiebungen in 1 übrig, deren Coefficienten = o gesetzt werden. Hierdurch entstehen 3n—m Gleichungen zwischen den Kräften und Coordinaten, zu welchen die m Gleichungen (F=o) hinzugefügt werden. Man hat also im ganzen 3n Gleichungen, die

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/453>, abgerufen am 27.04.2024.