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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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nun, wenns Jhnen recht ist, Sie bis vor den Wald
hinaus begleiten.

Es thut mir Leid, meine lieben Kinder, sagte
Anton, daß ihr euch wollt Mühe machen. Mir
habt ihr wenig zu verdanken; was ich gethan hab',
hab' ich gern gethan. Wenn ich meinem Näch-
sten helfen kann, das geht mir über alles, und so
muß es jeder brave Mann machen und thut es
auch. Jch hoff', ihr werdets redlich miteinander
meynen, und ein gutes christliches Ehepaar wer-
den. Jhr müßt nun eurem Vater gut begegnen,
Sixt, und ihm alles zu Lieb thun, da er's euch
auch gethan hat. Und ihr, Regina, müßt euren
neuen Schwiegereltern auch recht freundlich begeg-
nen, und euch nicht eimnal darum zu rächen su-
chen, daß der Vater euch seinen Sohn nicht gleich
hat geben wollen. Er hats mehr um des Gelds
als um euretwillen gethan; denn wider euch hat
er nie nichts gehabt. Jeder Mensch hat seine
Schwachheiten, und ihr müßt ihm die vergeben.

Ach ja herzlich gerne, sprach das Mädchen.
Lieber Gott, wer wird sich deswegen rächen wol-
len? Wenn ich nur meinen Sixt habe, dann will
ich mit der ganzen Welt in Fried und Einigkeit
leben. Jch müßte ja immer fürchten, den lieben



nun, wenns Jhnen recht iſt, Sie bis vor den Wald
hinaus begleiten.

Es thut mir Leid, meine lieben Kinder, ſagte
Anton, daß ihr euch wollt Muͤhe machen. Mir
habt ihr wenig zu verdanken; was ich gethan hab’,
hab’ ich gern gethan. Wenn ich meinem Naͤch-
ſten helfen kann, das geht mir uͤber alles, und ſo
muß es jeder brave Mann machen und thut es
auch. Jch hoff’, ihr werdets redlich miteinander
meynen, und ein gutes chriſtliches Ehepaar wer-
den. Jhr muͤßt nun eurem Vater gut begegnen,
Sixt, und ihm alles zu Lieb thun, da er’s euch
auch gethan hat. Und ihr, Regina, muͤßt euren
neuen Schwiegereltern auch recht freundlich begeg-
nen, und euch nicht eimnal darum zu raͤchen ſu-
chen, daß der Vater euch ſeinen Sohn nicht gleich
hat geben wollen. Er hats mehr um des Gelds
als um euretwillen gethan; denn wider euch hat
er nie nichts gehabt. Jeder Menſch hat ſeine
Schwachheiten, und ihr muͤßt ihm die vergeben.

Ach ja herzlich gerne, ſprach das Maͤdchen.
Lieber Gott, wer wird ſich deswegen raͤchen wol-
len? Wenn ich nur meinen Sixt habe, dann will
ich mit der ganzen Welt in Fried und Einigkeit
leben. Jch muͤßte ja immer fuͤrchten, den lieben

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[84/0088] nun, wenns Jhnen recht iſt, Sie bis vor den Wald hinaus begleiten. Es thut mir Leid, meine lieben Kinder, ſagte Anton, daß ihr euch wollt Muͤhe machen. Mir habt ihr wenig zu verdanken; was ich gethan hab’, hab’ ich gern gethan. Wenn ich meinem Naͤch- ſten helfen kann, das geht mir uͤber alles, und ſo muß es jeder brave Mann machen und thut es auch. Jch hoff’, ihr werdets redlich miteinander meynen, und ein gutes chriſtliches Ehepaar wer- den. Jhr muͤßt nun eurem Vater gut begegnen, Sixt, und ihm alles zu Lieb thun, da er’s euch auch gethan hat. Und ihr, Regina, muͤßt euren neuen Schwiegereltern auch recht freundlich begeg- nen, und euch nicht eimnal darum zu raͤchen ſu- chen, daß der Vater euch ſeinen Sohn nicht gleich hat geben wollen. Er hats mehr um des Gelds als um euretwillen gethan; denn wider euch hat er nie nichts gehabt. Jeder Menſch hat ſeine Schwachheiten, und ihr muͤßt ihm die vergeben. Ach ja herzlich gerne, ſprach das Maͤdchen. Lieber Gott, wer wird ſich deswegen raͤchen wol- len? Wenn ich nur meinen Sixt habe, dann will ich mit der ganzen Welt in Fried und Einigkeit leben. Jch muͤßte ja immer fuͤrchten, den lieben

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/88>, abgerufen am 30.04.2024.