Verbannten, wäre sie auch die kleinere des ganzen Hau- fens gewesen, ist auffallend; denn Rom in dem histori- schen Zeitalter zählte deren weniger als eine kleine grie- chische Republik. Sie läßt auf eine Wuth und einen Umfang der Unruhen oder auf eine Strenge der Ge- richte schließen welche die Geschichte kaum andeutet: oder waren viele der Unglücklichen flüchtige Schuldner? Oder waren es zum Theil Söhne der ausgewanderten Anhänger des letzten Königs? In griechischen Republi- ken und Italiens Mittelalter begleiteten nicht selten die Enkel alter Verbannter die Fahnen derer die durch eine Spaltung unter den Nachkommen der Parthey vertrie- ben waren, welche ihre Vorfahren aus dem Vaterlande verjagt hatten; Dante focht neben den Gibellinen. Im Elend und der Landflüchtigkeit hätten sich wohl Cäso und ausgestoßene Tribunicier vereinigt. War Cäso un- ter den Landesfeinden, wie das Gerücht früher gemur- melt hatte? Kaum läßt sich daran zweifeln, die Chro- niken scheuten des Vaters Manen.
Als die Gefahr enthüllt, und nicht mehr furchtbar war, versammelten die Consuln die Bürger unter den Waffen. Da wagten es die Tribunen zu fordern daß zuvor ihr vorgeschlagnes Gesetz angenommen werde, ehe sie gestatten wollten daß das Volk zu den Fahnen des Consuls schwöre. Ungeziemend wie der Augenblick war, so war er dies doch mehr als gefährlich; ein immer wach gehaltenes Mißtrauen ließ sie nicht übersehen, wel- cher Gefahr das Volk hingegeben sey wenn sich alle zum militarischen Gehorsam eidlich verbunden haben wür-
Verbannten, waͤre ſie auch die kleinere des ganzen Hau- fens geweſen, iſt auffallend; denn Rom in dem hiſtori- ſchen Zeitalter zaͤhlte deren weniger als eine kleine grie- chiſche Republik. Sie laͤßt auf eine Wuth und einen Umfang der Unruhen oder auf eine Strenge der Ge- richte ſchließen welche die Geſchichte kaum andeutet: oder waren viele der Ungluͤcklichen fluͤchtige Schuldner? Oder waren es zum Theil Soͤhne der ausgewanderten Anhaͤnger des letzten Koͤnigs? In griechiſchen Republi- ken und Italiens Mittelalter begleiteten nicht ſelten die Enkel alter Verbannter die Fahnen derer die durch eine Spaltung unter den Nachkommen der Parthey vertrie- ben waren, welche ihre Vorfahren aus dem Vaterlande verjagt hatten; Dante focht neben den Gibellinen. Im Elend und der Landfluͤchtigkeit haͤtten ſich wohl Caͤſo und ausgeſtoßene Tribunicier vereinigt. War Caͤſo un- ter den Landesfeinden, wie das Geruͤcht fruͤher gemur- melt hatte? Kaum laͤßt ſich daran zweifeln, die Chro- niken ſcheuten des Vaters Manen.
Als die Gefahr enthuͤllt, und nicht mehr furchtbar war, verſammelten die Conſuln die Buͤrger unter den Waffen. Da wagten es die Tribunen zu fordern daß zuvor ihr vorgeſchlagnes Geſetz angenommen werde, ehe ſie geſtatten wollten daß das Volk zu den Fahnen des Conſuls ſchwoͤre. Ungeziemend wie der Augenblick war, ſo war er dies doch mehr als gefaͤhrlich; ein immer wach gehaltenes Mißtrauen ließ ſie nicht uͤberſehen, wel- cher Gefahr das Volk hingegeben ſey wenn ſich alle zum militariſchen Gehorſam eidlich verbunden haben wuͤr-
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Verbannten, waͤre ſie auch die kleinere des ganzen Hau-
fens geweſen, iſt auffallend; denn Rom in dem hiſtori-
ſchen Zeitalter zaͤhlte deren weniger als eine kleine grie-
chiſche Republik. Sie laͤßt auf eine Wuth und einen
Umfang der Unruhen oder auf eine Strenge der Ge-
richte ſchließen welche die Geſchichte kaum andeutet:
oder waren viele der Ungluͤcklichen fluͤchtige Schuldner?
Oder waren es zum Theil Soͤhne der ausgewanderten
Anhaͤnger des letzten Koͤnigs? In griechiſchen Republi-
ken und Italiens Mittelalter begleiteten nicht ſelten die
Enkel alter Verbannter die Fahnen derer die durch eine
Spaltung unter den Nachkommen der Parthey vertrie-
ben waren, welche ihre Vorfahren aus dem Vaterlande
verjagt hatten; Dante focht neben den Gibellinen. Im
Elend und der Landfluͤchtigkeit haͤtten ſich wohl Caͤſo
und ausgeſtoßene Tribunicier vereinigt. War Caͤſo un-
ter den Landesfeinden, wie das Geruͤcht fruͤher gemur-
melt hatte? Kaum laͤßt ſich daran zweifeln, die Chro-
niken ſcheuten des Vaters Manen.
Als die Gefahr enthuͤllt, und nicht mehr furchtbar
war, verſammelten die Conſuln die Buͤrger unter den
Waffen. Da wagten es die Tribunen zu fordern daß
zuvor ihr vorgeſchlagnes Geſetz angenommen werde, ehe
ſie geſtatten wollten daß das Volk zu den Fahnen des
Conſuls ſchwoͤre. Ungeziemend wie der Augenblick war,
ſo war er dies doch mehr als gefaͤhrlich; ein immer
wach gehaltenes Mißtrauen ließ ſie nicht uͤberſehen, wel-
cher Gefahr das Volk hingegeben ſey wenn ſich alle zum
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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/73>, abgerufen am 30.04.2024.
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