Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Wird euch fein wecken. Das vertrackte Volk,
Noch bluten Maul und Nasen ihm, und doch
Um nichts gebessert.
Talpe (leise).
Schaut, wie sie sich spreizt!
Sie äfft der Schwester nach, als wenn sie nicht
So gut wie wir voll blauer Mäler wäre.
Morry.
Den Baum sollt ihr umgraben, rings ein Loch,
Bis tief zur Wurzel, dann wird er gefällt.
Dieß Alles muß geschehen seyn, bevor
Die erste Lerche noch den Tag verkündet.
Rasch, spudet euch, faßt Hacken an und Schaufel!
Windigal.
Hört ihr nicht donnern dort?
Talpe.
Beim Käuzchen, ja.
Es wetterleuchtet blau vom Häupfelberg,
Der Mond packt eilig ein; gleich wird es regnen.
Morry.
Dann habt ihr leidlich graben. Frisch daran!
Thereile
(tritt auf in Trauerkleidern, für sich).
Zum lezten Mal betritt mein scheuer Fuß
Den Ort der Liebe, den ich hassen muß.
Vor diesem Abschied wehret sich mein Herz
Und krümmt sich wimmernd im verwaisten Schmerz!
Wird euch fein wecken. Das vertrackte Volk,
Noch bluten Maul und Naſen ihm, und doch
Um nichts gebeſſert.
Talpe (leiſe).
Schaut, wie ſie ſich ſpreizt!
Sie äfft der Schweſter nach, als wenn ſie nicht
So gut wie wir voll blauer Mäler wäre.
Morry.
Den Baum ſollt ihr umgraben, rings ein Loch,
Bis tief zur Wurzel, dann wird er gefällt.
Dieß Alles muß geſchehen ſeyn, bevor
Die erſte Lerche noch den Tag verkündet.
Raſch, ſpudet euch, faßt Hacken an und Schaufel!
Windigal.
Hört ihr nicht donnern dort?
Talpe.
Beim Käuzchen, ja.
Es wetterleuchtet blau vom Häupfelberg,
Der Mond packt eilig ein; gleich wird es regnen.
Morry.
Dann habt ihr leidlich graben. Friſch daran!
Thereile
(tritt auf in Trauerkleidern, für ſich).
Zum lezten Mal betritt mein ſcheuer Fuß
Den Ort der Liebe, den ich haſſen muß.
Vor dieſem Abſchied wehret ſich mein Herz
Und krümmt ſich wimmernd im verwaisten Schmerz!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#morr">
              <p><pb facs="#f0213" n="205"/>
Wird euch fein wecken. Das vertrackte Volk,<lb/>
Noch bluten Maul und Na&#x017F;en ihm, und doch<lb/>
Um nichts gebe&#x017F;&#x017F;ert.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#talp">
              <speaker> <hi rendition="#g">Talpe</hi> </speaker>
              <stage>(lei&#x017F;e).</stage><lb/>
              <p>Schaut, wie &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;preizt!<lb/>
Sie äfft der Schwe&#x017F;ter nach, als wenn &#x017F;ie nicht<lb/>
So gut wie wir voll blauer Mäler wäre.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#morr">
              <speaker><hi rendition="#g">Morry</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Den Baum &#x017F;ollt ihr umgraben, rings ein Loch,<lb/>
Bis tief zur Wurzel, dann wird er gefällt.<lb/>
Dieß Alles muß ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn, bevor<lb/>
Die er&#x017F;te Lerche noch den Tag verkündet.<lb/>
Ra&#x017F;ch, &#x017F;pudet euch, faßt Hacken an und Schaufel!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#feen">
              <speaker><hi rendition="#g">Windigal</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Hört ihr nicht donnern dort?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#talp">
              <speaker><hi rendition="#g">Talpe</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Beim Käuzchen, ja.<lb/>
Es wetterleuchtet blau vom Häupfelberg,<lb/>
Der Mond packt eilig ein; gleich wird es regnen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#morr">
              <speaker><hi rendition="#g">Morry</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Dann habt ihr leidlich graben. Fri&#x017F;ch daran!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#the">
              <speaker> <hi rendition="#g">Thereile</hi> </speaker><lb/>
              <stage>(tritt auf in Trauerkleidern, für &#x017F;ich).</stage><lb/>
              <p>Zum lezten Mal betritt mein &#x017F;cheuer Fuß<lb/>
Den Ort der Liebe, den ich ha&#x017F;&#x017F;en muß.<lb/>
Vor die&#x017F;em Ab&#x017F;chied wehret &#x017F;ich mein Herz<lb/>
Und krümmt &#x017F;ich wimmernd im verwaisten Schmerz!<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0213] Wird euch fein wecken. Das vertrackte Volk, Noch bluten Maul und Naſen ihm, und doch Um nichts gebeſſert. Talpe (leiſe). Schaut, wie ſie ſich ſpreizt! Sie äfft der Schweſter nach, als wenn ſie nicht So gut wie wir voll blauer Mäler wäre. Morry. Den Baum ſollt ihr umgraben, rings ein Loch, Bis tief zur Wurzel, dann wird er gefällt. Dieß Alles muß geſchehen ſeyn, bevor Die erſte Lerche noch den Tag verkündet. Raſch, ſpudet euch, faßt Hacken an und Schaufel! Windigal. Hört ihr nicht donnern dort? Talpe. Beim Käuzchen, ja. Es wetterleuchtet blau vom Häupfelberg, Der Mond packt eilig ein; gleich wird es regnen. Morry. Dann habt ihr leidlich graben. Friſch daran! Thereile (tritt auf in Trauerkleidern, für ſich). Zum lezten Mal betritt mein ſcheuer Fuß Den Ort der Liebe, den ich haſſen muß. Vor dieſem Abſchied wehret ſich mein Herz Und krümmt ſich wimmernd im verwaisten Schmerz!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/213
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/213>, abgerufen am 26.04.2024.