Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

machte sich überhaupt auf eine ergötzliche Unterhaltung
gefaßt, nur Tillsen fühlte sich im Stillen durch jene
komische Berührung verlezt, wiewohl Niemand an et-
was Beleidigendes dachte.

"In einem andern Subjekt," fuhr der Schauspie-
ler fort, "in dem Kameraden des Vorigen zeig' ich Ih-
nen meinen eigenen ehmaligen Sancho; es machte
mir Freude, diese beiden Tröpfe einmal treulich zu
kopiren, Nolten verfehlte keinen Zug, und die Gesell-
schaft muß uns schon vergeben, wenn wir sie auf einen
Augenblick in das Dachstübchen dieser Schmutzbärte zu
schauen zwingen."

Indessen hatte Larkens den erforderlichen Ap-
parat aus seinem Hause holen lassen; der Diener
brachte ein braunes Kästchen, worin das Zaubergeräthe
verschlossen war; zugleich zog der Schauspieler ein
Manuseript hervor, blätterte und sagte: "In Absicht
auf die Art und Weise, wie die Tableaux den Text
begleiten, versteht sich von selbst, daß der Schauplatz
zuweilen, wiewohl nur selten, leer bleiben wird, daß
für den Maler nicht jede Scene gleich brauchbar seyn
konnte, daß er von einer Scene meist nur Einen Mo-
ment, Eine hervorstechende Gruppe darstellen konnte,
daß jedoch so viel Varietät als nur immer möglich in
die Bilder gebracht wurde. Nun hab' ich nur noch
Eine Bitte, den Vortrag des Dialogs betreffend. Ich
werde zwar sämmtliche männliche Personen aus meinem
Munde mit abwechselnder Stimme unter sich sprechen

machte ſich überhaupt auf eine ergötzliche Unterhaltung
gefaßt, nur Tillſen fühlte ſich im Stillen durch jene
komiſche Berührung verlezt, wiewohl Niemand an et-
was Beleidigendes dachte.

„In einem andern Subjekt,“ fuhr der Schauſpie-
ler fort, „in dem Kameraden des Vorigen zeig’ ich Ih-
nen meinen eigenen ehmaligen Sancho; es machte
mir Freude, dieſe beiden Tröpfe einmal treulich zu
kopiren, Nolten verfehlte keinen Zug, und die Geſell-
ſchaft muß uns ſchon vergeben, wenn wir ſie auf einen
Augenblick in das Dachſtübchen dieſer Schmutzbärte zu
ſchauen zwingen.“

Indeſſen hatte Larkens den erforderlichen Ap-
parat aus ſeinem Hauſe holen laſſen; der Diener
brachte ein braunes Käſtchen, worin das Zaubergeräthe
verſchloſſen war; zugleich zog der Schauſpieler ein
Manuſeript hervor, blätterte und ſagte: „In Abſicht
auf die Art und Weiſe, wie die Tableaux den Text
begleiten, verſteht ſich von ſelbſt, daß der Schauplatz
zuweilen, wiewohl nur ſelten, leer bleiben wird, daß
für den Maler nicht jede Scene gleich brauchbar ſeyn
konnte, daß er von einer Scene meiſt nur Einen Mo-
ment, Eine hervorſtechende Gruppe darſtellen konnte,
daß jedoch ſo viel Varietät als nur immer möglich in
die Bilder gebracht wurde. Nun hab’ ich nur noch
Eine Bitte, den Vortrag des Dialogs betreffend. Ich
werde zwar ſämmtliche männliche Perſonen aus meinem
Munde mit abwechſelnder Stimme unter ſich ſprechen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="146"/>
machte &#x017F;ich überhaupt auf eine ergötzliche Unterhaltung<lb/>
gefaßt, nur <hi rendition="#g">Till&#x017F;en</hi> fühlte &#x017F;ich im Stillen durch jene<lb/>
komi&#x017F;che Berührung verlezt, wiewohl Niemand an et-<lb/>
was Beleidigendes dachte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;In einem andern Subjekt,&#x201C; fuhr der Schau&#x017F;pie-<lb/>
ler fort, &#x201E;in dem Kameraden des Vorigen zeig&#x2019; ich Ih-<lb/>
nen meinen eigenen ehmaligen <hi rendition="#g">Sancho</hi>; es machte<lb/>
mir Freude, die&#x017F;e beiden Tröpfe einmal treulich zu<lb/>
kopiren, <hi rendition="#g">Nolten</hi> verfehlte keinen Zug, und die Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft muß uns &#x017F;chon vergeben, wenn wir &#x017F;ie auf einen<lb/>
Augenblick in das Dach&#x017F;tübchen die&#x017F;er Schmutzbärte zu<lb/>
&#x017F;chauen zwingen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en hatte <hi rendition="#g">Larkens</hi> den erforderlichen Ap-<lb/>
parat aus &#x017F;einem Hau&#x017F;e holen la&#x017F;&#x017F;en; der Diener<lb/>
brachte ein braunes Kä&#x017F;tchen, worin das Zaubergeräthe<lb/>
ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war; zugleich zog der Schau&#x017F;pieler ein<lb/>
Manu&#x017F;eript hervor, blätterte und &#x017F;agte: &#x201E;In Ab&#x017F;icht<lb/>
auf die Art und Wei&#x017F;e, wie die Tableaux den Text<lb/>
begleiten, ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß der Schauplatz<lb/>
zuweilen, wiewohl nur &#x017F;elten, leer bleiben wird, daß<lb/>
für den Maler nicht jede Scene gleich brauchbar &#x017F;eyn<lb/>
konnte, daß er von einer Scene mei&#x017F;t nur Einen Mo-<lb/>
ment, Eine hervor&#x017F;techende Gruppe dar&#x017F;tellen konnte,<lb/>
daß jedoch &#x017F;o viel Varietät als nur immer möglich in<lb/>
die Bilder gebracht wurde. Nun hab&#x2019; ich nur noch<lb/>
Eine Bitte, den Vortrag des Dialogs betreffend. Ich<lb/>
werde zwar &#x017F;ämmtliche männliche Per&#x017F;onen aus meinem<lb/>
Munde mit abwech&#x017F;elnder Stimme unter &#x017F;ich &#x017F;prechen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0154] machte ſich überhaupt auf eine ergötzliche Unterhaltung gefaßt, nur Tillſen fühlte ſich im Stillen durch jene komiſche Berührung verlezt, wiewohl Niemand an et- was Beleidigendes dachte. „In einem andern Subjekt,“ fuhr der Schauſpie- ler fort, „in dem Kameraden des Vorigen zeig’ ich Ih- nen meinen eigenen ehmaligen Sancho; es machte mir Freude, dieſe beiden Tröpfe einmal treulich zu kopiren, Nolten verfehlte keinen Zug, und die Geſell- ſchaft muß uns ſchon vergeben, wenn wir ſie auf einen Augenblick in das Dachſtübchen dieſer Schmutzbärte zu ſchauen zwingen.“ Indeſſen hatte Larkens den erforderlichen Ap- parat aus ſeinem Hauſe holen laſſen; der Diener brachte ein braunes Käſtchen, worin das Zaubergeräthe verſchloſſen war; zugleich zog der Schauſpieler ein Manuſeript hervor, blätterte und ſagte: „In Abſicht auf die Art und Weiſe, wie die Tableaux den Text begleiten, verſteht ſich von ſelbſt, daß der Schauplatz zuweilen, wiewohl nur ſelten, leer bleiben wird, daß für den Maler nicht jede Scene gleich brauchbar ſeyn konnte, daß er von einer Scene meiſt nur Einen Mo- ment, Eine hervorſtechende Gruppe darſtellen konnte, daß jedoch ſo viel Varietät als nur immer möglich in die Bilder gebracht wurde. Nun hab’ ich nur noch Eine Bitte, den Vortrag des Dialogs betreffend. Ich werde zwar ſämmtliche männliche Perſonen aus meinem Munde mit abwechſelnder Stimme unter ſich ſprechen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/154
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/154>, abgerufen am 30.04.2024.