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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Art eines schöngeistigen Klubbs, das weiß man ja lange.
Lassen wir's halt gut seyn; werden uns den Prozeß
nicht machen."

So kamen die Beiden in ihrer Wohnung an.
Theobald, ganz nur in der heimlich entzückten Er-
innerung an die Güte der Geliebten schwelgend, ließ
sich den ärgerlichen Gegenstand wenig anfechten, er
freute sich auf die Stille seines Zimmers, wo er unge-
stört mit seinem Herzen weiter reden konnte. Larkens
pfiff wie gewöhnlich, wenn er bei der Nachhausekunft
den Schlüssel in die Thüre steckte, seine fröhliche Arie,
und so überließ sich denn Jeder sich selber.

Dem Leser aber mag zum Verständnisse des Obigen
Folgendes dienen.

Der seit etwa zwei Jahren mit Tod abgegangene
König Nikolaus, Vater und Vorfahrer des regie-
renden, galt bis in sein späteres Alter für einen ausneh-
mend schönen und auch sonst sehr begabten Mann. Er
hatte mit einer ungleich jüngeren Dame aus einem
verwandten Fürstenhause ein zärtliches Verhältniß, das
die Leztere mit einiger Aufdringlichkeit und -- so glaubte
man -- aus eigennützigen, politischen Absichten auch
dann noch fortzusetzen wußte, als der Monarch für die
Reize der Jugend bereits abgestorben seyn sollte, oder
ihnen auch wirklich schon entsagt hatte. Aber Schwäche
des Charakters, oder eine Verbindlichkeit, der er nicht
ausweichen konnte, machten ihn gegen die Zauberin
nachgiebiger, als wohl seinem Rufe dienlich war. Eine

Art eines ſchöngeiſtigen Klubbs, das weiß man ja lange.
Laſſen wir’s halt gut ſeyn; werden uns den Prozeß
nicht machen.“

So kamen die Beiden in ihrer Wohnung an.
Theobald, ganz nur in der heimlich entzückten Er-
innerung an die Güte der Geliebten ſchwelgend, ließ
ſich den ärgerlichen Gegenſtand wenig anfechten, er
freute ſich auf die Stille ſeines Zimmers, wo er unge-
ſtört mit ſeinem Herzen weiter reden konnte. Larkens
pfiff wie gewöhnlich, wenn er bei der Nachhauſekunft
den Schlüſſel in die Thüre ſteckte, ſeine fröhliche Arie,
und ſo überließ ſich denn Jeder ſich ſelber.

Dem Leſer aber mag zum Verſtändniſſe des Obigen
Folgendes dienen.

Der ſeit etwa zwei Jahren mit Tod abgegangene
König Nikolaus, Vater und Vorfahrer des regie-
renden, galt bis in ſein ſpäteres Alter für einen ausneh-
mend ſchönen und auch ſonſt ſehr begabten Mann. Er
hatte mit einer ungleich jüngeren Dame aus einem
verwandten Fürſtenhauſe ein zärtliches Verhältniß, das
die Leztere mit einiger Aufdringlichkeit und — ſo glaubte
man — aus eigennützigen, politiſchen Abſichten auch
dann noch fortzuſetzen wußte, als der Monarch für die
Reize der Jugend bereits abgeſtorben ſeyn ſollte, oder
ihnen auch wirklich ſchon entſagt hatte. Aber Schwäche
des Charakters, oder eine Verbindlichkeit, der er nicht
ausweichen konnte, machten ihn gegen die Zauberin
nachgiebiger, als wohl ſeinem Rufe dienlich war. Eine

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[214/0222] Art eines ſchöngeiſtigen Klubbs, das weiß man ja lange. Laſſen wir’s halt gut ſeyn; werden uns den Prozeß nicht machen.“ So kamen die Beiden in ihrer Wohnung an. Theobald, ganz nur in der heimlich entzückten Er- innerung an die Güte der Geliebten ſchwelgend, ließ ſich den ärgerlichen Gegenſtand wenig anfechten, er freute ſich auf die Stille ſeines Zimmers, wo er unge- ſtört mit ſeinem Herzen weiter reden konnte. Larkens pfiff wie gewöhnlich, wenn er bei der Nachhauſekunft den Schlüſſel in die Thüre ſteckte, ſeine fröhliche Arie, und ſo überließ ſich denn Jeder ſich ſelber. Dem Leſer aber mag zum Verſtändniſſe des Obigen Folgendes dienen. Der ſeit etwa zwei Jahren mit Tod abgegangene König Nikolaus, Vater und Vorfahrer des regie- renden, galt bis in ſein ſpäteres Alter für einen ausneh- mend ſchönen und auch ſonſt ſehr begabten Mann. Er hatte mit einer ungleich jüngeren Dame aus einem verwandten Fürſtenhauſe ein zärtliches Verhältniß, das die Leztere mit einiger Aufdringlichkeit und — ſo glaubte man — aus eigennützigen, politiſchen Abſichten auch dann noch fortzuſetzen wußte, als der Monarch für die Reize der Jugend bereits abgeſtorben ſeyn ſollte, oder ihnen auch wirklich ſchon entſagt hatte. Aber Schwäche des Charakters, oder eine Verbindlichkeit, der er nicht ausweichen konnte, machten ihn gegen die Zauberin nachgiebiger, als wohl ſeinem Rufe dienlich war. Eine

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/222>, abgerufen am 29.04.2024.