Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie tanzte gut und kochte schlecht.
Hülfe seine ganze weitläuftige Pachtung glücklich behauptet.
Ehe sie zu ihm kam, mußte er alle Jahr für hundert Thaler
Holsteinische Butter zukaufen; und es mochte so viel einge-
schlachtet werden als nur immer konnte: so waren, ehe ein
halbes Jahr zu Ende gieng, alle Vorrathskammern leer.
Das Flachs, was des Jahrs gemacht war, schien zu verschwin-
den, so wenig kam davon zu gute; und das Linnengeräthe
war dermassen in der Haushaltung aufgegangen, daß mein
Oheim, wie er seine Tochter aussteuerte, fast alles was sie
nöthig hatten, kaufen mußte. Nachdem die letzte Cousine
verheyrathet war, erhielt er noch eine Rechnung für Berliner
Schuh, die sich auf 80 Thlr. belief, und die sie in den bey-
den letzten Jahren verbraucht hatte. So lange diese, die ins-
besondre eine sehr geschickte Tänzerin war, die Haushaltung
führte, fehlte es oft, wenn unvermuthete Gäste kamen, an
einem Stücke Fleische; und ich erinnere mich an einem Mit-
tage bey meinem Oheim eine Taubensuppe, eine Taubenpastete
und gebratene Tauben gegessen zu haben. Dagegen hätten
sie den Vorrath von gangbaren und verdorbenen Putzwerke
sehen sollen. Kaum war aber die Person, wovon wir erst
redeten, ein Jahr bey ihm gewesen: so lieferte sie ihm aus
dem Molkenwerke von einem Jahre 180 Thaler, und die
Haushaltung war dabey ohne fremde Butter geführet wor-
den. Sie hatte ein Drittel weniger, als in den vorigen Jah-
ren geschehen, einschlachten lassen, und hatte noch einen hüb-
schen Vorrath von alten, wie es wieder zum neuen Einschlach-
ten gieng. Es waren 270 Himten Brodkorn weniger ver-
fressen oder verschleppt; und aus dem Flachse, da sie solches
in ihren Haushalt nicht mit Vortheil hatte verspinnen lassen
können, nur das Geld zu einigen Stücken Drell gewonnen.
Mein Oheim hatte dabey keine Rechnungen bey dem Weiß-
becker und Schlächter in der Stadt; sondern erster war mit

Korn

Sie tanzte gut und kochte ſchlecht.
Huͤlfe ſeine ganze weitlaͤuftige Pachtung gluͤcklich behauptet.
Ehe ſie zu ihm kam, mußte er alle Jahr fuͤr hundert Thaler
Holſteiniſche Butter zukaufen; und es mochte ſo viel einge-
ſchlachtet werden als nur immer konnte: ſo waren, ehe ein
halbes Jahr zu Ende gieng, alle Vorrathskammern leer.
Das Flachs, was des Jahrs gemacht war, ſchien zu verſchwin-
den, ſo wenig kam davon zu gute; und das Linnengeraͤthe
war dermaſſen in der Haushaltung aufgegangen, daß mein
Oheim, wie er ſeine Tochter ausſteuerte, faſt alles was ſie
noͤthig hatten, kaufen mußte. Nachdem die letzte Couſine
verheyrathet war, erhielt er noch eine Rechnung fuͤr Berliner
Schuh, die ſich auf 80 Thlr. belief, und die ſie in den bey-
den letzten Jahren verbraucht hatte. So lange dieſe, die ins-
beſondre eine ſehr geſchickte Taͤnzerin war, die Haushaltung
fuͤhrte, fehlte es oft, wenn unvermuthete Gaͤſte kamen, an
einem Stuͤcke Fleiſche; und ich erinnere mich an einem Mit-
tage bey meinem Oheim eine Taubenſuppe, eine Taubenpaſtete
und gebratene Tauben gegeſſen zu haben. Dagegen haͤtten
ſie den Vorrath von gangbaren und verdorbenen Putzwerke
ſehen ſollen. Kaum war aber die Perſon, wovon wir erſt
redeten, ein Jahr bey ihm geweſen: ſo lieferte ſie ihm aus
dem Molkenwerke von einem Jahre 180 Thaler, und die
Haushaltung war dabey ohne fremde Butter gefuͤhret wor-
den. Sie hatte ein Drittel weniger, als in den vorigen Jah-
ren geſchehen, einſchlachten laſſen, und hatte noch einen huͤb-
ſchen Vorrath von alten, wie es wieder zum neuen Einſchlach-
ten gieng. Es waren 270 Himten Brodkorn weniger ver-
freſſen oder verſchleppt; und aus dem Flachſe, da ſie ſolches
in ihren Haushalt nicht mit Vortheil hatte verſpinnen laſſen
koͤnnen, nur das Geld zu einigen Stuͤcken Drell gewonnen.
Mein Oheim hatte dabey keine Rechnungen bey dem Weiß-
becker und Schlaͤchter in der Stadt; ſondern erſter war mit

Korn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="78"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sie tanzte gut und kochte &#x017F;chlecht.</hi></fw><lb/>
Hu&#x0364;lfe &#x017F;eine ganze weitla&#x0364;uftige Pachtung glu&#x0364;cklich behauptet.<lb/>
Ehe &#x017F;ie zu ihm kam, mußte er alle Jahr fu&#x0364;r hundert Thaler<lb/>
Hol&#x017F;teini&#x017F;che Butter zukaufen; und es mochte &#x017F;o viel einge-<lb/>
&#x017F;chlachtet werden als nur immer konnte: &#x017F;o waren, ehe ein<lb/>
halbes Jahr zu Ende gieng, alle Vorrathskammern leer.<lb/>
Das Flachs, was des Jahrs gemacht war, &#x017F;chien zu ver&#x017F;chwin-<lb/>
den, &#x017F;o wenig kam davon zu gute; und das Linnengera&#x0364;the<lb/>
war derma&#x017F;&#x017F;en in der Haushaltung aufgegangen, daß mein<lb/>
Oheim, wie er &#x017F;eine Tochter aus&#x017F;teuerte, fa&#x017F;t alles was &#x017F;ie<lb/>
no&#x0364;thig hatten, kaufen mußte. Nachdem die letzte Cou&#x017F;ine<lb/>
verheyrathet war, erhielt er noch eine Rechnung fu&#x0364;r Berliner<lb/>
Schuh, die &#x017F;ich auf 80 Thlr. belief, und die &#x017F;ie in den bey-<lb/>
den letzten Jahren verbraucht hatte. So lange die&#x017F;e, die ins-<lb/>
be&#x017F;ondre eine &#x017F;ehr ge&#x017F;chickte Ta&#x0364;nzerin war, die Haushaltung<lb/>
fu&#x0364;hrte, fehlte es oft, wenn unvermuthete Ga&#x0364;&#x017F;te kamen, an<lb/>
einem Stu&#x0364;cke Flei&#x017F;che; und ich erinnere mich an einem Mit-<lb/>
tage bey meinem Oheim eine Tauben&#x017F;uppe, eine Taubenpa&#x017F;tete<lb/>
und gebratene Tauben gege&#x017F;&#x017F;en zu haben. Dagegen ha&#x0364;tten<lb/>
&#x017F;ie den Vorrath von gangbaren und verdorbenen Putzwerke<lb/>
&#x017F;ehen &#x017F;ollen. Kaum war aber die Per&#x017F;on, wovon wir er&#x017F;t<lb/>
redeten, ein Jahr bey ihm gewe&#x017F;en: &#x017F;o lieferte &#x017F;ie ihm aus<lb/>
dem Molkenwerke von einem Jahre 180 Thaler, und die<lb/>
Haushaltung war dabey ohne fremde Butter gefu&#x0364;hret wor-<lb/>
den. Sie hatte ein Drittel weniger, als in den vorigen Jah-<lb/>
ren ge&#x017F;chehen, ein&#x017F;chlachten la&#x017F;&#x017F;en, und hatte noch einen hu&#x0364;b-<lb/>
&#x017F;chen Vorrath von alten, wie es wieder zum neuen Ein&#x017F;chlach-<lb/>
ten gieng. Es waren 270 Himten Brodkorn weniger ver-<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;en oder ver&#x017F;chleppt; und aus dem Flach&#x017F;e, da &#x017F;ie &#x017F;olches<lb/>
in ihren Haushalt nicht mit Vortheil hatte ver&#x017F;pinnen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nnen, nur das Geld zu einigen Stu&#x0364;cken Drell gewonnen.<lb/>
Mein Oheim hatte dabey keine Rechnungen bey dem Weiß-<lb/>
becker und Schla&#x0364;chter in der Stadt; &#x017F;ondern er&#x017F;ter war mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Korn</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0096] Sie tanzte gut und kochte ſchlecht. Huͤlfe ſeine ganze weitlaͤuftige Pachtung gluͤcklich behauptet. Ehe ſie zu ihm kam, mußte er alle Jahr fuͤr hundert Thaler Holſteiniſche Butter zukaufen; und es mochte ſo viel einge- ſchlachtet werden als nur immer konnte: ſo waren, ehe ein halbes Jahr zu Ende gieng, alle Vorrathskammern leer. Das Flachs, was des Jahrs gemacht war, ſchien zu verſchwin- den, ſo wenig kam davon zu gute; und das Linnengeraͤthe war dermaſſen in der Haushaltung aufgegangen, daß mein Oheim, wie er ſeine Tochter ausſteuerte, faſt alles was ſie noͤthig hatten, kaufen mußte. Nachdem die letzte Couſine verheyrathet war, erhielt er noch eine Rechnung fuͤr Berliner Schuh, die ſich auf 80 Thlr. belief, und die ſie in den bey- den letzten Jahren verbraucht hatte. So lange dieſe, die ins- beſondre eine ſehr geſchickte Taͤnzerin war, die Haushaltung fuͤhrte, fehlte es oft, wenn unvermuthete Gaͤſte kamen, an einem Stuͤcke Fleiſche; und ich erinnere mich an einem Mit- tage bey meinem Oheim eine Taubenſuppe, eine Taubenpaſtete und gebratene Tauben gegeſſen zu haben. Dagegen haͤtten ſie den Vorrath von gangbaren und verdorbenen Putzwerke ſehen ſollen. Kaum war aber die Perſon, wovon wir erſt redeten, ein Jahr bey ihm geweſen: ſo lieferte ſie ihm aus dem Molkenwerke von einem Jahre 180 Thaler, und die Haushaltung war dabey ohne fremde Butter gefuͤhret wor- den. Sie hatte ein Drittel weniger, als in den vorigen Jah- ren geſchehen, einſchlachten laſſen, und hatte noch einen huͤb- ſchen Vorrath von alten, wie es wieder zum neuen Einſchlach- ten gieng. Es waren 270 Himten Brodkorn weniger ver- freſſen oder verſchleppt; und aus dem Flachſe, da ſie ſolches in ihren Haushalt nicht mit Vortheil hatte verſpinnen laſſen koͤnnen, nur das Geld zu einigen Stuͤcken Drell gewonnen. Mein Oheim hatte dabey keine Rechnungen bey dem Weiß- becker und Schlaͤchter in der Stadt; ſondern erſter war mit Korn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/96
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/96>, abgerufen am 28.04.2024.