Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Uebrigen hatten sich inzwischen wieder in das
vordere Zimmer begeben. Man unterhielt sich noch
eine Weile über das sonderbare Stück, allein bald stockte
das Gespräch; ein vorsichtiges Ansichhalten, eine ge-
wisse Verlegenheit theilte sich auch dem Unbefangen-
sten mit, es glaubten endlich Mehrere, es müsse Je-
mand aus der Gesellschaft beleidigt worden seyn und
man sah einander lauschend an. Wer sich allein nicht
irre machen ließ, das war die schöne Wirthin des
Hauses, und dann Larkens selbst, welcher nur desto
mehr schwazte, lachte, dem Wein zusprach, je kälter
das Benehmen der Uebrigen war, das er im Stillen
gutmüthig mehr nur als eine verzeihliche Gleichgültig-
keit gegen sein fremdartiges Produkt, denn als Span-
nung auslegte.

Da es übrigens schon spät war, ging man in Kur-
zem auseinander. Constanze beehrte den verkann-
ten Schauspieler noch auf der Schwelle mit der Bitte,
sein Manuscript zu nochmaliger Erbauung da behalten
zu dürfen, und Freund Nolten bekam eine, wie ihm
schien, ungewöhnlich freundliche "Gute Nacht" mit auf
den Weg.


Im Heimgehen machte Theobald seinen Be-
gleiter auf jene Störung aufmerksam. "Gott weiß,"
antwortete Larkens, "was die Fratzen im Kopfe
hatten! Am Ende war's nur Unbeholfenheit, was sie
zu dem exotischen Ding sagen sollten; wären wir doch
lieber damit zu Hause geblieben oder hätten ihnen eine

Die Uebrigen hatten ſich inzwiſchen wieder in das
vordere Zimmer begeben. Man unterhielt ſich noch
eine Weile über das ſonderbare Stück, allein bald ſtockte
das Geſpräch; ein vorſichtiges Anſichhalten, eine ge-
wiſſe Verlegenheit theilte ſich auch dem Unbefangen-
ſten mit, es glaubten endlich Mehrere, es müſſe Je-
mand aus der Geſellſchaft beleidigt worden ſeyn und
man ſah einander lauſchend an. Wer ſich allein nicht
irre machen ließ, das war die ſchöne Wirthin des
Hauſes, und dann Larkens ſelbſt, welcher nur deſto
mehr ſchwazte, lachte, dem Wein zuſprach, je kälter
das Benehmen der Uebrigen war, das er im Stillen
gutmüthig mehr nur als eine verzeihliche Gleichgültig-
keit gegen ſein fremdartiges Produkt, denn als Span-
nung auslegte.

Da es übrigens ſchon ſpät war, ging man in Kur-
zem auseinander. Conſtanze beehrte den verkann-
ten Schauſpieler noch auf der Schwelle mit der Bitte,
ſein Manuſcript zu nochmaliger Erbauung da behalten
zu dürfen, und Freund Nolten bekam eine, wie ihm
ſchien, ungewöhnlich freundliche „Gute Nacht“ mit auf
den Weg.


Im Heimgehen machte Theobald ſeinen Be-
gleiter auf jene Störung aufmerkſam. „Gott weiß,“
antwortete Larkens, „was die Fratzen im Kopfe
hatten! Am Ende war’s nur Unbeholfenheit, was ſie
zu dem exotiſchen Ding ſagen ſollten; wären wir doch
lieber damit zu Hauſe geblieben oder hätten ihnen eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0220" n="212"/>
          <p>Die Uebrigen hatten &#x017F;ich inzwi&#x017F;chen wieder in das<lb/>
vordere Zimmer begeben. Man unterhielt &#x017F;ich noch<lb/>
eine Weile über das &#x017F;onderbare Stück, allein bald &#x017F;tockte<lb/>
das Ge&#x017F;präch; ein vor&#x017F;ichtiges An&#x017F;ichhalten, eine ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Verlegenheit theilte &#x017F;ich auch dem Unbefangen-<lb/>
&#x017F;ten mit, es glaubten endlich Mehrere, es mü&#x017F;&#x017F;e Je-<lb/>
mand aus der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft beleidigt worden &#x017F;eyn und<lb/>
man &#x017F;ah einander lau&#x017F;chend an. Wer &#x017F;ich allein nicht<lb/>
irre machen ließ, das war die &#x017F;chöne Wirthin des<lb/>
Hau&#x017F;es, und dann <hi rendition="#g">Larkens</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, welcher nur de&#x017F;to<lb/>
mehr &#x017F;chwazte, lachte, dem Wein zu&#x017F;prach, je kälter<lb/>
das Benehmen der Uebrigen war, das er im Stillen<lb/>
gutmüthig mehr nur als eine verzeihliche Gleichgültig-<lb/>
keit gegen &#x017F;ein fremdartiges Produkt, denn als Span-<lb/>
nung auslegte.</p><lb/>
          <p>Da es übrigens &#x017F;chon &#x017F;pät war, ging man in Kur-<lb/>
zem auseinander. <hi rendition="#g">Con&#x017F;tanze</hi> beehrte den verkann-<lb/>
ten Schau&#x017F;pieler noch auf der Schwelle mit der Bitte,<lb/>
&#x017F;ein Manu&#x017F;cript zu nochmaliger Erbauung da behalten<lb/>
zu dürfen, und Freund <hi rendition="#g">Nolten</hi> bekam eine, wie ihm<lb/>
&#x017F;chien, ungewöhnlich freundliche &#x201E;Gute Nacht&#x201C; mit auf<lb/>
den Weg.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Im Heimgehen machte <hi rendition="#g">Theobald</hi> &#x017F;einen Be-<lb/>
gleiter auf jene Störung aufmerk&#x017F;am. &#x201E;Gott weiß,&#x201C;<lb/>
antwortete <hi rendition="#g">Larkens</hi>, &#x201E;was die Fratzen im Kopfe<lb/>
hatten! Am Ende war&#x2019;s nur Unbeholfenheit, was &#x017F;ie<lb/>
zu dem exoti&#x017F;chen Ding &#x017F;agen &#x017F;ollten; wären wir doch<lb/>
lieber damit zu Hau&#x017F;e geblieben oder hätten ihnen eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0220] Die Uebrigen hatten ſich inzwiſchen wieder in das vordere Zimmer begeben. Man unterhielt ſich noch eine Weile über das ſonderbare Stück, allein bald ſtockte das Geſpräch; ein vorſichtiges Anſichhalten, eine ge- wiſſe Verlegenheit theilte ſich auch dem Unbefangen- ſten mit, es glaubten endlich Mehrere, es müſſe Je- mand aus der Geſellſchaft beleidigt worden ſeyn und man ſah einander lauſchend an. Wer ſich allein nicht irre machen ließ, das war die ſchöne Wirthin des Hauſes, und dann Larkens ſelbſt, welcher nur deſto mehr ſchwazte, lachte, dem Wein zuſprach, je kälter das Benehmen der Uebrigen war, das er im Stillen gutmüthig mehr nur als eine verzeihliche Gleichgültig- keit gegen ſein fremdartiges Produkt, denn als Span- nung auslegte. Da es übrigens ſchon ſpät war, ging man in Kur- zem auseinander. Conſtanze beehrte den verkann- ten Schauſpieler noch auf der Schwelle mit der Bitte, ſein Manuſcript zu nochmaliger Erbauung da behalten zu dürfen, und Freund Nolten bekam eine, wie ihm ſchien, ungewöhnlich freundliche „Gute Nacht“ mit auf den Weg. Im Heimgehen machte Theobald ſeinen Be- gleiter auf jene Störung aufmerkſam. „Gott weiß,“ antwortete Larkens, „was die Fratzen im Kopfe hatten! Am Ende war’s nur Unbeholfenheit, was ſie zu dem exotiſchen Ding ſagen ſollten; wären wir doch lieber damit zu Hauſe geblieben oder hätten ihnen eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/220
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/220>, abgerufen am 29.04.2024.