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Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812.

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mungen nicht. Das Privateigenthum blieb, wie bey
allen Ackergesetzen, ausdrücklich geachtet: der Werth von
Gebäuden, die auf verstohlen oder gewaltsam usurpir-
tem 65), der Republik eigenthümlichem, Boden errichtet
waren, ward abgeschätzt und aus der Staatscasse ersetzt;
dann die ganze Grundfläche in vermeßnen Loosen dem
Volk zum Eigenthum vertheilt. Denn bey der Grün-
dung neuer Städte, oder der regelmäßigen Erweiterung
alter auf dem Boden der Domaine, ward, bey Ziehung
der Straßen und Abgränzung der Grundstücke, nach
Möglichkeit die nämliche geometrische Regelmäßigkeit
beobachtet wie bey den Feldlägern, und bey der Thei-
lung und Anweisung von Ländereyen 66). Auf einen
ganz andern Inhalt würde der Titel rathen lassen unter
dem Livius dieses Gesetzes gedenkt 67), aber auf keinen
begreiflichen oder wahrscheinlichen, denn zu geschweigen
daß der Staat das Grundeigenthum auf dem Aventinus
nicht einziehen konnte, so wäre damit den Plebejern
eben das allernachtheiligste widerfahren. Dionysius Nach-
richt hat eine entschiedene innere Glaublichkeit: doch ist
die Ausführung voll Dunkelheit. Es scheint daß wenn
nicht vielleicht die vom Staat eingelößten Gebäude nie-
dergerissen, und die Materialien den neuen Eigenthümern
insgemein überlassen wurden, das Loos, zwischen Gebäu-
den, und wüstem, noch nicht einmal zum Bau geebne-

65) bebiksmenoi e klope labontes. Vi aut clam.
66) Forma urbis occupatae magis quam divisae similis. Li-
vius V. c. 55.
67) De Aventino publicando. Livius III. c. 31.
Zweiter Theil. E

mungen nicht. Das Privateigenthum blieb, wie bey
allen Ackergeſetzen, ausdruͤcklich geachtet: der Werth von
Gebaͤuden, die auf verſtohlen oder gewaltſam uſurpir-
tem 65), der Republik eigenthuͤmlichem, Boden errichtet
waren, ward abgeſchaͤtzt und aus der Staatscaſſe erſetzt;
dann die ganze Grundflaͤche in vermeßnen Looſen dem
Volk zum Eigenthum vertheilt. Denn bey der Gruͤn-
dung neuer Staͤdte, oder der regelmaͤßigen Erweiterung
alter auf dem Boden der Domaine, ward, bey Ziehung
der Straßen und Abgraͤnzung der Grundſtuͤcke, nach
Moͤglichkeit die naͤmliche geometriſche Regelmaͤßigkeit
beobachtet wie bey den Feldlaͤgern, und bey der Thei-
lung und Anweiſung von Laͤndereyen 66). Auf einen
ganz andern Inhalt wuͤrde der Titel rathen laſſen unter
dem Livius dieſes Geſetzes gedenkt 67), aber auf keinen
begreiflichen oder wahrſcheinlichen, denn zu geſchweigen
daß der Staat das Grundeigenthum auf dem Aventinus
nicht einziehen konnte, ſo waͤre damit den Plebejern
eben das allernachtheiligſte widerfahren. Dionyſius Nach-
richt hat eine entſchiedene innere Glaublichkeit: doch iſt
die Ausfuͤhrung voll Dunkelheit. Es ſcheint daß wenn
nicht vielleicht die vom Staat eingeloͤßten Gebaͤude nie-
dergeriſſen, und die Materialien den neuen Eigenthuͤmern
insgemein uͤberlaſſen wurden, das Loos, zwiſchen Gebaͤu-
den, und wuͤſtem, noch nicht einmal zum Bau geebne-

65) βεβικςμένοι ἢ κλοπῆ λαβόντες. Vi aut clam.
66) Forma urbis occupatæ magis quam divisæ similis. Li-
vius V. c. 55.
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[65/0081] mungen nicht. Das Privateigenthum blieb, wie bey allen Ackergeſetzen, ausdruͤcklich geachtet: der Werth von Gebaͤuden, die auf verſtohlen oder gewaltſam uſurpir- tem 65), der Republik eigenthuͤmlichem, Boden errichtet waren, ward abgeſchaͤtzt und aus der Staatscaſſe erſetzt; dann die ganze Grundflaͤche in vermeßnen Looſen dem Volk zum Eigenthum vertheilt. Denn bey der Gruͤn- dung neuer Staͤdte, oder der regelmaͤßigen Erweiterung alter auf dem Boden der Domaine, ward, bey Ziehung der Straßen und Abgraͤnzung der Grundſtuͤcke, nach Moͤglichkeit die naͤmliche geometriſche Regelmaͤßigkeit beobachtet wie bey den Feldlaͤgern, und bey der Thei- lung und Anweiſung von Laͤndereyen 66). Auf einen ganz andern Inhalt wuͤrde der Titel rathen laſſen unter dem Livius dieſes Geſetzes gedenkt 67), aber auf keinen begreiflichen oder wahrſcheinlichen, denn zu geſchweigen daß der Staat das Grundeigenthum auf dem Aventinus nicht einziehen konnte, ſo waͤre damit den Plebejern eben das allernachtheiligſte widerfahren. Dionyſius Nach- richt hat eine entſchiedene innere Glaublichkeit: doch iſt die Ausfuͤhrung voll Dunkelheit. Es ſcheint daß wenn nicht vielleicht die vom Staat eingeloͤßten Gebaͤude nie- dergeriſſen, und die Materialien den neuen Eigenthuͤmern insgemein uͤberlaſſen wurden, das Loos, zwiſchen Gebaͤu- den, und wuͤſtem, noch nicht einmal zum Bau geebne- 65) βεβικςμένοι ἢ κλοπῆ λαβόντες. Vi aut clam. 66) Forma urbis occupatæ magis quam divisæ similis. Li- vius V. c. 55. 67) De Aventino publicando. Livius III. c. 31. Zweiter Theil. E

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Zitationshilfe: Niebuhr, Barthold Georg: Römische Geschichte. T. 2. Berlin, 1812, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/niebuhr_roemische02_1812/81>, abgerufen am 30.04.2024.