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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

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ten hat welche sie schildern, und in der Hoffnung dieses
Studium zu erleichtern und zu vervollkommnen, für jene
Methode entschieden.

Vieles von dem was der Römer in den Jahrbüchern
seines Volks niederschrieb muß der Neuere aus der Fülle
der Begebenheiten ausschließen, woran diese Geschichte
die aller übrigen Völker weit übertrifft. Genöthigt vieles
zu übergehen, und für die Beschränkungen ein Gesetz fest-
zustellen, werde ich Männer und Vorfälle, die ohne in-
nere Größe und äußere Folgenwichtigkeit in einem todten
Andenken erhalten sind, nicht erwähnen: obgleich dem
Gelehrten vollständige Kenntniß unentbehrlich ist, und
manche dürre Oede Quellen verschließt, die es ihm früher
oder später hervorzurufen gelingt. Ich werde hingegen
suchen, die Kritik der Geschichte besonders während der
fünf ersten Jahrhunderte, nicht nach dunkeln Gefühlen
sondern forschend, auszuführen, nicht ihre Resultate,
welche nur blinde Meinungen stiften, sondern die Untersu-
chungen selbst in ihrem ganzen Umfange vortragen: ich
werde streben die überbauten und versteckten, von den uns
erhaltenen alten Schriftstellern oft ganz verkannten, Grund-
festen des alten Römischen Volks und seines Staats zu
entdecken: Gerechtigkeit zu Lob und Tadel, zu Liebe und
Haß, wo Partheygeist falsche Darstellung, diese nach
Jahrtausenden falsches Urtheil gebohren hat, in Kraft zu
setzen: die Ausbreitung des Reichs, die Entwicklung der
Verfassung, den Zustand der Verwaltung, der Sitten und
Bildung, wie er sich von Zeit zu Zeit übersehen läßt, dar-
stellen. Ich werde die Männer näher bekannt machen,

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ten hat welche ſie ſchildern, und in der Hoffnung dieſes
Studium zu erleichtern und zu vervollkommnen, fuͤr jene
Methode entſchieden.

Vieles von dem was der Roͤmer in den Jahrbuͤchern
ſeines Volks niederſchrieb muß der Neuere aus der Fuͤlle
der Begebenheiten ausſchließen, woran dieſe Geſchichte
die aller uͤbrigen Voͤlker weit uͤbertrifft. Genoͤthigt vieles
zu uͤbergehen, und fuͤr die Beſchraͤnkungen ein Geſetz feſt-
zuſtellen, werde ich Maͤnner und Vorfaͤlle, die ohne in-
nere Groͤße und aͤußere Folgenwichtigkeit in einem todten
Andenken erhalten ſind, nicht erwaͤhnen: obgleich dem
Gelehrten vollſtaͤndige Kenntniß unentbehrlich iſt, und
manche duͤrre Oede Quellen verſchließt, die es ihm fruͤher
oder ſpaͤter hervorzurufen gelingt. Ich werde hingegen
ſuchen, die Kritik der Geſchichte beſonders waͤhrend der
fuͤnf erſten Jahrhunderte, nicht nach dunkeln Gefuͤhlen
ſondern forſchend, auszufuͤhren, nicht ihre Reſultate,
welche nur blinde Meinungen ſtiften, ſondern die Unterſu-
chungen ſelbſt in ihrem ganzen Umfange vortragen: ich
werde ſtreben die uͤberbauten und verſteckten, von den uns
erhaltenen alten Schriftſtellern oft ganz verkannten, Grund-
feſten des alten Roͤmiſchen Volks und ſeines Staats zu
entdecken: Gerechtigkeit zu Lob und Tadel, zu Liebe und
Haß, wo Partheygeiſt falſche Darſtellung, dieſe nach
Jahrtauſenden falſches Urtheil gebohren hat, in Kraft zu
ſetzen: die Ausbreitung des Reichs, die Entwicklung der
Verfaſſung, den Zuſtand der Verwaltung, der Sitten und
Bildung, wie er ſich von Zeit zu Zeit uͤberſehen laͤßt, dar-
ſtellen. Ich werde die Maͤnner naͤher bekannt machen,

A 2
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[3/0025] ten hat welche ſie ſchildern, und in der Hoffnung dieſes Studium zu erleichtern und zu vervollkommnen, fuͤr jene Methode entſchieden. Vieles von dem was der Roͤmer in den Jahrbuͤchern ſeines Volks niederſchrieb muß der Neuere aus der Fuͤlle der Begebenheiten ausſchließen, woran dieſe Geſchichte die aller uͤbrigen Voͤlker weit uͤbertrifft. Genoͤthigt vieles zu uͤbergehen, und fuͤr die Beſchraͤnkungen ein Geſetz feſt- zuſtellen, werde ich Maͤnner und Vorfaͤlle, die ohne in- nere Groͤße und aͤußere Folgenwichtigkeit in einem todten Andenken erhalten ſind, nicht erwaͤhnen: obgleich dem Gelehrten vollſtaͤndige Kenntniß unentbehrlich iſt, und manche duͤrre Oede Quellen verſchließt, die es ihm fruͤher oder ſpaͤter hervorzurufen gelingt. Ich werde hingegen ſuchen, die Kritik der Geſchichte beſonders waͤhrend der fuͤnf erſten Jahrhunderte, nicht nach dunkeln Gefuͤhlen ſondern forſchend, auszufuͤhren, nicht ihre Reſultate, welche nur blinde Meinungen ſtiften, ſondern die Unterſu- chungen ſelbſt in ihrem ganzen Umfange vortragen: ich werde ſtreben die uͤberbauten und verſteckten, von den uns erhaltenen alten Schriftſtellern oft ganz verkannten, Grund- feſten des alten Roͤmiſchen Volks und ſeines Staats zu entdecken: Gerechtigkeit zu Lob und Tadel, zu Liebe und Haß, wo Partheygeiſt falſche Darſtellung, dieſe nach Jahrtauſenden falſches Urtheil gebohren hat, in Kraft zu ſetzen: die Ausbreitung des Reichs, die Entwicklung der Verfaſſung, den Zuſtand der Verwaltung, der Sitten und Bildung, wie er ſich von Zeit zu Zeit uͤberſehen laͤßt, dar- ſtellen. Ich werde die Maͤnner naͤher bekannt machen, A 2

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/25>, abgerufen am 27.04.2024.