Die Hebel der Staatsgewalt sind Gold und Eisen. Wie sehr man geneigt ist, im Reiche der Geister ideale Principe geltend zu machen, im prak¬ tischen Leben herrschen nur jene Metallkönige. Dies gibt dem Finanz- und Militärsystem das große Über¬ gewicht im Staatshaushalt. Alle andere Zweige der Verwaltung sind davon abhängig und dienen ihnen. Die Helden der neuern Politik haben beständig ge¬ wetteifert, welches jener Metalle die größte Gewalt gewähre, und die geschicktesten haben beide zu gebrau¬ chen verstanden.
Das Centralisationssystem dient hauptsächlich nur der Aushebung der Steuern und Soldaten. Eine vollkommen gegliederte Bureaukratie ist nöthig, um eine beständige tabellarische Übersicht über das Ver¬ mögen und alle physischen Kräfte der Staatsangehö¬ rigen zu erhalten, die Basis für die finanziellen Ope¬ rationen. Die Menschen werden rein als Sache ge¬ nommen und nach dem Ertragwerth geschätzt, wie das Vieh. Bei den Russen steckt wenigstens das Vermögen in den Seelen, bei uns die Seele im Ver¬ mögen. Der Staat ist ein Bergwerk, und seine Stollen laufen in den Beuteln des Volks aus. Die Finanz¬ schwindeleien sind Experimente mit der Luftpumpe, die dem kalten Frosch, Volk genannt, die Lebensluft auspumpen, um zu erfahren, wie lange er wohl noch zappeln und leben könne, wenn er von nichts mehr lebt. Die hochgepriesene Rechenkunst hat es noch nirgends weiter gebracht, als in den Brüchen, und
Die Hebel der Staatsgewalt ſind Gold und Eiſen. Wie ſehr man geneigt iſt, im Reiche der Geiſter ideale Principe geltend zu machen, im prak¬ tiſchen Leben herrſchen nur jene Metallkoͤnige. Dies gibt dem Finanz- und Militaͤrſyſtem das große Über¬ gewicht im Staatshaushalt. Alle andere Zweige der Verwaltung ſind davon abhaͤngig und dienen ihnen. Die Helden der neuern Politik haben beſtaͤndig ge¬ wetteifert, welches jener Metalle die groͤßte Gewalt gewaͤhre, und die geſchickteſten haben beide zu gebrau¬ chen verſtanden.
Das Centraliſationsſyſtem dient hauptſaͤchlich nur der Aushebung der Steuern und Soldaten. Eine vollkommen gegliederte Bureaukratie iſt noͤthig, um eine beſtaͤndige tabellariſche Überſicht uͤber das Ver¬ moͤgen und alle phyſiſchen Kraͤfte der Staatsangehoͤ¬ rigen zu erhalten, die Baſis fuͤr die finanziellen Ope¬ rationen. Die Menſchen werden rein als Sache ge¬ nommen und nach dem Ertragwerth geſchaͤtzt, wie das Vieh. Bei den Ruſſen ſteckt wenigſtens das Vermoͤgen in den Seelen, bei uns die Seele im Ver¬ moͤgen. Der Staat iſt ein Bergwerk, und ſeine Stollen laufen in den Beuteln des Volks aus. Die Finanz¬ ſchwindeleien ſind Experimente mit der Luftpumpe, die dem kalten Froſch, Volk genannt, die Lebensluft auspumpen, um zu erfahren, wie lange er wohl noch zappeln und leben koͤnne, wenn er von nichts mehr lebt. Die hochgeprieſene Rechenkunſt hat es noch nirgends weiter gebracht, als in den Bruͤchen, und
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Die Hebel der Staatsgewalt ſind Gold und
Eiſen. Wie ſehr man geneigt iſt, im Reiche der
Geiſter ideale Principe geltend zu machen, im prak¬
tiſchen Leben herrſchen nur jene Metallkoͤnige. Dies
gibt dem Finanz- und Militaͤrſyſtem das große Über¬
gewicht im Staatshaushalt. Alle andere Zweige der
Verwaltung ſind davon abhaͤngig und dienen ihnen.
Die Helden der neuern Politik haben beſtaͤndig ge¬
wetteifert, welches jener Metalle die groͤßte Gewalt
gewaͤhre, und die geſchickteſten haben beide zu gebrau¬
chen verſtanden.
Das Centraliſationsſyſtem dient hauptſaͤchlich nur
der Aushebung der Steuern und Soldaten. Eine
vollkommen gegliederte Bureaukratie iſt noͤthig, um
eine beſtaͤndige tabellariſche Überſicht uͤber das Ver¬
moͤgen und alle phyſiſchen Kraͤfte der Staatsangehoͤ¬
rigen zu erhalten, die Baſis fuͤr die finanziellen Ope¬
rationen. Die Menſchen werden rein als Sache ge¬
nommen und nach dem Ertragwerth geſchaͤtzt, wie
das Vieh. Bei den Ruſſen ſteckt wenigſtens das
Vermoͤgen in den Seelen, bei uns die Seele im Ver¬
moͤgen. Der Staat iſt ein Bergwerk, und ſeine Stollen
laufen in den Beuteln des Volks aus. Die Finanz¬
ſchwindeleien ſind Experimente mit der Luftpumpe,
die dem kalten Froſch, Volk genannt, die Lebensluft
auspumpen, um zu erfahren, wie lange er wohl noch
zappeln und leben koͤnne, wenn er von nichts mehr
lebt. Die hochgeprieſene Rechenkunſt hat es noch
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/256>, abgerufen am 30.04.2024.
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