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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898.

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gebrauchte Shoyusauce giebt den Speisen einen eigen-
artig strengen Geschmack oder ein allzu starker Beisatz
von Knoblauch macht sie widerlich süßlich. Ich habe noch
nie einen Europäer getroffen, welchem das japanische
Essen wirklich gemundet hätte, und wer zu einem
japanischen Mahl eingeladen war, mußte sich nachher
auf europäische Art satt essen, wenn er nicht in weiser
Voraussicht das schon zuvor besorgt hatte. Da ich
verhältnismäßig oft auf das Land kam, so war ich
auch oft in der Lage, japanisch essen zu müssen; ich
habe mir infolgedessen eine große Fertigkeit in der
Handhabung der Eßstäbchen angeeignet, welche dort
die Stelle von Löffel, Gabel und Messer vertreten.
Wenn man aber zu längerem Aufenthalt auf das Land
geht, unterläßt man es nie, seinen Koch mitzunehmen
und sich von ihm europäisch kochen zu lassen. Denn
jeder Fremde hat dort seinen Koch. Das sieht zwar
luxuriös aus, ist aber eine einfache Notwendigkeit.
Die Löhne sind übrigens so gering, daß ein Koch keine
große Ausgabe bedeutet. Ich war zuerst bei meinem
Kollegen S. in Kost gegangen. Eines Abends sagte
ich meinem Wagenzieher, daß ich am nächsten Tag
eine eigene Haushaltung beginne und daß er mein
Koch werde. Das war für ihn eine bedeutende Be-
förderung und mit Freuden ging er darauf ein. Auf
mein Befragen erklärte er mir, daß er zwar noch nie
selbst gekocht habe, daß er aber schon manchmal am
Herd gesessen sei, wenn der Koch von Herrn S.
das Essen bereitete. Und siehe da, vom nächsten Tag
an kochte er mir. Verwöhnt wurde man dabei nicht,
aber es ging.

Außer seinem Koch hat der Missionar in der Regel
noch einen Wagenzieher. Auf Schusters Rappen käme

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gebrauchte Shoyuſauce giebt den Speiſen einen eigen-
artig ſtrengen Geſchmack oder ein allzu ſtarker Beiſatz
von Knoblauch macht ſie widerlich ſüßlich. Ich habe noch
nie einen Europäer getroffen, welchem das japaniſche
Eſſen wirklich gemundet hätte, und wer zu einem
japaniſchen Mahl eingeladen war, mußte ſich nachher
auf europäiſche Art ſatt eſſen, wenn er nicht in weiſer
Vorausſicht das ſchon zuvor beſorgt hatte. Da ich
verhältnismäßig oft auf das Land kam, ſo war ich
auch oft in der Lage, japaniſch eſſen zu müſſen; ich
habe mir infolgedeſſen eine große Fertigkeit in der
Handhabung der Eßſtäbchen angeeignet, welche dort
die Stelle von Löffel, Gabel und Meſſer vertreten.
Wenn man aber zu längerem Aufenthalt auf das Land
geht, unterläßt man es nie, ſeinen Koch mitzunehmen
und ſich von ihm europäiſch kochen zu laſſen. Denn
jeder Fremde hat dort ſeinen Koch. Das ſieht zwar
luxuriös aus, iſt aber eine einfache Notwendigkeit.
Die Löhne ſind übrigens ſo gering, daß ein Koch keine
große Ausgabe bedeutet. Ich war zuerſt bei meinem
Kollegen S. in Koſt gegangen. Eines Abends ſagte
ich meinem Wagenzieher, daß ich am nächſten Tag
eine eigene Haushaltung beginne und daß er mein
Koch werde. Das war für ihn eine bedeutende Be-
förderung und mit Freuden ging er darauf ein. Auf
mein Befragen erklärte er mir, daß er zwar noch nie
ſelbſt gekocht habe, daß er aber ſchon manchmal am
Herd geſeſſen ſei, wenn der Koch von Herrn S.
das Eſſen bereitete. Und ſiehe da, vom nächſten Tag
an kochte er mir. Verwöhnt wurde man dabei nicht,
aber es ging.

Außer ſeinem Koch hat der Miſſionar in der Regel
noch einen Wagenzieher. Auf Schuſters Rappen käme

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[17/0031] gebrauchte Shoyuſauce giebt den Speiſen einen eigen- artig ſtrengen Geſchmack oder ein allzu ſtarker Beiſatz von Knoblauch macht ſie widerlich ſüßlich. Ich habe noch nie einen Europäer getroffen, welchem das japaniſche Eſſen wirklich gemundet hätte, und wer zu einem japaniſchen Mahl eingeladen war, mußte ſich nachher auf europäiſche Art ſatt eſſen, wenn er nicht in weiſer Vorausſicht das ſchon zuvor beſorgt hatte. Da ich verhältnismäßig oft auf das Land kam, ſo war ich auch oft in der Lage, japaniſch eſſen zu müſſen; ich habe mir infolgedeſſen eine große Fertigkeit in der Handhabung der Eßſtäbchen angeeignet, welche dort die Stelle von Löffel, Gabel und Meſſer vertreten. Wenn man aber zu längerem Aufenthalt auf das Land geht, unterläßt man es nie, ſeinen Koch mitzunehmen und ſich von ihm europäiſch kochen zu laſſen. Denn jeder Fremde hat dort ſeinen Koch. Das ſieht zwar luxuriös aus, iſt aber eine einfache Notwendigkeit. Die Löhne ſind übrigens ſo gering, daß ein Koch keine große Ausgabe bedeutet. Ich war zuerſt bei meinem Kollegen S. in Koſt gegangen. Eines Abends ſagte ich meinem Wagenzieher, daß ich am nächſten Tag eine eigene Haushaltung beginne und daß er mein Koch werde. Das war für ihn eine bedeutende Be- förderung und mit Freuden ging er darauf ein. Auf mein Befragen erklärte er mir, daß er zwar noch nie ſelbſt gekocht habe, daß er aber ſchon manchmal am Herd geſeſſen ſei, wenn der Koch von Herrn S. das Eſſen bereitete. Und ſiehe da, vom nächſten Tag an kochte er mir. Verwöhnt wurde man dabei nicht, aber es ging. Außer ſeinem Koch hat der Miſſionar in der Regel noch einen Wagenzieher. Auf Schuſters Rappen käme 2

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Zitationshilfe: Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/31>, abgerufen am 30.04.2024.