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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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eines Musikers ein ganzes Künstlerblut, von Hause
aus übrigens schon an Entbehrung gewöhnt, bewies
Constanze allen guten Willen, dem Unheil an der
Quelle zu steuern, manches Verkehrte abzuschneiden
und den Verlust im Großen durch Sparsamkeit im
Kleinen zu ersetzen. Nur eben in letzterer Hinsicht
vielleicht ermangelte sie des rechten Geschicks und der
frühern Erfahrung. Sie hatte die Kasse und führte
das Hausbuch, jede Forderung, jede Schuldmahnung,
und was es Verdrießliches gab, ging ausschließlich
an sie. Da stieg ihr wohl mitunter das Wasser an
die Kehle, zumal wenn oft zu dieser Bedrängniß, zu
Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offen¬
barer Unehre, noch gar der Trübsinn ihres Mannes
kam, worin er tagelang verharrte, unthätig, keinem
Trost zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen
neben der Frau, oder stumm in einem Winkel vor
sich hin, den Einen traurigen Gedanken, zu sterben,
wie eine endlose Schraube verfolgte. Ihr guter Muth
verließ sie dennoch selten, ihr heller Blick fand meist,
wenn auch nur auf einige Zeit, Rath und Hülfe.
Im Wesentlichen wurde wenig oder nichts gebessert.
Gewann sie ihm mit Ernst und Scherz, mit Bitten
und Schmeicheln für heute so viel ab, daß er den

eines Muſikers ein ganzes Künſtlerblut, von Hauſe
aus übrigens ſchon an Entbehrung gewöhnt, bewies
Conſtanze allen guten Willen, dem Unheil an der
Quelle zu ſteuern, manches Verkehrte abzuſchneiden
und den Verluſt im Großen durch Sparſamkeit im
Kleinen zu erſetzen. Nur eben in letzterer Hinſicht
vielleicht ermangelte ſie des rechten Geſchicks und der
frühern Erfahrung. Sie hatte die Kaſſe und führte
das Hausbuch, jede Forderung, jede Schuldmahnung,
und was es Verdrießliches gab, ging ausſchließlich
an ſie. Da ſtieg ihr wohl mitunter das Waſſer an
die Kehle, zumal wenn oft zu dieſer Bedrängniß, zu
Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offen¬
barer Unehre, noch gar der Trübſinn ihres Mannes
kam, worin er tagelang verharrte, unthätig, keinem
Troſt zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen
neben der Frau, oder ſtumm in einem Winkel vor
ſich hin, den Einen traurigen Gedanken, zu ſterben,
wie eine endloſe Schraube verfolgte. Ihr guter Muth
verließ ſie dennoch ſelten, ihr heller Blick fand meiſt,
wenn auch nur auf einige Zeit, Rath und Hülfe.
Im Weſentlichen wurde wenig oder nichts gebeſſert.
Gewann ſie ihm mit Ernſt und Scherz, mit Bitten
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[16/0028] eines Muſikers ein ganzes Künſtlerblut, von Hauſe aus übrigens ſchon an Entbehrung gewöhnt, bewies Conſtanze allen guten Willen, dem Unheil an der Quelle zu ſteuern, manches Verkehrte abzuſchneiden und den Verluſt im Großen durch Sparſamkeit im Kleinen zu erſetzen. Nur eben in letzterer Hinſicht vielleicht ermangelte ſie des rechten Geſchicks und der frühern Erfahrung. Sie hatte die Kaſſe und führte das Hausbuch, jede Forderung, jede Schuldmahnung, und was es Verdrießliches gab, ging ausſchließlich an ſie. Da ſtieg ihr wohl mitunter das Waſſer an die Kehle, zumal wenn oft zu dieſer Bedrängniß, zu Mangel, peinlicher Verlegenheit und Furcht vor offen¬ barer Unehre, noch gar der Trübſinn ihres Mannes kam, worin er tagelang verharrte, unthätig, keinem Troſt zugänglich, indem er mit Seufzen und Klagen neben der Frau, oder ſtumm in einem Winkel vor ſich hin, den Einen traurigen Gedanken, zu ſterben, wie eine endloſe Schraube verfolgte. Ihr guter Muth verließ ſie dennoch ſelten, ihr heller Blick fand meiſt, wenn auch nur auf einige Zeit, Rath und Hülfe. Im Weſentlichen wurde wenig oder nichts gebeſſert. Gewann ſie ihm mit Ernſt und Scherz, mit Bitten und Schmeicheln für heute ſo viel ab, daß er den

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/28>, abgerufen am 27.04.2024.