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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Erziehung.

Die Erziehung ist von jeher eine der wichtigsten
Angelegenheiten aller gebildeten Völker gewesen. Auf
ihr beruht die Erhaltung und der Fortschritt der ein¬
mal gewonnenen Bildung. Der Umfang dieser Bil¬
dung aber macht eine Disciplin nothwendig, wäh¬
rend bei rohen Völkern die Natur selbst das Geschäft
der Erziehung übernimmt. Die Disciplin ist der herr¬
schenden religiösen und politischen Ansicht unterwor¬
fen, Kirche und Staat beaufsichtigen und leiten den
Unterricht. Bei den Deutschen behauptet aber auch
vorzugsweise die Familie ein herkömmliches und hei¬
liges Ansehn in der Erziehung und verhindert, daß
die politisch-religiöse Disciplin nicht in starre Ein¬
förmigkeit entarte, und zugleich hat die Trennung
der Staaten und Confessionen es möglich gemacht,
daß mitten unter ihnen eine freie philosophische Pä¬
dagogik Raum gewonnen hat. Indem die Erziehung
weder vom Familienleben, noch von der allgemeinen
deutschen Bildung sich hat losreißen können, ist es

Erziehung.

Die Erziehung iſt von jeher eine der wichtigſten
Angelegenheiten aller gebildeten Voͤlker geweſen. Auf
ihr beruht die Erhaltung und der Fortſchritt der ein¬
mal gewonnenen Bildung. Der Umfang dieſer Bil¬
dung aber macht eine Disciplin nothwendig, waͤh¬
rend bei rohen Voͤlkern die Natur ſelbſt das Geſchaͤft
der Erziehung uͤbernimmt. Die Disciplin iſt der herr¬
ſchenden religioͤſen und politiſchen Anſicht unterwor¬
fen, Kirche und Staat beaufſichtigen und leiten den
Unterricht. Bei den Deutſchen behauptet aber auch
vorzugsweiſe die Familie ein herkoͤmmliches und hei¬
liges Anſehn in der Erziehung und verhindert, daß
die politiſch-religioͤſe Disciplin nicht in ſtarre Ein¬
foͤrmigkeit entarte, und zugleich hat die Trennung
der Staaten und Confeſſionen es moͤglich gemacht,
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dagogik Raum gewonnen hat. Indem die Erziehung
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[260/0270] Erziehung. Die Erziehung iſt von jeher eine der wichtigſten Angelegenheiten aller gebildeten Voͤlker geweſen. Auf ihr beruht die Erhaltung und der Fortſchritt der ein¬ mal gewonnenen Bildung. Der Umfang dieſer Bil¬ dung aber macht eine Disciplin nothwendig, waͤh¬ rend bei rohen Voͤlkern die Natur ſelbſt das Geſchaͤft der Erziehung uͤbernimmt. Die Disciplin iſt der herr¬ ſchenden religioͤſen und politiſchen Anſicht unterwor¬ fen, Kirche und Staat beaufſichtigen und leiten den Unterricht. Bei den Deutſchen behauptet aber auch vorzugsweiſe die Familie ein herkoͤmmliches und hei¬ liges Anſehn in der Erziehung und verhindert, daß die politiſch-religioͤſe Disciplin nicht in ſtarre Ein¬ foͤrmigkeit entarte, und zugleich hat die Trennung der Staaten und Confeſſionen es moͤglich gemacht, daß mitten unter ihnen eine freie philoſophiſche Paͤ¬ dagogik Raum gewonnen hat. Indem die Erziehung weder vom Familienleben, noch von der allgemeinen deutſchen Bildung ſich hat losreißen koͤnnen, iſt es

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/270>, abgerufen am 29.03.2024.