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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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auch wieder wohl gehen wird? Jch hoff es, ant-
wortete das Mädchen, und suchte eine Thräne zu
verbergen, die ihr ins Auge trat.

Den Nachmittag giengen sie miteinander
spatzieren, und bestiegen einen ziemlich hohen
Berg, von da sie die ganze Gegend übersehen
konnten. Sie setzten sich in ein ausgehauenes
Buchengebüsch, das eine Art von Laube bilde-
te, wo ein Rasensitz angebracht war. Unten am
Berge sahen sie das Dorf liegen; der Bach schlän-
gelte sich an seiner Seite hin, wo Kronhelm sei-
ne Hand verwundet hatte. Jn der Ferne sahen
sie die Donau durch ein weisses Weidengebüsch
hinströmen. Weiter weg sah man einen Berg,
der wegen seiner Ferne ganz in Blau gehüllt war.
Nicht wahr? Dort ist ihr Kloster? sagte The-
rese.
Hier will ich oft am Abend sitzen, nach
Jhrer Gegend hinsehen und an Sie und diesen
Abend denken. -- Wir haben auch einen Berg-
sagte Kronhelm, der bald wie dieser aussieht;
da will ich auch oft hingehen, und mich der ver-
gangnen Zeiten erinnern. Wir wollen uns zu-
schreiben, und einen Tag ausmachen, an dem wir
zugleich auf den beyden Bergen sind, und lebhaft
an einander denken. -- Aber, morgen, sagte Xa-



auch wieder wohl gehen wird? Jch hoff es, ant-
wortete das Maͤdchen, und ſuchte eine Thraͤne zu
verbergen, die ihr ins Auge trat.

Den Nachmittag giengen ſie miteinander
ſpatzieren, und beſtiegen einen ziemlich hohen
Berg, von da ſie die ganze Gegend uͤberſehen
konnten. Sie ſetzten ſich in ein ausgehauenes
Buchengebuͤſch, das eine Art von Laube bilde-
te, wo ein Raſenſitz angebracht war. Unten am
Berge ſahen ſie das Dorf liegen; der Bach ſchlaͤn-
gelte ſich an ſeiner Seite hin, wo Kronhelm ſei-
ne Hand verwundet hatte. Jn der Ferne ſahen
ſie die Donau durch ein weiſſes Weidengebuͤſch
hinſtroͤmen. Weiter weg ſah man einen Berg,
der wegen ſeiner Ferne ganz in Blau gehuͤllt war.
Nicht wahr? Dort iſt ihr Kloſter? ſagte The-
reſe.
Hier will ich oft am Abend ſitzen, nach
Jhrer Gegend hinſehen und an Sie und dieſen
Abend denken. — Wir haben auch einen Berg-
ſagte Kronhelm, der bald wie dieſer ausſieht;
da will ich auch oft hingehen, und mich der ver-
gangnen Zeiten erinnern. Wir wollen uns zu-
ſchreiben, und einen Tag ausmachen, an dem wir
zugleich auf den beyden Bergen ſind, und lebhaft
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[409/0413] auch wieder wohl gehen wird? Jch hoff es, ant- wortete das Maͤdchen, und ſuchte eine Thraͤne zu verbergen, die ihr ins Auge trat. Den Nachmittag giengen ſie miteinander ſpatzieren, und beſtiegen einen ziemlich hohen Berg, von da ſie die ganze Gegend uͤberſehen konnten. Sie ſetzten ſich in ein ausgehauenes Buchengebuͤſch, das eine Art von Laube bilde- te, wo ein Raſenſitz angebracht war. Unten am Berge ſahen ſie das Dorf liegen; der Bach ſchlaͤn- gelte ſich an ſeiner Seite hin, wo Kronhelm ſei- ne Hand verwundet hatte. Jn der Ferne ſahen ſie die Donau durch ein weiſſes Weidengebuͤſch hinſtroͤmen. Weiter weg ſah man einen Berg, der wegen ſeiner Ferne ganz in Blau gehuͤllt war. Nicht wahr? Dort iſt ihr Kloſter? ſagte The- reſe. Hier will ich oft am Abend ſitzen, nach Jhrer Gegend hinſehen und an Sie und dieſen Abend denken. — Wir haben auch einen Berg- ſagte Kronhelm, der bald wie dieſer ausſieht; da will ich auch oft hingehen, und mich der ver- gangnen Zeiten erinnern. Wir wollen uns zu- ſchreiben, und einen Tag ausmachen, an dem wir zugleich auf den beyden Bergen ſind, und lebhaft an einander denken. — Aber, morgen, ſagte Xa-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/413>, abgerufen am 28.04.2024.