Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

welche zum Guten oder Bösen in ihrem Zeitalter mächtig
waren, oder sich doch vor andern auszeichneten: ich werde
die Geschichte der Kriege, so weit sie nicht eine wiederkeh-
rende Einförmigkeit darbietet, genau erzählen, und so
weit es unsre Nachrichten gestatten, ein treues und be-
stimmtes Bild der Völker entwerfen, welche die sich aus-
dehnende Sphäre der Römischen Gewalt allmählich er-
reichte: auch die Litteratur, sowohl der erhaltenen als
verlohrnen Schriftsteller, bey ihren Hauptepochen be-
trachten.

Als Sallust, mit beruhigtem Gemüth, nach vielem
und bitterm in den Geschäften des Staats erlittenem
Kummer, sich ihnen zu entziehen beschlossen hatte, und,
zu seinen Lieblingsforschungen zurückgekehrt, einzelne
Ereignisse der vaterländischen Geschichte auswählend zu
erzählen unternahm 1), fand er es nöthig, seinen Mit-
bürgern -- denn nur einzelne Griechen und wenige von
den Westeuropäern lasen lateinisch -- darzuthun, daß die
Thaten der Römer von denen der Griechen nicht verdun-
kelt würden. Ein Jahrhundert früher hatte Polybius,
wohl vergeblich, den Griechen anschaulich zu machen ge-
strebt, wie weit die Römische Größe nicht allein, noch vor-
züglich, durch den Umfang ihres Reichs alles übertreffe,
was die frühere Geschichte gekannt habe. Daß die Grie-
chen, wenn auch nicht Erbittrung und Haß gegen die
fremden Beherrscher sie verblendet hätten, eine Geschichte
gering schätzten, der damals jene Anmuth und das Leben
beredter Erzählung fehlte welche die ihnen verwandten

1) Sallustius in Catil. c. 4.

welche zum Guten oder Boͤſen in ihrem Zeitalter maͤchtig
waren, oder ſich doch vor andern auszeichneten: ich werde
die Geſchichte der Kriege, ſo weit ſie nicht eine wiederkeh-
rende Einfoͤrmigkeit darbietet, genau erzaͤhlen, und ſo
weit es unſre Nachrichten geſtatten, ein treues und be-
ſtimmtes Bild der Voͤlker entwerfen, welche die ſich aus-
dehnende Sphaͤre der Roͤmiſchen Gewalt allmaͤhlich er-
reichte: auch die Litteratur, ſowohl der erhaltenen als
verlohrnen Schriftſteller, bey ihren Hauptepochen be-
trachten.

Als Salluſt, mit beruhigtem Gemuͤth, nach vielem
und bitterm in den Geſchaͤften des Staats erlittenem
Kummer, ſich ihnen zu entziehen beſchloſſen hatte, und,
zu ſeinen Lieblingsforſchungen zuruͤckgekehrt, einzelne
Ereigniſſe der vaterlaͤndiſchen Geſchichte auswaͤhlend zu
erzaͤhlen unternahm 1), fand er es noͤthig, ſeinen Mit-
buͤrgern — denn nur einzelne Griechen und wenige von
den Weſteuropaͤern laſen lateiniſch — darzuthun, daß die
Thaten der Roͤmer von denen der Griechen nicht verdun-
kelt wuͤrden. Ein Jahrhundert fruͤher hatte Polybius,
wohl vergeblich, den Griechen anſchaulich zu machen ge-
ſtrebt, wie weit die Roͤmiſche Groͤße nicht allein, noch vor-
zuͤglich, durch den Umfang ihres Reichs alles uͤbertreffe,
was die fruͤhere Geſchichte gekannt habe. Daß die Grie-
chen, wenn auch nicht Erbittrung und Haß gegen die
fremden Beherrſcher ſie verblendet haͤtten, eine Geſchichte
gering ſchaͤtzten, der damals jene Anmuth und das Leben
beredter Erzaͤhlung fehlte welche die ihnen verwandten

1) Sallustius in Catil. c. 4.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0026" n="4"/>
welche zum Guten oder Bo&#x0364;&#x017F;en in ihrem Zeitalter ma&#x0364;chtig<lb/>
waren, oder &#x017F;ich doch vor andern auszeichneten: ich werde<lb/>
die Ge&#x017F;chichte der Kriege, &#x017F;o weit &#x017F;ie nicht eine wiederkeh-<lb/>
rende Einfo&#x0364;rmigkeit darbietet, genau erza&#x0364;hlen, und &#x017F;o<lb/>
weit es un&#x017F;re Nachrichten ge&#x017F;tatten, ein treues und be-<lb/>
&#x017F;timmtes Bild der Vo&#x0364;lker entwerfen, welche die &#x017F;ich aus-<lb/>
dehnende Spha&#x0364;re der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Gewalt allma&#x0364;hlich er-<lb/>
reichte: auch die Litteratur, &#x017F;owohl der erhaltenen als<lb/>
verlohrnen Schrift&#x017F;teller, bey ihren Hauptepochen be-<lb/>
trachten.</p><lb/>
      <p>Als Sallu&#x017F;t, mit beruhigtem Gemu&#x0364;th, nach vielem<lb/>
und bitterm in den Ge&#x017F;cha&#x0364;ften des Staats erlittenem<lb/>
Kummer, &#x017F;ich ihnen zu entziehen be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte, und,<lb/>
zu &#x017F;einen Lieblingsfor&#x017F;chungen zuru&#x0364;ckgekehrt, einzelne<lb/>
Ereigni&#x017F;&#x017F;e der vaterla&#x0364;ndi&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte auswa&#x0364;hlend zu<lb/>
erza&#x0364;hlen unternahm <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Sallustius in Catil. c.</hi> 4.</note>, fand er es no&#x0364;thig, &#x017F;einen Mit-<lb/>
bu&#x0364;rgern &#x2014; denn nur einzelne Griechen und wenige von<lb/>
den We&#x017F;teuropa&#x0364;ern la&#x017F;en lateini&#x017F;ch &#x2014; darzuthun, daß die<lb/>
Thaten der Ro&#x0364;mer von denen der Griechen nicht verdun-<lb/>
kelt wu&#x0364;rden. Ein Jahrhundert fru&#x0364;her hatte Polybius,<lb/>
wohl vergeblich, den Griechen an&#x017F;chaulich zu machen ge-<lb/>
&#x017F;trebt, wie weit die Ro&#x0364;mi&#x017F;che Gro&#x0364;ße nicht allein, noch vor-<lb/>
zu&#x0364;glich, durch den Umfang ihres Reichs alles u&#x0364;bertreffe,<lb/>
was die fru&#x0364;here Ge&#x017F;chichte gekannt habe. Daß die Grie-<lb/>
chen, wenn auch nicht Erbittrung und Haß gegen die<lb/>
fremden Beherr&#x017F;cher &#x017F;ie verblendet ha&#x0364;tten, eine Ge&#x017F;chichte<lb/>
gering &#x017F;cha&#x0364;tzten, der damals jene Anmuth und das Leben<lb/>
beredter Erza&#x0364;hlung fehlte welche die ihnen verwandten<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0026] welche zum Guten oder Boͤſen in ihrem Zeitalter maͤchtig waren, oder ſich doch vor andern auszeichneten: ich werde die Geſchichte der Kriege, ſo weit ſie nicht eine wiederkeh- rende Einfoͤrmigkeit darbietet, genau erzaͤhlen, und ſo weit es unſre Nachrichten geſtatten, ein treues und be- ſtimmtes Bild der Voͤlker entwerfen, welche die ſich aus- dehnende Sphaͤre der Roͤmiſchen Gewalt allmaͤhlich er- reichte: auch die Litteratur, ſowohl der erhaltenen als verlohrnen Schriftſteller, bey ihren Hauptepochen be- trachten. Als Salluſt, mit beruhigtem Gemuͤth, nach vielem und bitterm in den Geſchaͤften des Staats erlittenem Kummer, ſich ihnen zu entziehen beſchloſſen hatte, und, zu ſeinen Lieblingsforſchungen zuruͤckgekehrt, einzelne Ereigniſſe der vaterlaͤndiſchen Geſchichte auswaͤhlend zu erzaͤhlen unternahm 1), fand er es noͤthig, ſeinen Mit- buͤrgern — denn nur einzelne Griechen und wenige von den Weſteuropaͤern laſen lateiniſch — darzuthun, daß die Thaten der Roͤmer von denen der Griechen nicht verdun- kelt wuͤrden. Ein Jahrhundert fruͤher hatte Polybius, wohl vergeblich, den Griechen anſchaulich zu machen ge- ſtrebt, wie weit die Roͤmiſche Groͤße nicht allein, noch vor- zuͤglich, durch den Umfang ihres Reichs alles uͤbertreffe, was die fruͤhere Geſchichte gekannt habe. Daß die Grie- chen, wenn auch nicht Erbittrung und Haß gegen die fremden Beherrſcher ſie verblendet haͤtten, eine Geſchichte gering ſchaͤtzten, der damals jene Anmuth und das Leben beredter Erzaͤhlung fehlte welche die ihnen verwandten 1) Sallustius in Catil. c. 4.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/26
Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 1. Berlin, 1811, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische01_1811/26>, abgerufen am 27.04.2024.