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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Fünftes Kapitel.

Jenatsch war hinausgeeilt. Ein Sturm wildstrei¬
tender Gedanken tobte in seinem Innern, den vor dem
Herzog niederzuhalten ihn Anstrengung gekostet hatte.
Er verabscheute die Möglichkeit, während dieses Seelen¬
kampfes irgend einem Menschen Rede stehen zu müssen.
Mit eilenden Schritten stieg er, das Gewühl des wachen
Dorfes unter sich lassend, die dämmerigen Bergwiesen
hinan und ließ seine zornigen Gefühle dahinstürmen
wie eine Schaar ins Gebiß knirschender Rosse; aber
sein berechnender Geist behielt die Zügel und lenkte die
brausenden Mächte seines Gemüths auf immer neuen
immer gefahrvolleren, aber wohlbemessenen Bahnen.

Das Ziel wonach er sein ganzes Leben lang ge¬
rungen, das seine Tage beschäftigt und seine Nächte
beunruhigt hatte, um das er mit den verschiedensten
Kräften seines Wesens gekämpft, -- das Ziel wonach

Fünftes Kapitel.

Jenatſch war hinausgeeilt. Ein Sturm wildſtrei¬
tender Gedanken tobte in ſeinem Innern, den vor dem
Herzog niederzuhalten ihn Anſtrengung gekoſtet hatte.
Er verabſcheute die Möglichkeit, während dieſes Seelen¬
kampfes irgend einem Menſchen Rede ſtehen zu müſſen.
Mit eilenden Schritten ſtieg er, das Gewühl des wachen
Dorfes unter ſich laſſend, die dämmerigen Bergwieſen
hinan und ließ ſeine zornigen Gefühle dahinſtürmen
wie eine Schaar ins Gebiß knirſchender Roſſe; aber
ſein berechnender Geiſt behielt die Zügel und lenkte die
brauſenden Mächte ſeines Gemüths auf immer neuen
immer gefahrvolleren, aber wohlbemeſſenen Bahnen.

Das Ziel wonach er ſein ganzes Leben lang ge¬
rungen, das ſeine Tage beſchäftigt und ſeine Nächte
beunruhigt hatte, um das er mit den verſchiedenſten
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[0278] Fünftes Kapitel. Jenatſch war hinausgeeilt. Ein Sturm wildſtrei¬ tender Gedanken tobte in ſeinem Innern, den vor dem Herzog niederzuhalten ihn Anſtrengung gekoſtet hatte. Er verabſcheute die Möglichkeit, während dieſes Seelen¬ kampfes irgend einem Menſchen Rede ſtehen zu müſſen. Mit eilenden Schritten ſtieg er, das Gewühl des wachen Dorfes unter ſich laſſend, die dämmerigen Bergwieſen hinan und ließ ſeine zornigen Gefühle dahinſtürmen wie eine Schaar ins Gebiß knirſchender Roſſe; aber ſein berechnender Geiſt behielt die Zügel und lenkte die brauſenden Mächte ſeines Gemüths auf immer neuen immer gefahrvolleren, aber wohlbemeſſenen Bahnen. Das Ziel wonach er ſein ganzes Leben lang ge¬ rungen, das ſeine Tage beſchäftigt und ſeine Nächte beunruhigt hatte, um das er mit den verſchiedenſten Kräften ſeines Weſens gekämpft, — das Ziel wonach

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/278>, abgerufen am 30.04.2024.